Friday, June 30, 2006

Jan Ullrich - jähes Ende einer turbulenten Karriere?

Die Radprofis des Teams T-mobile mit ihrem Kapitän Jan Ullrich bogen gerade in ihrem klimatisierten Reisebus in die Auffahrt zum Golfhotel in Plobsheim bei Strasbourg ein, als das Handy von Mannschaftsdirektor Olaf Ludwig klingelte. Am anderen Ende der Leitung war Teamsprecher Christian Frommert, der von der Terrasse der gediegenen Anlage aus anrief, wo die deutschen Tour de France Journalisten auf die Pärsentation des Kaders für die Rundfahrt warteten. Ludwig, so die Order, solle den Busfahrer sofort zum Umdrehen bewegen.

Es war eine Fahrt mit Symbolkraft für Jan Ullrich. Das Ziel vor Augen und doch unerreichbar – das ist eine Erfahrung, an die der Rekordzweite der Tour de France sich in den vergangenen Jahren wohl gewöhnt haben dürfte. Diesmal war die Umkehr jedoch endgültig. Jan Ullrich wird nicht zur diesjährigen Tour de France nicht antreten. Und somit vermutlich nie mehr bei einem Radrennen starten.

Die Geschäftsführung von T-mobile wollte am Samstag nämlich Jan Ullrich nicht nur von der wartenden Presse fernhalten. Der Konzern hatte, in den Minuten vor dem Medientermin beschlossen, Ullrich ganz aus der Tour de France zu nehmen. Eine Kündigung war das noch nicht, doch es erscheint im Moment eher unwahrscheinlich, dass Ullrich jemals wieder das rosafarbene Trikot seines Arbeitgebers überstreifen wird, dass er seit beinahe 13 Jahren getragen hatte.

Ullrich hatte das Vertrauen von T-mobile gebrochen. Seit im Mai sein Name erstmals mit einem spanischen Dopingdealer-Ring in Verbindung gebracht wird, beteuert er, nie etwas mit den Madrider Arzt Eufemanio Fuentes und seinen Schergen zu tun gehabt zu haben. Noch am Abend vor dem Medienevent in Polbsheim hatte Ullrich seinen Vorgesetzten beteuert, ein reines Gewissen zu haben. Nur Minuten bevor er sich als Tour-Favorit im Golfhotel strahlend vor die wartenden Kameras stellen konnte, bekam die T-mobile Teamleitung jedoch ein Fax von der Tour de France-Organisation. Es enthielt Gerichtsdokumente aus Spanien, die, so Mannschaftstsprecher Frommert, begründete Zweifel an Ullrichs Aufrichtigkeit hatten aufkommen lassen.

Es ist noch nicht erwiesen, dass Ullrich tatsächlich gedopt hat. Das wird in den kommenden Wochen das spanische Verfahren zutage fördern oder etwaige Untersuchungen, die nun die Radsportverbände einleiten. Vielleicht wird Jan Ullrich darum kämpfen, seine Unschuld zu beweisen. Es steht jedoch fest, dass er diese Tour nicht bestreitet. Sie sollte seine letzte sein, die, mit er seine epische und stets unvollendete Karriere zu einem guten Ende bringen wollte. Neun Jahre lang, seit seinem Tour de France-Sieg 1997, löste er das Versprechen, das sein großes Talent gegeben hatte, nicht ein. Neun Jahre lang lief er verzweifelt einem zweiten Tour-Sieg hinterher. Dieses Jahr, nachdem sein Dauerbezwinger Armstrong abgetreten war, sollte es endlich klappen. Ullrich wollte siegen, seinen Frieden finden und sich dann zurück ziehen. Jetzt ist die Laufbahn des deutschen Sporthelden implodiert und wird wohl auf ewig unvollendet bleiben.

Nachdem der Mannschaftsbus kurz vor dem Golfplatz von Plobsheim abgedreht hatte, fuhr er in das Fachwerkörtchen Blaiseheim zurück, wo die T-mobile Mannschaft im Landgasthof Le Bouef Quartier bezogen. Jan Ullrich verkroch sich auf sein Zimmer und ließ sich auch nicht von der sich rasch wachsenden Reporterhorde unter seinem Fenster ans Tageslicht drängen. Man weiß nicht, wie Ullrichs Gemütsverfassung in diesen Stunden ausgesehen hat. Es sind sicherlich Welten in ihm zusammen gebrochen. Aber möglicherweise hatte er auch so etwas wie Erleichterung verspürt.

Denn die Vollendung seiner Karriere, der zweite Sieg, die Nutzung seiner nach einhelliger Expertenmeinung äußerst raren körperlichen Möglichkeiten, war für Ullrich immer auch ein Fluch. Schon nach seinem ersten Tour Sieg 1997 floh er aus Deutschland in den Urlaub, als er die Ansprüche der Medien, der Fans und der Sponsoren zu spüren begann. Er kam übergwichtig und völlig ausser Form wieder zurück. Seine Speckröllchen trug er wie eine sichtbare Ausrede, die Erwartungen gar nicht erfüllen zu können.

Danach lieferte Ullrich Jahr für Jahr das selbe schmerzhaft anzuschauende Schauspiel ab. Er drückte sich in der rennfreien Zeit vor der nötigen Trainingsarbeit, schien stets mit sich selbst zu ringen, ob er überhaupt noch Radfahren will. Als ihm dann im Frühjahr keine echten Alternativen einfielen, riß er sich zusammen und bastelte dank seiner Begabung und mit einem unheimlichen Kraftakt bis zur Tour noch eine ordentliche Form hin. Zum Siegen reichte das allerdings nie.

2002 brach dieses psychologische Kartenhaus zusammen. Ullrich verletzte sich, konnte den Ansprüchen, denen er sich nicht zu entziehen vermochte, nicht gerecht werden, flüchtete sich orientierungslos in Alkohol und Drogen. Er wurde von seinem Rennstall gefeuert, tauchte ab und musste sich beruflich wie privat ein neues Umfeld schaffen.

Zu diesem Umfeld gehörte vor allen Dingen Rudy Pevenage, der mit Ullrich zusammen das Team T-mobile verließ. Pevenage bereitete im Stillen Ullrich auf sein Comeback vor, das dann 2003 mit der knappsten Niederlage Ullrichs gegen Armstrong im Verlauf ihrer Rivalität auch famos gelang. Beide wurden daraufhin ehrenvoll wieder in Werksportgruppe des Telekommunikationsriesen aufgenommen.

Rudy Pevenage ist nun zusammen mit Ullrich bei T-mobile erneut vor die Tür gesetzt worden. Es liegt nahe, dass er es war, der Ullrich mit dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes zusammen brachte. Mit jenem kriminellen Sportmediziner, der nun Ullrich sowie 50 weitere Fahrer und die gesamte Tour de France in den Abgrund gezogen hat.

Bis 2002 war Jan Ullrich fünf Jahre lang von der Unfähigeit zerfressen, sich von den Ansprüchen frei zu machen, die er andererseits nie als seine eigenen annehmen konnte. Möglicherweise zeigte Pevenage ihm vor drei Jahren einen einfachen Weg, das alles mit einem schnellen erneuten Sieg hinter sich zu bringen. Im Nachhinein wäre es für Ullrich freilich vielleicht besser gewesen, man hätte ihn damals gleich in Ruhe gelassen. Er mochte nie wirklich der schillernde deutsche Sportheld sein, den so viele in ihm sehen wollten. Jetzt ist er nicht nur kein Heroe geworden sondern zum Kriminellen. Und zur Symbolfigur für einen Sport, der nicht dazu in der Lage ist, sich selbst zu hinterfragen. Eine tiefere Erforschung seiner emotionalen Landschaften hätte Ullrich jedenfalls gewiss vor seinem traurigen Schicksal bewahrt.

Sebastian Moll

Wednesday, June 28, 2006

Nichts dazu gelernt: Die Tour steht wieder einmal im Zeichen des Dopings

Bjarne Riis kann sich noch genau erinnern wie das war, damals, 1998. Es war seine letzte Tour als Fahrer, und er hätte sich sicher einen schöneren Abschied vom aktiven Radsport gewünscht. Denn statt gemeinsam mit Jan Ullrich heroisch um den dritten Sieg des Team Telekom in Folge zu streiten, verbrachte Riis die letzte Tour-Woche vor allem damit, als Fahrersprecher das Schlimmste zu verhindern. Nachdem die Sportler gleich zu Dutzenden wegen Dopingverdachts in Untersuchungshaft gewandert waren, weigerten sich die, die nicht schon nach Hause geflohen waren, weiter zu fahren. Und wenn ein Streik diese Tour beendet hätte, wäre sie womöglich nie wieder gestartet.

Etwas Ähnliches möchte der heutige Dierktor des Teams CSC – der Mannschaft von Jan Ullrichs schärfstem Rivalen Ivan Basso - nicht noch einnmal erleben. Deshalb gibt er Tage vor dem Tour-Start zu, dass er „Angst“ hat vor dem, was in den kommenden Wochen passieren könnte. Denn das Dopinggespenst sucht wieder einmal den Radsport heim und droht sein größtes Rennen zu Tode zu erschrecken.

„Wenn das stimmt, was man da hört und liest“, sagt der Sport-Direktor der deutschen Gerolsteiner Mannschaft Hans-Michael Holczer, „dann ist das schlimmer als 1998.“ Der spanischen Zeitung El Pais wurden vergangene Woche Dokumente der spanischen Behörden zugespielt, denen zu Folge sich mindestens 58 Radprofis von dem Madrider Arzt Eufemanio Fuentes mittels eines speziellen Aparates das Blut hatten mit Sauerstoff anreichern lassen. Zumindest bei den beiden spanischen Profimannschaften Valenciana und Astana-Würth wurden die Dienste von Fuentes nachweislich systematisch genutzt. Über die Identität von Fuentes weiteren Kunden wird bislang nur spekuliert – auch Jan Ullrich wurde mit Fuentes in Verbindung gebracht.

Die Befürchtung in Radsportkreisen ist nun, dass während der kommenden drei Wochen nach und nach Details und Namen ans Licht kommen und die Tour somit letztendlich zur Farce verkommt. Auch, dass die Behörden sich wie 1998 einschalten, ist nicht ausgeschlossen. Der Präsident des Radsportverbandes UCI, Pat McQuaid verschickte am Mittwoch vorsorglich ein Fax an alle Tour-Teams, in dem er sie dazu aufforderte, sich von ihren Athleten schriftlich versichern zu lassen, nichts mit Fuentes zu tun gehabt zu haben.

El Pais und die spanischen Ermittler sitzen auf einer Bombe, die die Tour de France zum Explodieren bringen könnte. El Pais hat mit Hilfe von Quellen bei der Guardia Civil dokumentiert wie der Dopingdealer-Ring um Fuentes und dessen Schergen Jose Luis Merino, Jose Ignacio Labarta und Alberto Leon funktionierte. Die Zeitung druckte auch belastende Dokumente ab. Namen der Beschulidgten weiß El Pais bislang jedoch nicht oder kann sie nicht veröffentlichen. Lediglich von der Fuentes-Bande verwendete Decknamen wie „Guri, Jorge, Zapatero“, wie „Sevillano“„der schöne Jörg“ und „Hijo Radicio“ – Sohn des Rudy - brachte El Pais in Erfahrung.

Bei der Verknüpfung dieser Decknamen mit Tour-Startern und anderen Radprofis sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Spekulationen reichen von Jan Ullrich über Oscar Sevilla bis hin zu Ivan Basso. Kein Team kann sich sicher sein, dass keiner seiner Fahrer in der Sache mit drin hängt. Und auf jeder der 21 Tour de France-Etappen kann aus Madrid eine neue Enthüllung kommen. Die Situation stellt genau das Szenario dar, das der Radsport seit der Tour 1998 eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollte. Die Glaubwürdigkeit des Sportes ist auf dem Nullpunkt angelangt, jeder steht unter Vedacht.

Weil El Pais bislang keine Namen nennt sind der Spekulation und den Gerüchten Tür und Tor geöffnet. Alleine die Tatsache, dass Fuentes mit dem italienischen Sportmediziner Luigi Cecchini befreundet ist, reicht aus, die Kunden Cecchinis mit der Affäre in Verbindung zu bringen. Dazu gehören auch die beiden mutmasslichen Protagonisten der Tour Jan Ullrich und Ivan Basso, die sich beide von Cecchini beraten lassen. Jan Ullrich hat nun angekündigt gegen die Verdächtigungen von El Pais alleine aufgrund dieser Verbindung und des Decknamen „Sohn des Rudy“ gegen El Pais zu klagen. Wenn es tatsächlich zu dieser Klage kommt, wird die Zeitung aufdecken müssen, ob sie Konkreteres vorweisen kann.

Der Tour-Organisation ist die derzeitige Faktenlage hingegen noch zu dünn. Man würde sich in Paris zwar wohl gerne vor einer erneuten Katastrophe wie 1998 schützen und hat deshalb auch schon die spanische Mannnschaft Valenciana wieder ausgeladen. Auf allzu dünnes Eis möchte man sich jedoch weder in Paris noch beim Radsportverband UCI begeben.

Der Schaden ist jedoch unabhängig von einzelnen Personen bereits angerichtet. Bis die neue, sozialistische spanische Regierung in diesem Jahr beschloss, über untätige Verbände hinweg gegen Doping durchzugreifen, galt Spanien als Zuflucht für betrugswillige Rad- und andere Sportler. Was die Guardia Civil dort zutage förderte ist ein trauriger Beleg dafür, dass der Tiefpunkt von 1998 im Radsport weder zu einem Neustart noch zu einem Umdenken geführt hat. So muss die Tour de France acht Jahre später immer noch mit dem Generalverdacht gegen alle daran Beitiligten leben. Und mit der Gefahr, dass die Staatsmacht wieder die Athleten von der Massagebank holt und auf die Polizeiwache schleppt. Spätestens, wenn es am 13. Juli bei Bossost über die spanische Grenze geht.

Sebastian Moll

Friday, June 23, 2006

Hearst's Castle - Norman Fosters erster Bau in New York

Es gehört nicht gerade zum guten Ton, sich über Konkurrenten zu mockieren, auch nicht im eitlen Architekturgewerbe. Der deutsche Architekt Michael Wurzel, Partner bei Norman Foster and Partners in London, macht überdies einen britisch gediegenen Eindruck – Wurzel ist gewiss niemand, der sich zu Ausfälligkeiten hinreissen lässt. Und doch kann er nicht an sich halten, als er vom 35. Stock des firschen, ersten Baus von Foster in New York durchs Fenster in Richtung Süden schaut. „So etwas hätte auch Ceaucesu bauen können“, sagt er und zeigt dabei auf das das Worldwide Plaza nur wenige Blocks vom neuen Bürogebäude des Zeitschriftenverlages Hearst entfernt.

Das Worldwide Plaza ist ein monotoner Turm von 1989, dem eine aufgesetzte Kupferpyramide unbeholfen zu postmoderner Verspieltheit verhelfen soll. Für Wurzel, der am Hearst-Bau mitgearbeitet hat, ist diese Hässlichkeit nur einer von vielen Belegen dafür, wie sehr New York in den vergangenen 40 Jahren architektonisch den Anschluss verloren hat. Mit dem Hearst-Bau, dem ersten Auftrag für Foster in New York, meint Wurzel selbstbewusst, nehme die Stadt nun jedoch endlich wieder Fühlung auf mit dem, was sich in der Architektur der vergangenen 40 Jahre in der Welt getan hat.


Dass dies keine Prahlerei ist bestätigt dem Büro Foster die New Yorker Kritik. Nicolai Ourousoff von der New York Times findet, dass das letzte Gebäude von ähnlicher formengeschichtlicher Bedeutung vor dem Hearst-Bau in New York das Lever Haus von 1951 war. Paul Goldberger vom New Yorker fällt immerhin noch das Metzler Haus am unteren Broadway von 1967 ein. Man ist sich jedoch einig, dass seit der Spätmoderne keine Impulse mehr von New York ausgehen. „Die New Yorker Firmen haben sich spätestens seit den 70 er Jahren im Mittelmaß eingerichtet“, schreibt Ouroussoff. „Sie haben sich selbst mit Gefälligkeit und postmoderner Spielerei kompromittiert.“

Der 46-stöckige Hearst Turm ist indes eindeutig den Werten der Moderne verpflichtet. Er ist rational er legt schamlos seine Ratio offen. Und dennoch ist der Hearst Turm visuell spannend. Das aussenliegende, dreieckig angeordnete Stahlskelett und die extravagant abgeschrägten Eckfenster - Rudimente von Fosters Entwurf der sich windenen, „küssenden Türme“ für Ground Zero- prädestinieren den Bau als Ikone der New Yorker Skyline.

Im Gegensatz zu den typischen, äußerlich monumentalen aber innen hoffnungslos vollgestopften, New Yorker Bürohochhäuser, hat Norman Foster von Innen nach Aussen gebaut. Im Zentrum seines Entwurfes stehen die Arbeitsbedingungen der Hearst-Angestellten. Das markanteste Ergebnis dieser Überlegungen ist es, dass die tragende Struktur in vier Stockwerke hohen Dreiecken Aussen verläuft. So entstehen große, lichte Inneräume, vergrößert noch dadurch, dass die Aufzüge ebenfalls an den Rand des Gebäudes verlegt wurden.

So wurde etwa der Piazza-artige erste Stock möglich, den man über eine Rolltreppe erreicht, die ein wenig thetralisch einen über Glas rinnenden Wasserfall durchschneidet. Oben angekommen offenbart sich ein lichter Raum von Ausmaßen, wie man ihn in New York sonst weder Aussen noch Innen findet. Es ist ein zentraler Platz für alle Verlagsangestellte, an dessen Rand sich Cafeteriatische und Sitzgruppen wie Cafes und Bänke abwechseln. Der Platz ist das Kernstück einer freundlichen Arbeitsumgebung, die sich auf den Büroetagen fortsetzt. Der entkernte Bau erlaubt Großraumbüros, in denen kein Schreibtisch weiter als ein paar Meter von einem Fenster entfernt ist – niedrige Trennwände und Glastüren zu den aussenliegenden Chefbüros und Konferenzräumen lassen das Tageslicht ungestört durch die trotz allem intim wirkenden Etagen fluten. Zusammen mit den Arbeitsplatz-Experten der New Yorker Firma Gensler hat Foster eine zwar ökonomisch aber dennoch humane und demokratische Arbeitsumgebung geschaffen.

Dass der private Medienunternehmer Hearst ausgerechnet Foster für dieses Projekt angeheuert hat, hing indes auch damit zusammen, dass die Fassade des alten Hearst-Baus unter Denkmalschutz stand. Am Berliner Reichstag und am British Museum hatte Foster ja bereits Eleganz dabei bewiesen, das Alte zu ehren und trotzdem radikal modern zu bauen. Das alte Hearst- Gebäude hat Foster ausgehölt – die strenge Sandsteinfassade von 1928 mit ihren Art-Deco Ornamenten umläuft jetzt den neuen Wolkenkratzer wie ein Kragen. Es ist kaum mehr als ein Verweis auf die Tradition des Familienbetriebs, der sich dafür umso moderner darstellt, sobald man durch die alten Tore getreten ist.

Nun ist es nicht gerade eine New Yorker Vorliebe, das Alte und das Neue zu verbinden – viel lieber reisst man hier ab und fängt von vorne an. In diesem Jahr waren jedoch die beiden am meisten bejubelten Bauten der Stadt Projekte, die das Alte integrieren – schon im Frühjahr eröffnete an der Madison Avenue die Umgestaltung der Morgan Library durch Renzo Piano.


Piano verband die Bibliothek, die Kunstsammlung sowie das Wohnhaus des Gründerzeitfinanciers an der Madison Avenue zu einem einzigen Komplex und machte die verstaubten, schwerfälligen Beaux-Arts-Bauten über Nacht zu einem Lieblingsziel für New Yorker. Er schuf einen mit Glas überdachten Lichthof, in dem man nun Capuccino trinken kann, während man schräg noch oben Blicke auf die umliegende Skyline erhascht. An allen Seiten des modernen Hofes führen Treppen in die Sammlungen des Magnaten und somit in die untergegangene Welt der frühen Industriebarone. Es ist ein subtiles aber äußerst wirkunsgsvolles Werk, eines, in dem der Architekt beinahe verschwindet. Ohne jedoch seine Mittel zu verbergen – die Stahlträger seiner Konstruktion liegen offen, man fühlt ihr Gewicht. Der Eingriff ist sichtbar und unsichtbar zugleich. Es entsteht, wie Nicolai Ourousoff von der Times schreibt, „ein schwindellerregender Rhytmus von Alt und Neu“.


Am Ground Zero entsteht mit dem Freedom Tower derweil ein New Yorker Symbolbau des alten Stils – ein schamloses Monument wirtschaftlicher Potenz. Anderswo in Manhattan hat man hingegen scheinbar verstanden, dass eine solche Symbolik fünf Jahre nach dem 11. September isolationistisch und provinziell daher kommt..

Sebastian Moll

Wednesday, June 21, 2006

NBA: Miami holt Titel, Nowitzki frutsriert

Wenn sie eine Minute länger auf dem Spielfeld geblieben wären, hätten sich Dirk Nowitzki, Jason Terry, Josh Howard, Trainer Avery Johnson und der Rest der Dallas Mavericks zumindest noch von den Worten von Pat Riley trösten lassen können. Als der Trainer der Miami Heat nach dem 95-92 Sieg seiner Mannschaft im sechsten Spiel der NBA-Finals die Meisterschaftstrophäe entgegen nahm, lobte er als erstes seine Gegner: „Diese tollen jungen Spieler, dieser tolle junge Trainer – ihnen gehört die Zukunft“, verneigte sich Riley vor seinen Gegnern. Doch als die freundlichen Worte aus Riley heraus sprudelten hatten die Mavericks sich bereits mit hängenden Schultern in die Kabine der American Airlines Arena von Dallas verkrochen.


Dort scharten sie sich um Trainer Avery Johnson, der sonst mit Kritik und Härte nicht spart. Jetzt war jedoch alles vorbei und keine noch so scharfe Analyse konnte die Mavericks noch weiter bringen. Alles was Johnson zu sagen blieb waren deshalb Worte des Dankes für einen einmaligen Playoffs-Lauf, der die Mavericks erstmals die Westren Conferemce Meisterschaft brachte und sie in Greifweite des Pokals beförderte. „Ich habe den Jungs nur gesagt, wie sehr ich sie liebe“, sagte Johnson kurz danach im Gang unter der Tribüne in T-Shirt und Badelatschen, befreit von dem adretten Anzug, den er am Spielfeldrand stets trägt.

An einem anderen Abend wäre Johnson mit seinen Jungs nach einem solchen Spiel sicher härter ins Gericht gegangen. Die Mavericks hatten bei ihrem ersten Heimspiel der Serie nach drei Auswärtsniederlagen furios begonnen – bis zu 14 Punkte groß war ihr Vorsprung im zweiten Viertel. Dirk Nowitzki, mit dessen Spiel der Erfolg der Mavericks steht und fällt, hatte in der ersten Hälfte 17 Punkte geworfen, obwohl die Abwehr der Heat ihn eng deckte. Doch dann ging Nowitzki und den Mavericks plötzlich und unerklärlich die Puste aus.

In der zweiten Hälfte gingen vom Feld nur noch 37% der Schüsse der Texaner in den Korb. Nowitzki, der insgesamt beachtliche 29 Zähler sammelte, konnte in der entscheidenden Phase im letzten Viertel nur noch zwei Punkte holen. „Ich will keine Entschuldigungen suchen“, schwieg Avery Johnson zur Vorstellung seines Stars und seines Teams in jenen qualvollen Minuten, in denen ihnen die Meisterschaftshoffnungen vor den Augen zerrann. Explizite Kritik ersparte er sich und der Mannschaft.

Nowitzki selbst, der schon nach der Niederlage in Spiel fünf in Miami die Nerven verloren und ein stationäres Fahrrad zertrampelt hatte, verkroch sich zunächst beinahe eine Stunde lang. Als er wieder aus der Kabine auftauchte konnte er noch immer seine tiefe Enttäuschung nur schwer verbergen. „Vermutlich können wir in ein paar Wochen zurückblicken und stolz darauf sein, was wir erreicht haben“, sagte er mit wenig Überzeugung. „Im Moment ist das jedoch ein harter Brocken und sehr schwer zu verdauen. Der Frust ist enorm.“

Während er zu Dirk Nowitzki schwieg, hatte Avery Johnson zum Star der Miami Heat, Dwayne Wade, sehr viel zu sagen. Wade warf am Dienstag 36 Punkte und wurde im Anschluss als wertvollster Spieler der Serie ausgezeichnet. „Wir haben ihn doppelt und dreifach gedeckt. Nichts hat genutzt“, kommentierte Johnson. „Was er geleistet hat, kann man niemandem beibringen. Das waren keine Tricks. Er hatte einfach einen unbändigen Willen zu gewinnen.“ Dieser Wille hat den Mavericks und Nowitzki am Ende in letzter Konsequenz wohl gefehlt.

Sicherlich hat den Mavericks am Ende, im Vergleich zu den Heat auch ein wenig die Erfahrung gefehlt. So ist Avery Johnson überhaupt erst in seinem ersten Jahr verantwortlicher Trainer – Pat Riley hat mit zwei verschiedenen Teams insgesamt fünf Titel gewonnen. Shaquille O’Neal holte am Dienstag in seiner 12. Profi Saison seinen insgesamt vierten Meisterschaftsring. Schon die ganze Saison hatte es sich O’Neal explizit zur Aufgabe gemacht, dem Jungstar Wade zur Seite zu stehen: „Er ist Batman und ich bin sein Robin“, sagte O’Neal nach dem Sieg.

Nowitzki musste hingegen ohne Robin auskommen. Aber er hat, auch wenn er schon acht Jahre in der NBA spielt, nach einschlägiger Meinung auch noch Zeit. „Wenn man auf dem Weg nach oben stolpert, ist das keine Schande“, sagte etwa Nowitzkis Mentor Holger Gschwindner. Nowitzki selbst wäre am Dienstagabend allerdings wohl lieber nicht gestolpert.

Tuesday, June 20, 2006

Radikale Hühner

Die COUNTRY-BAND DIXIE CHICKS lässt sich nicht kleinkriegen



Mit einer Bush-kritischen Äußerung sorgten die erfolgsverwöhnten Dixie Chicks vor drei Jahren für Aufruhr in der konservativen US-Country-Szene. Jetzt ist das Damen-Trio mit einem neuen Album zurück - und nimmt endgültig Abschied von alten Traditionen.

Weiter unter: http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,422424,00.html

Wednesday, June 14, 2006

Der Heilige von Queens


Orlando Tobon hilft seit 40 Jahren in New York illegalen kolumbianischen Einwanderer bei ihrem Start in ein neues Leben



Manolo Ortiz weiß nicht weiter. Deshalb ist er heute in Orlando Tobons Büro gekommen, den zwei mal vier Meter großen Raum an der Roosevelt Avenue, der Hauptstraße des New Yorker Einwandererviertels Queens. Orlando, ein mächtig dicker Kolumbianer mit freundlichen Augen und sanfter Stimme, betreibt hier offiziell ein Reisebüro. Eigentlich jedoch ist der Laden eine wichtige Anlaufstelle in New York für Männer wie Manolo. Leute, die ohne Papiere aus Lateinamerika gekommen sind, um hier ihr Glück zu machen, die nicht englisch sprechen, die nichts haben und alles brauchen: Dokumente, eine Wohnung, einen Job.


Lesen Sie weiter:
http://www.taz.de/pt/2006/06/14/a0136.1/text

Monday, June 12, 2006

Ein Sport für Yuppies - Fußballfans in den USA

Es ist schon erstaunlich, dass Frank Foer, Chefredakteur des Politmagazins „The New Republic“ und Autor des Buches „Wie Fußball die Welt erklärt“ , bis heute ein eingefleichter Fußball-Fan ist. Denn seine ersten Begegnungen mit dem Sport waren nicht gerade dazu angetan, eine lebenslange Leidenschaft zu entfachen.

Es war 1982 und Foers Eltern lebten in einem Nobelvorort von Washington, wo, wie er heute sagt, „eine große Dichte an Juristen von Eliteuniversitäten“, herrschte, die „aggressiv linksliberale Ideale pflegten, sowie einen extrem betulichen Stil der Erziehung.“ Unter dieser linken Elite der Nachsechziger-Jahre war Fußball der Sport der Wahl. „Football war für die Kinder zu gewalttätig, beim Baseball herrschte zu großer Druck und Basketball hatte zu sehr den Geruch des Ghettos.“ Fußball hingegen war so etwas wie eine Tabula Rasa, auf die die Blumenkinder- Eltern ihre unamerikanischen Werte projizieren konnte.

Was dabei heraus kam hatte nicht viel mit dem rauhbeinigen Arbeitersport zu tun, den man in Europa und Lateinamerika kennt. Es gab, erinnert sich Foer, „Teilnehmer-Pokale“ für alle, anstatt Auszeichnungen für die Sieger, damit der Wettbewerbsgedanke nicht überbetont wird. Talentierte junge Stürmer wurden vom Dribbeln abgehalten und zum sozialeren Paßspiel erzogen. Lederhelme waren aus Angst vor Kopfverletzungen Pflicht, manchmal wurde gar komplett das Kopfball-Spiel verboten.

Doch trotz derartiger Merkwürdigkeiten ist aus jener Kultur das vielleicht größte Sportwunder der USA in den vergangenen 50 Jahren entstanden. Heute ist Fußball unter Jugendlichen Nordamerikas der mit Abstand beliebteste Sport – 18 Millionen Heranwachsende zwischen fünf und 19 Kicken mittlerweile. Die US-Nationalmannschaft, die im Viertelfinale 2002 um ein Haar Deutschland nach Hause geschickt hätte, ist schon lange keine Lachnummer mehr und amerikanische Spieler wie Casey Keller von Mönchengladbach, Da Marcus Beasley von Eindhoven oder Claudio Reyna von Manchester City sind gerne gesehen auf dem Weltmarkt.

Allerdings bleibt der Fußball trotz dieser Erfolgsgeschichte ein Fremdkörper im amerikanischen Sport-Mainstream. Noch immer sind die Stimmen derer laut, die in dem Lieblingssport der gebildeten urbanen Elite eine Bedrohung amerikanischer Werte sehen. „Mein Sohn rührt keinen Fußball an“, wetterte etwa jüngst der konservative Radio-Moderator Jim Rome. „Eher schenke ich ihm Schlittschuhe und ein Glitzerröckchen dazu.“ Und der Sportkolumnist des äußerst seriösen Wall Street Journal, Allen Barra, schreibt: „Fußball ist der beliebteste Sport der Welt. Na und? Wahrscheinlich können sich die anderen Länder einfach keine Football- , Basketball-, und Baseballligen leisten.“

Frank Foer sieht die Trennlinie zwischen Fußball-Fans und Fußball-Ablehnern in den USA als identisch mit derjenigen zwischen globalisierungsfreundlichen Kosmopoliten und den ledernackigen Exzeptionalisten, die meinen, die USA spiele eine historische Sonderrolle und brauche sich um den Rest der Welt nicht zu scheren. Fußballhasser wählen Bush, Fußball-Fans würden ihn lieber heute als morgen aus dem Weißen Haus jagen.

Der amerikanische Fan – zumeist wie Frank Foer eines jener Kinder, die in den 80er Jahren mit Lederhelm Kopfbälle üben musste – ist im Schnitt ein gut verdienender europhiler Snob. Er geht, wenn Champions-League Finale ist, etwa in die Espresso Bar L’Angolos in Downtown Manhattan, schlürft einen Barolo, schwärmt dazu genießerisch mit Gleichgesinnten von den Qualitäten Paolo Maldinis und sympathisiert lauthals mit den ManU Fans, die sich wegen der Übernahme des Clubs durch den Amerikaner Malcolm Glazer echauffieren.

Ins Meadowlands Stadion, keine 15 Kilometer westlich, wo „Red Bull New York“ in der US-Liga MLS spielen, verirrt man sich hingegen selten. „ In den Meadowlands“, erzählt etwa der New York Times Reporter George Vecsey, intimer Kenner des Euro-Fußballs, „sitzen 15,000 Gestalten in einem 80,000 Mann Football-Stadion und das Spiel ist langsam und einfallslos. Das ist nicht sehr spektakulär.“ Frank Foer bestätigt die etwas beklemmende Atmosphäre bei MLS-Spielen: „Da sind ein paar Yuppies wie ich und ein paar Latinos und die beiden Gruppen schleichen argwöhnisch um einander herum. Da schaue ich lieber im Kabelfernsehen Bundesliga, Premier League oder Seria A an.“

Die MLS-Clubs haben oft keine eigenen Stadien, begrenzte Budgets und nur wenige Stars wie etwa den jungen Freddy Adu oder wie Landon Donovan, der frustriert aus der Bundesliga zur Los Angeles Galaxy heim gekehrt ist. Die Liga lockt gerade einmal 16,000 Zuschauer pro Spiel. Der Fußball in den USA führt ein merkwürdiges Zwitterdasein. Die Aktivenzahlen sind beeindruckend, das Leistungsniveau der Spitzenspieler, die zumeist in Europa spielen, ist respektabel aber der Mainstream interessiert sich nicht dafür. Die Fangemeinde besteht aus für die Vermarkter uninteressanten hispanischen Einwanderern und aus Gourmands, die die Spezialität Euro-Fußball dem amerikanischen Billigbrei MLS vorziehen.

Daran wird wohl auch ein Erfolg der US-Auswahl in Deutschland kaum etwas ändern. „Wer kann sich hier denn heute noch an das Viertelfinale von 2002 erinnern“, sagt George Vecsey über die Wirkung von WM-Erfolgen in der amerikanischen Öffentlichkeit. „Wenn es hochkommt, wissen die Leute vage, dass die WM nicht ganz so schlimm war für die USA wie 1998.“ Ein anhaltendes Interesse an Fußball in der breiten Öffentlichkeit wird es in der Heimat nur in dem unwahrscheinlichen Fall geben, dass die USA das Turnier gewinnen. „Die USA ist ein Big Ticket Land. Hier wird immer erwartet, dass wir bei allem die Besten sind“, sagt Vecsey.

Den Globalisten, die seit Freitag wieder bei Angolos oder in der Euro-Fußball Kneipe mit dem so unpassenden Namen „Nevada Smith“ in New York zusammen sitzen, ist es unterdessen weitgehend wurscht, ob Amerika weiterkommt oder nicht. Sie werden zwischen zwei Schlücken ihres Rosso oder ihres Guiness so oder so über die gebotenen Traumpässe in Verzückung geraten – gleich, ob sie nun Landon Donovan, David Beckham, Ronadlhino oder Michael Ballack schlägt.

Friday, June 09, 2006

Lernen für den Staatstest - Bildungspolitik unter Bush

“Ich mag’ Geschichte ohnehin nicht besonders”, tröstet sich Ruben Jimenez, ein Siebtklässler von der King Junior High School im kalifornischen Sacramento. Eine Liebe zu dieser Disziplin würden den Sohn eines mexikanischen Bauarbeiters ja auch nur unglücklich machen. Denn für Ruben gibt es nur drei Fächer: Morgens drei Stunden Englisch, Nachmittags zwei Stunden Mathematik. Und bevor er dann nach Hause geht, noch ein Stunde Sport.

Ein Unterrichtsplan wie der von Ruben kommt in den vergangenen drei Jahren an öffentlichen amerikanischen Schulen immer häufiger vor. Seit das Bildungsprogramm der Bush-Regierung den Fortschritt der Kinder von der ersten bis zur achten Klasse im Lesen und Rechnen jährlich überprüft und die Förderung der jeweiligen Schule davon abhängig macht, konzentrieren sich immer mehr Einrichtungen auf das Wesentliche. Laut einer Untersuchung des Zentrums für Bildungspolitik (Center on Educational Policy) haben 71% der 15,000 amerikanischen Schulbezirke Fächer wie Geschichte, Musik und Kunst radikal zusammen gestrichen. An der King Junior High School etwa lernen 150 der 885 Schüler nichts anderes mehr als Mathematik und Englisch.

Um endlich mit dem Notstand im öffentlichen Bildungssystem Amerikas aufräumen, zieht George Bush seit 2002 jede einzelne Schule für ihre Leistung zur Verantwortungt. Ein Prinzip, an dem auch der poltische Gegner der Republikaner, die demokratische Partei, wenig auszusetzen hat. Den Gedanken, dass Schulen und Lehrer Rechenschaft schuldig sein sollten, hatte schließlich schon Präsident Clinton formuliert. Kritisiert wurde bislang an Bushs Bildungsprogramm „No Child Left Behind“ – „kein Kind wird zurück gelassen“ – lediglich die Art und Weise, wie es umgesetzt wird. Das Programm, so die am häufigsten geäußerte Kritik, bestrafe Verfehlungen, schaffe aber keine Abhilfe. Bush tue nicht genug dafür, den Lernfortschritt, den er fordert, auch zu gewährleisten, indem er etwa mehr Geld für Lehrer und für Nachhilfeunterreicht ausgibt.

Die nun eingetretene Reduzierung der Lehrpläne auf Lesen und Rechnen hatte indes kaum jemand voraus gesehen. Die Schulen haben ihre Lehrpläne ganz pragmatisch den Tests der staatlichen Qualitätskontrolle angepasst: „Sie verfahren nach dem Prinzip – warum soll ich etwas unterrichten, das nicht getestet wird“, sagt William Reese, Autor einer Studie über das öffentliche Bildungssystem in den USA.

Die Bundesregierung weist unterdessen die Verantwortung für die Minimalisierung der Schulbildung von sich. Lesen und Rechnen seien zwar die einzigen Fächer, an denen sie die Effektivität einzelner Schulen ablesen. „Wir schreiben aber niemandem ein Kurrikulum vor“, sagt Chad Colby, Sprecher des Bildungsministeriums.

Kritiker wie der Vorsitzende der Bildungskommission der Bundesstaaten, Mike Huckabee, sehen hingegen hinter der Bewertungspraxis der Schulen durch die Behörden eine bedenkliche Verflachung des Bildungsbegriffs: „Wir lassen einige unserer talentiertesten Schüler zurück, indem wir ihre Talente zu singen, zu malen, zu tanzen oder ein Instrument zu spielen, brach liegen lassen. Dabei ist doch Kreativität genau das, was in der Wirtschaft heute gefordert wird.“ Thomas Sobol, Pädagogikprofessor an der Columbia University sieht das ähnlich: „Nur zwei Fächer? Was für ein Trauerspiel. Das ist wie ein Geiger, der immer nur Tonleitern übt, aber nie spielen darf. Der verliert doch seine Liebe zur Musik.“

Befürworter des Programms hingegen glauben, dass es ohne Übungen keine Musik geben kann: „Wenn man nur eine bestimmte Anzahl an Stunden zur Verfügung hat und ein schwer wiegendes Defizit in einem bestimmten Gebiet, muss man sich eben darauf konzentrieren“, sagt Harry Lind, Rektor einer Schule in Cuero, Texas. Wer nicht lesen kann, kann auch nicht Geschichte lernen, wer nicht rechnen kann, kann keine Physikexperimente machen, so der Gedanke. Lesen und Rechnen sind gemäß dieser Bildungsauffassung keine Fächer wie andere, sondern Grundtechniken, an denen man nicht vorbei kommt. Und so ist die eigentliche Frage im Streit um „No Child Left Behind“, ob eine solche Auffassung von Bildung noch zeitgemäß ist. Oder ob man in Zukunft als Amerikaner vielleicht auch ohne richtig lesen und rechnen zu können als gebildet gelten kann.

Sebastian Moll

Tuesday, June 06, 2006

NBA Finals: Beginn der Ära Nowitzki?

Wenn einer von Dirk Nowitzkis lehrbuchhaften Dreipunktewürfen schmatzend im Korb landet, jubelt der 2,12 Meter lange Würzburger gewöhnlich nicht groß. In einer Bewegung dreht er sich blitzschnell um und läuft sofort auf seine Defensivposition. Nowitzki hat einen Job zu erledigen, er schaut nach vorne und nicht nach hintenund er tut alles, um nicht die Konzentration zu verlieren.

Seit Nowitzki 1998 in die NBA kam, ist er auf ein Ziel fixiert – den Titel. Da blieb bislang kein Raum dafür, inne zu halten oder gar zu reflektieren – weder auf dem Spielfeld noch abseits davon. Erst jetzt, da sich die Dallas Mavericks für das NBA-Finale gegen Miami, das am Donnerstagabend beginnt, qualifiziert haben und der Titel nur noch vier Siege entfernt ist, erwischt sich Nowitzki dabei, dass er ein wenig besinnlich wird.

„Es ist schon merkwürdig“, sagt er über die ungewohnte Erfahrung, dass es ihn auf einmal zur Reminiszenz drängt. „Acht Jahre lang denkst Du über nichts anderes nach, als darüber, es bis hierher zu schaffen. Und dann bist Du da und alles was Dir einfällt, ist es, zurück zu blicken.“ So musste er etwa daran denken, wie das war, als die Mavericks die schlechteste Profi-Mannschaft der USA waren und er selbst sein frustrierendes erstes NBA-Jahr beinahe komplett auf der Bank verbrachte. „Kein Mensch interesssierte sich damals für die Mavericks und Du konntest ungestört in der Stadt herum laufen“, sagt er. Nur um sich in rasch in Erinnerung zu rufen, dass der Weg noch nicht zu Ende ist: „Hoffentlich schaffen wir es noch eine Stufe weiter.“

Der Titelgewinn wäre für Dallas und Nowitzki in der Tat der Endpunkt eines langen, verschlungenen Pfades. Wirklich begonnen hat das Projekt Meisterschaft für den bis dahin eher belächelten Club aus Dallas, als der New Economy-Milliardär Mark Cuban im Jahr 2000 die Mavericks kaufte. Der Turnschuh-Unternehmer erfüllte sich damals einen Jugendtraum. Und er brachte die Dynamik des frechen Self-Made Man in die unambitionierte und dysfunktionale Organisation ein. Alles andere als die Meisterschaft anzustreben, wäre für Cuban Zeitvergeudung gewesen.


Sein Rezept dafür war lange Zeit das Dreieck Michael Finley, Steve Nash und Dirk Nowitzki. Die drei jungen talentierten Männer spielten erfrischenden Offensivbasketball, doch um ganz nach oben zu kommen, reichte es nicht. Deshalb ließ Cuban nach der Saison 2004 Nash und Finley gehen und baute um Nowitzki herum eine neue Mannschaft auf. „Es hat weh getan, die beiden zu verlieren“, sagt Nowitzki heute. „Ich würde mir wünschen, dass sie heute diesen Moment mit mir teilen könnten.“

Doch die Entscheidung von Cuban stellte sich als richtig heraus. Cuban baute eine neue Formation alleine um Nowitzki herum auf. Eine Verantwortung, die zu tragen viele dem Deutschen nicht zutrauten. In der diesjährgen Playoff-Serie hat er jedoch bewiesen, dass er reif dazu ist. „Jahrelang wurde Nowitzki dafür kritisiert, dass er zu still dafür ist, um ein Team zu führen“, schrieb Ian Thompson auf der Website des Sportmagazins Sports Illustrated. „Doch diese Kritik verkennt seine Persönlichkeit. Er führt nicht, indem er verlangt, dass man sich ihm unterwirft, sondern in dem er seinen Mannschaftskollegen erlaubt sich zu entfalten.“ Gemäß Nowitzkis Philosophie, dass „wer Individualsport sehen will doch zum Kugelstoßen gehen soll“, sind unter seiner sanften Führung die Mavericks nun zur homogensten Mannschaft der Liga zusammen gewachsen. „Wir haben jetzt endlich die richtigen Mosaiksteine gefunden“, sagt er. „Die Mannschaft funktioniert.“

Im Finale trifft Nowitzki interessanterweise auf einen Superstar, der einst beinahe das Gegenteil von dem verkörperte, für das der Deutsche steht. Shaquille O’Neal galt in seiner Zeit bei den LA Lakers als egoistisch und unflexibel, als reines Kraftpaket, das nichts kann, als sich mit seiner Masse den Weg zum Korb frei schaufeln und den Ball hinein stopfen. In der diesjährigen Nachsaison hat O’Neal jedoch ganz neue Züge gezeigt – er ist mannschaftsdienlich, variabel, geschickt. Daraus, dass er sich das nicht zuletzt von Nowitzki abgeschaut hat, macht er indes keinen Hehl. Nowitzki, lobte O’Neal vor dem Finale den Deutschen, würde vormachen, wie lange Männer wie er den nächsten zehn Jahren Basketball spielen werden. O’Neal wird das nicht mehr vom Platz aus erleben. Doch immerhin darf er ab heute abend beim Beginn der Nowitzki-Ära im US-Basketball noch einmal eine tragende Rolle spielen.

Sebastian Moll

Monday, June 05, 2006

Die Dallas Mavericks im NBA Final

Dirk Nowitzki’s Amerikanisch ist in der Regel einwandfrei. Doch in den Metaphern verhaut er sich noch manchmal. “Ich habe im dritten Drittel das Spiel wegschwimmen sehen”, sagte er Reportern nach dem Sieg der Mavericks ueber die Phoenix Suns am Samstagabend, der die Mavericks zum ersten Mal in der Geschichte des Clubs ins NBA Finale befoerderte. In den USA haette man eher “wegrutschen” gesagt, doch man verstand, was Nowitzki meinte. Nach dem 51-39 Rueckstand zur Halbzeit brauchten die Mavericks einen Rettungsring.

Und der kam, wie schon im fuenften Spiel der Serie, von Nowitzki. Nach seiner Glanzvorstelung mit 50 Punkten am Donnerstag hatte der Wuerzburger am Samstag etwas muede begonnen. Erst nach neun Minuten des zweiten Viertels traf Nowitzki das erste Mal, nach der ersten Haelfte standen gerade einmal acht Punkte in seiner Statistik. Seine Mannschafskameraden waren offenkundig aehnlich ausgelaugt: von 21 Schuessen trafen die Texaner 15 daneben.

Doch dann zeigte Nowitzki wie schon so oft in dieser Playoff Serie echte Fuehrungsqualitaeten. 16 Punkte holte er noch in der zweiten Spielhaelfte und gab damit den Anstoss dafuer, dass die Mavericks sich zusammenrissen und das Match umdrehten. Die Phoenix Suns fielen foermilich auseinander. Der lange Lauf der Mannschaft von Steve Nash, die sich in dieser Saison schon so haeufig durch Zaehigkeit aus scheinbar aussichtslosen Positionen befreit hatte, war am Samstag endlich zu Ende.

Doch Nash war kein bitterer Verlierer. Im Gegenteil. Mit etwas gedrueckter Stimme aber eindeutiger Aufrichtigkeit, freute er sich nach dem Spiel fuer seinen engen Freund Dirk Nowitzki, dass dieser nun gegen Miami um die Meisterschaft spielen darf: “Es ist fuer mich persoenlich ungeheuer aufregend Dirk da zu sehen, wo er jetzt ist. Ich werde ihn jeden Abend anfeuern.”

Die Mavericks selbst waren unterdessen eher verhalten in ihrem Jubel. Team-Besitzer Mark Cuban wehrte die Huldigungen an seine junge Organisation mit dem Verweis auf die anstehenden Aufgaben ab. “Bestaetigung unserer Arbeit? Das ist etwas worueber man in der Kneipe philosophieren kann. Das einzige, das zaehlt, ist der Meisterschaftsring.” Aehnlich professionell gab sich Nowitzki, der sich schon waehrend der gesamten Playoffs durch seine unbeirrbare Konzentration ausgezeichnet hatte> “Sicher bin ich stolz auf das, was wir bisjetzt erreicht haben. aber jetzt sind wir im Finale und jetzt wollen wir den Ring und wir werden darum kaempfen.”


Obwohl die Mavericks so weit gekommen sind, wie noch nie in ihrer 26 Jahre langen Geschichte sehen sie sich noch nicht am Ende ihrer Reise. Die Meisterschaft war ihr erklaertes Ziel, seit der junge Computer Milliardaer Cuban das Team uebernahm. Jetzt, nach beinahe acht Jahren und zahlreichen Umwaelzungen ist dieses Ziel zum Greifen nahe. Noch ein Sieg gegen eine Mannschaft fehlen Nowitzki und Co.und vor diesem letzten Gefecht bleiben in Dallas die Champagnerflaschen zu.

Die Fachwelt haelt allerdings im Duell Miami gegen Dallas – das kaum jemand als Finalpaarung voraus gesagt hat – die Texaner fuer die Favoriten. Waehrend der regulaeren Saison schlugen die Mavericks die Heat zwei mal – einmal sogar mit einem vernichtenden 36 Punkte Vorsprung. Die bittere Niederlage weckte zwar das Team von Shaquille O’Neal auf. So sehr, dass sie im Halbfinale den dreifachen Champion Detroit besiegten. Die Vorteile im Finale bleiben dennoch bei Dallas und das vor allem, weil Dirk Nowitzki in diesem Jahr auch in den Playoffs sein ganyes Koennen entfaltet und seiner Mannschaft ein echter Kapitaen ist.


Auch im Duell des alten Supestars O’Neal gegen den neuen Nowitzki gilt der neue als ueberlegen. Nowitzki ist vielseitiger, beweglicher und schneller. Das sieht sogar O’Neal selbst so. “Er macht vor, wie in Zukunft lange, grosse Maenner spielen werden.” Das hatte O ‘Neal in seiner Aera auch getan. Jetzt ist es Zeit fuer eine Wachabloesung.

Friday, June 02, 2006

Dirk Nowitzki wirft 50 gegen Phoenix

Dirk Nowitzki zeigt selten Gefühle auf dem Basketball-Court, sein Blick ist gewöhnlich angestrengt und konzentriert und nach einem Treffer rennt er ohne innezuhalten sofort auf seinen Defensivposten. Und so unterkühlt und professionell er auf dem Platz ist, gab er sich auch am Donnerstagabend in Dallas nach dem wohl bislang größten Spiel seiner Karriere. 50 Punkte hatte Nowitzki geworfen und seinen Mavericks damit zu einem überlegenen 112-101 Sieg sowie zu einer 3-2 Führung im NBA-Halbfinale gegen die Phoenix-Suns verholfen. „Ich bin froh, dass ein paar Schüsse rein gegangen sind“, kommentierte er lapidar das Ergebnis, das den Statistiken von Superscorer Kobe Bryant nahe kommt und mit dem sich Nowitzki nach Ansicht von Kommentatoren wie Charles Barkley in die Ränge von ewigen Granden des Sports wie Magic Johnson und Larry Bird gespielt hat.

Als Nowitzki vom Platz lief überkamen ihn dann allerdings doch zumindest für einen Moment die Gefühle. Der 2,12 Meter-Mann reckte kurz die erhobene Faust den texanischen Fans entgegen, die laut „MVP, MVP“ skandierten. Sie haben jetzt schon beschlossen, dass Nowitzki der wertvollste Spieler der diesjährigen Playoffs ist. Auf viele T-Shirts war der Aufdruck „Nowitness“ zu lesen – jeder, der am Donnerstag dabei war, fühlte sich als Zeuge des endgültigen Durchbruchs des Würzburgers.

Nowitzki selbst findet derartige Euphorie jedoch eindeutig übertrieben und verfrüht. „Wir können uns jetzt nicht ausruhen“, verwies er wenig später bei der Pressekonferenz darauf, dass es noch mindestens ein Spiel gegen Phoenix zu bestreiten gilt, bevor Dallas überhaupt im Finale steht. Und Phoenix habe sich ja schon in den Serien gegen die Los Angeles Clippers und die Lakers aus derselben Stadt als ausgesprochen zähe Mannschaft erwiesen.

Zäh war Phoenis auch am Donnerstag. Nach einem aggressiven Start der Mavericks und einem Zehn-Punkte-Rückstand fing sich die Truppe von Nowitzkis ehemaligem Mannschaftskameraden Steve Nash und ging im dritten Drittel gar mit sieben Punkten in Führung. „In dem Augenblick habe ich die ganze Arbeit der Saison den Bach runter gehen sehen“, sagte Nowitzki anschließend. „Ich habe gedacht, jetzt muss ich etwas tun.“


Das tat er dann auch. Im letzten Viertel alleine warf er 22 Punkte, in der zweiten Hälfte insgesamt 33 – Zahlen, die für ein ganzes Spiel als herausragende Bilanz hätten gelten können. Man sah sowohl den neuen Dirk Nowitzki, der gelernt hat sich unter dem Korb mit aller Härte durchzusetzen, als auch den alten, mit seinen zielsicheren, lässigen Distanzschüssen. „Heute abend ist es einfach gerollt“, sagte Nowitzki dazu trocken. „Wir haben einen Mann gesehen, der sich schlicht weigert, zu verlieren“, schwärmte hingegen Alt-Star Charles Barkley von Nowitzkis Kämpfer- und Anführerqualitäten.

Für Nowitzki Unbeugsamnkeit und neugwonnene Härte spricht vor allem auch, dass dieses Spiel zwei Tage nach dem schlimmsten Spiel seiner gesamten Saison kam. Am Dienstag in Arizona war es der Abwehr von Phoenix gelungen, Nowitzki beinahe komplett auszuschalten. Magere 11 Punkte hatte er dort erzielt, halb soviel wie am Donnerstag alleine im letzten Viertel.

Woher die schnelle Wiedergeburt kam, konnte sich Nowitzki selbst nicht erklären. „Ich habe nichts besonderes gemacht dazwischen seit Dienstag und wir haben auch nichts groß umgestellt in der Mannschaft. Wir haben nur einfach gebrannt heute.“ Nowitzkis guter Freund und jetziger Gegner Steve Nash war ebenso sprachlos, auf die Leistung von Nowitzki angesprochen: „Was soll ich sagen – er hat nicht viel daneben geworfen. Er war einfach phantastisch.“ Dabei klang Nash ein wenig ratlos – gegen einen Nowitzki in dieser Form fehlen den Suns schlicht die Mittel. Und vermutlich jeder anderen Mannschaft auch.