Saturday, April 29, 2006

Das Empire State Building wird 75

John McCormick hat einen Klos im Hals. Der kleine Mann mit der Baseballmütze starrt gebannt durch den Maschendraht, der die Aussichtsterrasse im 86. Stock des Empire State Building sichert. 320 Meter unter ihm hasten ameisenkleine Gestalten sowie Autos im Spielzeugformat durch die Strassen. In alle Himmelsrichtungen wälzt sich steinern und stählern und mächtig die Stadtlandschaft New Yorks bis zum Horizont. „Der Blick von hier oben ist eines der ganz großen amerikanischen Erlebnisse“, sagt John feierlich und spürbar ergriffen.

John ist gerade erst aus seiner Heimatstadt Boston angekommen. Zusammen mit seiner Frau Ellie ist er vom Flughafen aus direkt hierher geeilt. Zwei Stunden lang sind sie an den Aufzügen Schlange gestanden, bis sie endlich auf der Terrasse waren, aber das haben sie geduldig in Kauf genommen. Denn einmal hier oben zu stehen, war für sie ein Lebenstraum.

John und Ellie sind zwei von etwa 3,5 Millionen Besuchern aus der ganzen Welt, die jedes Jahr die Ausichtsterrasse des Empire State bevölkern. Der Wolkenkratzer ist auch genau 75 Jahre nach seiner Einweihung am 1. Mai 1931 noch immer die Attraktion Nummer Eins in New York. Und so war er auch geplant. Das Empire State Building war von Anfang an als Sensation gedacht: Die Architekten hängten in die mit Marmor ausgekleidete Art-Deco Eingangshalle ein Wandbild ihres Werkes neben Gemälden der klassischen sieben Weltwunder: Das Empire State, das wollten sie von Anfang an klar stellen, gehört in eine Reihe mit den Pyramiden von Gizeh und dem Koloss von Rhodos.

Das Empire State wurde nur aus einem Grund gebaut – aus Größenwahn. Sein Bauherr, der Wall Street- Spekulant John Jacob Raskob, wusste, dass sich diese Investition mitten in der Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre gar nicht lohnen konnte. Seine Motivation war alleine die, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Der Bau des Empire State, darüber ist sich deshalb heute die Geschichtsschreibung einig, war eine letzte Zuckung des überdrehten amerikanischen Finanzkapitalismus der Roaring Twenites - kurz bevor dieser in der großen Depression der 30er Jahre versumpfte.

So ist das Empire State der weithin sichtbarste Überrest der vielleicht glanzvollsten Ära der amerikanischen Geschichte. Es steht für den schwindelerregenden Aufstieg der USA zur militärischen und wirtschaftlichen Weltmacht nach dem Ersten Weltrkieg. Des Aufstiegs zum Empire State – zum Staat, der ein Weltreich ist.

Der imperiale Bau ragt einsam und herrisch aus der Mitte der Insel von Manhattan. Roskob baute das Empire State Building zehn Häuserblocks südlich vom damaligen Geschäftszentrum der Stadt und bildete sich ein, die Stadt würde zu diesem Denkmal seiner finanziellen Potenz hinwachsen. Doch die Stadt scherte sich nicht um seine Pläne und so sticht das Empire State bis heute markant aus der New Yorker Skyline heraus. Nördlich und südlich klaffen riesige Löcher.

Nicht zuletzt wegen seiner Herausgehobenheit ist das Empire State ein Anblick von überwältigender Grandiosität.
Die Chromstahlbeschläge entlang der klaren Vertikallinien der Fassade geben der Konstruktion eine glorreiche Aura, wenn sie an einem schönen Tag in der Sonne funkeln; einen leuchtenden Glanz, der von der Herrlichkeit New Yorks und Amerikas zeugt und von allem, was beide groß gemacht hat: Unternehmergeist, Optimismus und grenzenloses Selbstvertrauen.

Das waren auch die Charaktereigenschaften, mit denen Roskob 1929 an den Bau heranging. Der Investor wollte an das Ende eines ohnehin schon überdrehten Baubooms ein riesiges Ausrifezeichen setzen – das größte Gebäude der Welt. Es sollte größer werden, als der Eiffel-Turm, vor allem aber größer, als der zeitgleiche Bau seines Rivalen, des Automobil-Milliardärs Walter Chrysler an der 42ten Strasse – jener verspielte Jugendstil-Wolkenkratzer, der bis heute im Ensemble der New Yorker Skyline den Kontrapunkt zum strengen Empire State Building bildet.

Roskob verkündete das Vorhaben den New Yorkern stolz am 29. August 1929. Zwei Monate später hatte die Wall Street schon jenen unaufhaltsamen Sturzflug begonnen, der die Weltwirtschaftskrise auslöste. Doch das irritierte Roskob nicht. Mit dem ungetrübten Glauben daran, dass nichts unmöglich ist, machte er sich der Krise zum Trotz an ein Unternehmen, dass es in dieser Form noch nie gegeben hatte. Die Fließband-artige Effizienz, die auf der Riesenbaustelle herrschte, schlug New York und die ganze Welt in seinen Bann: Bis zu 14 Stockwerke am Tag wuchsen in die Luft.

Darüber hinaus produzierte der Bau einen neuen Heldentyp – den stoischen Hochbauarbeiter, der für 1,92 Dollar pro Stunde und für ein Sandwich zum Lunch sein Leben auf das Spiel setzte. „Das sind klassische Heroen“, schrieb damals ein Journalist. „ Sie verschmelzen ihre Nerven aus Stahl mit dem Stahl, aus dem sie die Stadt der Zukunft bauen.“

Man hat unweigerlich diese Männer im Kopf, wenn man ort oben auf der Terrasse steht. Dort, wo sie vor 76 Jahren auf Stahlstreben saßen und ihre Füße in die Tiefe baumeln ließen, während sie ihr Pausenbrot aßen. Der Dokumentarfotograf Lewis Hine hat dieses Bild zur Ikone und die Arbeiter für immer zu Helden gemacht. Sie verkörperten den Geist, der den Bau angetrieben hat: Jenes uramerikanische Zupacken, das keine Zweifel und kein Zaudern kennt. „Für mich symbolisiert das Empire State den stählerner Bizeps, die unbändige Energie von New York“, sagt ein Mann aus Colorado, der mit seiner Tochter im Teenager-alter nach Norden in Richtung Zentralpark schaut.

Andere Besucher haben indes andere Assoziationen. „Ich denke an King Kong“, sagt ein etwa zwölf Jahre alter schwarzer Junge, der im Nordosten nach dem Baseballstadion der New York Yankees sucht. Sicherlich denkt er an das Remake des Films von 2005: Das Original, das den Weltruhm des Empire State Building mehr begründet hat, als irgendetwas anderes, kann er nicht kennen. Schon 1933 kam der Streifen ins Kino. In dem Film steht das Empire State für die Verderbtheit der Großstadt und somit der westlichen Zivilisation insgesamt: Das gutherzige Monster aus dem Dschungel wird von der Liebe zu einer schönen Frau aus seiner angestammten Umgebung gelockt und geht an der feindseligen urbanen Umgebung zu Grunde. Diese wird dargestellt vom Moloch New York und vom Empire State Building im besonderen. In dem Film steht das Gebäude für alles, was an Städten korrupt ist: Am Funkmast des Empire State hängend, findet der Affe, der hier die unschuldige Natur selbst bedeuten soll, den Tod.

Die New Yorker haben sich um solche Kritik nie geschert: sie haben das Empire State als ihr Wahrzeichen von Anfang an ins Herz geschlossen. Das änderte sich auch nicht, als das World Trade Center gut 40 Jahre später aus der Südspitze der Insel wuchs und dem Empire State den Rang als höchtes Gebäude der Stadt ablief. Das World Trade Center war den New Yorkern stets zu kalt und zu wenig elegant.


Nach der Zerstörung des World Trade Center hat das Empire State wieder seine angestammte Stellung als unangefochtener Primus unter den New Yorker Hochhäusern. Es ist jetzt allerdings auch eine mögliche Zielscheibe derer, die an amerikanischer Selbstherrlichkeit Anstoß nehmen. Für die Touristen, die jeden Tag auf die Aussichtsterrasse fahren, hat das Flughafen-ähnliche Sicherheitskontrollen zur Folge.

Man verliert mehr als einmal die Geduld, während man sich in der Horde Tausender anderer Gäste durch einen endlosen Irrgarten von Absperrungen rund um die Aufzüge im ersten Stock schlängelt. Zum Glück ist es unmöglich, einfach umzukehren, wenn man sich einmal angestellt hat und in der Schlange zur Sicherheitskontrolle steht, die zur Schlange an der Kasse führt, die widerrum zur Schlange an den Aufzug führt, der wiederrum zu noch einer Schlange zu noch einem Aufzug führt. Könnte man umdrehen, würde man wohl nie bis zum 86. Stock durchhalten, wo man sich auch noch durch eine kaufhaus-ähnliche Halle mit Kitsch- und Souvenirläden kämpfen muss, um endlich ins Freie zu gelangen.

Auf dem dicht gedrängten, nur etwa zwei Meter breiten Balkon, der einmal rund um das Gebäude läuft, verfliegt der Ärger über diese Unbillen jedoch mit dem ersten Windstoss, der einem vom East River herauf durch die Haare bläst. Als Fußgänger auf den Strassen New Yorks fühlt sich die Stadt überwältigend und bedrohlich an. Hier oben versteht man warum: es wird anschaulich, wie mächtig dieses anarchische urbane Gebilde tatsächlich ist. Es scheint in keiner Himmelsrichtung jemals ein Ende zu nehmen, nirgends wird eine Grenze zwischen Stadt und Land erkennbar.

Blickt man nach unten, gewinnt man direkt unterhalb der Plattform allein in den am nächsten liegenden Häuserblocks den Eindruck von einer unfassbaren Dichte an Bauten, an Menschen, an Geschäft, an Leben. Wenn man das dann hochrechnet, wird New York zu einem Universum, zu einer Endlosigkeit, die einen erschaudern lässt.

Nur zehn Minuten später steht man dann wieder auf der 34ten Strasse und wird Eins mit dem Strom und dem Lärm und der Geschäftigkeit. Doch man fühlt sich gestärkt: Der Kampf, sich zurecht zu finden und zu überleben ist jetzt geadelt durch das Wissen, Teil von etwas zu Größerem zu sein. Von etwas Wahnsinnigem, von Etwas, das schon längst ausser Kontrolle geraten ist. Von Etwas, das jedoch genau deshalb unendlich faszinierend ist.

Thursday, April 27, 2006

Baubeginn am Ground Zero: Wozu die Hast?

Die ganze Sache war selbst Larry Silverstein peinlich geworden. Seit Monaten hatte der New Yorker Immobilien-Magnat den Beginn der Neubebauung von Ground Zero vor sich her geschoben, weil ihm offensichtlich für sein 70 Milliarden Dollar-Vorhaben die Mittel fehlten. Am Dienstag gab er endlich dem Druck der Politik und der Presse nach und trat die Hoheit über die Hälfte seiner Projekte am Südzipfel Manhattans ab, damit endlich die Arbeiten beginnen können.

„Wir haben Zugeständnisse gemacht, weil die Sache von so eminenter öffentlicher Bedeutung ist“, erklärte Silverstein seine plötzliche Einsicht. Worin diese öffentliche Bedeutsamkeit bestehen soll, bleibt allerdings diffus: Wem mit fünf neuen Wolkenkratzern in Südmanhattan gedient sein soll, weiß niemand so genau. Bedarf an Büroraum in diesen Mengen gibt es in New York jedenfalls nicht. Das Überangebot an Bürofläche wird nach Expertenmeinung sowohl dem New Yorker Immobilienmarkt, als auch dem Gefüge des Stadtviertels eher schaden.

Der Druck schnell zu bauen entsteht eher aus einem vagen Drang, aktiv zu sein. Man will der Welt zeigen, dass man sich nicht kleinkriegen lässt. Unentschlossenes Nichtstun passt nicht in das Bild des geeinten, unerschrockenen Amerika, dass sich von ein paar Fanatikern nicht aus der Bahn werfen lässt.

Deshalb wird es nun bald den Freedom Tower geben. Etwas anderes, als Bürotürme zu bauen, stand nie erntshaft zur Debatte. Die vier Jahre währende Provinzposse zwischen den verschiedenen Interessengruppen – den Architekten, den Behörden, den Familien der Angehörigen – hatte nie etwas mit der Philosophie der Bebauung zu tun. Es ging alleine um Macht und um Geld.

Die Botschaft sowohl der Zankereien als auch der geplanten Bauten ist klar – Amerika ist nicht dazu bereit, als Reaktion auf den 11. September auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, was die Terroristen denn so wütend gemacht haben mag. Stattdessen werden ausgerechnet am Ground Zero hemmungslos die hässlichsten Züge des amerikanischen Kapitalismus auf die Spitze getrieben.

Wenigstens für das Museum und die Gedenkstätte am Ground Zero gibt es noch Hoffnung. Die neue Direktorin des Projekts, Alice Greenwald, lässt sich von niemandem hetzen. „Wir wollen nicht nur die Geschichte erzählen. Sondern wir wollen ihr auch einen Sinn geben“, beschreibt sie ihre Mission. Heraus zu finden, wie man das am Besten macht, ist freilich schwieriger und langwieriger, als ein paar Millionen Quadratmeter vermietbare Arbeitsfläche hinzuklotzen.

Wednesday, April 19, 2006

Washington Bridge am Morgen

Kolumbianische Einwanderer in Queens

Wenn Herr Lin Queens verlassen soll

In den USA wissen Millionen Zuwanderer ohne Papiere nicht, ob sie demnächst kriminalisiert oder anerkannt werden



Eigentlich müsste Orlando Tobon sich ängstigen, doch der beleibte Mann mit der sanften Stimme macht sich keine Sorgen. "Die werden das schon richten in Washington", sagt der gebürtige Kolumbianer in seinem winzigen...


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http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/rundschau/?cnt=850387

NBA Playoffs: Nowitzki will den Titel

Als die Dallas Mavericks 2003 im NBA- Halbfinale dem späteren Champion San Antonio sechs hart umkämpfte Spiele abrang glaubte man, dies sei die Geburtsstunde der Basketball-Mannschaft der Zukunft gewesen. Den Kern der Texaner bildeten drei junge Männer mit außergewöhnlichem Talent: Steve Nash, Michael Finley und Dirk Nowitzki. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis sie reifen, zusammenfinden und eine unschlagbare Truppe formen.

Aber es kam anders: Team-Besitzer Mark Cuban ließ Nash und Finley gehen und Nowitzki bleib alleine zurück, umringt von einer Riege relativer Nobodys und gecoacht vom unerfahrenen jungen Trainer Avery Johnson. Das erschien zunächst wie eine Tragödie, stellte sich jedoch wider erwarten schnell als Glücksfall heraus. In den Playoffs, die am Wochenende beginnen, sind die Mavericks mehr denn je ein ernsthafter Titelkandidat: „Unser Ziel ist die Meisterschaft“, sagt Dirk Nowitzki. „Und ich glaube, wir sind in diesem Jahr ganz dicht dran.“

Anders als zur Zeit der Big Three in Dallas – Nash, Nowitzki und Finley – ist Nowitzki heute der einzige Star und unbestrittene Leader der neuen Mavericks. Und auch sonst ist alles anders in Dallas. Mit den Big Three waren die Mavs ein undiszipliniertes „Run and Gun“-Team, das eine unbändige, undisziplinierte Offensive spielte und die Defensive weitgehend vernachlässigte. Jetzt ist Nowitkis Mannschaft ein organisiertes, variables Team, das ebenso gut verteidigt wie es angreift.

Nowitzki und Johnson – mit dem Nowitzki noch aktiv zusammen gespielt hat – haben gemeinsam die Mavericks umgeformt. Dazu haben sie sich genau die erfolgreichsten Teams der Liga angeschaut: Die Detroit Pistons und die San Antonio Spurs, die auch in diesem Jahr wieder die Hauptkonkonkurrenten von Dallas um den Titel sind: „Detroit und San Antonio verkörpern den Stil, den man braucht, um heutzutage zu gewinnen“, sagt Dirk Nowitzki.

Nowitzki hat bei diesen Beobachtungen offenbar viel gelernt, denn in diesem Jahr ist es vor allem er, der den Basketball-Stil der Zukunft verkörpert. Seine Statistiken sind zwar sogar ein wenig schlechter als in der vorangegangenen Saison. Das Statistik-verrückte Amerika beginnt jedoch in der Person von Dirk Nowitzki zu erkennen, dass man die Klasse eines Spielers nicht alleine in Zahlen messen kann. Nowitzki wird für die Wahl des Liga-MVPs – des wertvollsten Spielers - ganz hoch gehandelt. „Dirk hat sich zurück genommen, um seine Mannschaftkollegen besser ins Spiel zu bringen. Er verteidigt besser denn je und er ist der beste Dreipunktewerfer aller 2,10 Meter – Männer“, lobt Lang Whitaker vom Fachmagazin Slam den Deutschen.

Nowitiki ist ein Kapitän des neuen Typs, kein Egoist und Selbstdarsteller wie etwa Kobe Bryant, denen der eigene Glanz alles und der Mannschaftserfolg nichts bedeutet. Nicht selten wird Nowitzki deshalb mit Tim Duncan verglichen, dem Kapitän des Dreifach-Champions San Antonio: „Ich sehe in Dirk das gleiche, was ich in Duncan gesehen habe“, sagt Mavericks-Coach Avery Johnson. „Duncan wusste, was er kann. Aber es ging ihm immer nur um die Mannschaft. Sie sind selbstlos, diese Typen. Und extrem gut trainierbar.“

Spieler wie Duncan und Nowitzki verstehen das System und sie nehmen willig ihren Platz darin ein. So, wie brilliante Solisten in einem Orchester, die stets nur den Klang des gesamten Ensembles im Ohr haben. Dazu passt es, dass Nowitzki die wahrscheinliche Wahl zum MVP nur wenig bedeutet: „Ein MVP ist ein Spieler, ohne den sein Team Nichts ist. Ich bin kein MVP. In unserer Mannschaft sind 12 Jungs, die zum Erfolg beitragen“, sagt Nowitzki.

Die Jury hat sich freilich Nowitzki genau aus dem Grund ausgegukt, dass er seine Mannschaftskameraden trotz seiner überragenden Fähigkeiten ins Spiel bringt. Die Zeit der Egoisten in der NBA ist vorbei – den Lakers von Rekordwerfer Kobe Bryant etwa wird kaum zugetraut über die erste Playoff-Runde hinaus zu kommen. Für die Mavericks hingegen sind die Playoffs so offen wie die texanische Steppe.

Frühling im Zentralpark

Tuesday, April 11, 2006

Kommentarzu den Demos: Der neokonservative Moment ist vorbei

Die Bilder Hunderttausender illegaler Einwanderer, die am Montag “We Are America“ skandierend durch die Strassen amerikanischer Städte zogen, dürften Tom Tancredo nicht gut gefallen haben. Der rechtskonservative Abgeordnete aus Colorado versucht seit Jahren das Thema Einwanderung in Washington auf die Tagesordnung zu setzen. Doch so hat er sich das gewiss nicht vorgestellt.

Tancredo sah nach dem 11. September die Gelegenheit, die Grenzen zu Mexiko aus vorgeschobenen Sicherheitsbedenken dicht zu machen. Die wahre Motivation ist freilich im neokonservativen Manifest „Who We Are“ von Samuel Huntington nachzulesen, der 2002 unverblümt die Angst davor artikulierte, dass die Ströme aus der Dritten Welt südlich des Rio Grande eine integratiosnunwillige spanischsprechende Parallelgesellschaft in den USA bilden.

Mit den Montagsdemonstrationen wird jedoch deutlich, dass der neokonservative Moment in den USA vorbei ist. Selbst George Bush traut sich nicht mehr, die extreme Position von Tancredo und die Gestzesvorlage, die daraus entstand, zu unterstützen. Die Republikaner sind in der Frage tief gespalten. 11 Millionen derart sichtbare Gastarbeiter zu kriminalisieren, die nichts anderes wollen, als am amerikanischen Traum teilzuhaben, verkauft sich nicht gut. Das wirtschaftliche Argument, dass sie amerikanischen Arbeitern die Jobs weg nehmen, zieht ohnehin nicht – niemand bestreitet ernsthaft, dass sie gebraucht werden. Tancredo wollte das Immigrationsthema zum zentralen Thema der nächsten Präsidentschaftswahl zu machen. Das dürfte ihm gelungen sein. Allerdings nicht zum Vorteil seiner Partei.

Einwanderungsdemos in den USA - die Frage zerreisst Amerika

Sie haben keine Staatsbürgerrechte aber die Hunderttausenden illegalen Einwanderer, die am Montag in amerikanischen Städten wie Atlanta, New York, Houston und Oakland demonstriert haben, entwickeln sich zu einer mächtigen politischen Kraft in den USA.

Die Frage, ob die 11 Millionen illegalen, zumeist lateinamerikanischen, Immigranten Bürgerrechte erhalten sollen, hat Amerika zutiefst gespalten. Die demokratische Präsidentschaftsanwärterin Hilary Clinton rief den Demonstranten in New York entgegen: „Eure Gesichter sind die Gesichter Amerikas.“ Ihr Parteigenosse, der Senator Charles Schumer, fügte an: „Der Grund warum Amerika anders ist, als andere Länder, ist, dass wir Immigranten aufnehmen und sie zu Amerikanern machen.“

Der konservative Nachrichtensprecher des Senders Fox fand die Demonstrationen einer gesetzlosen Masse hingegen „ein abstoßendes Spektakel.“ Zahlreiche republikanische Politiker waren in ihren Äußerungen allerdings vorsichtiger: „Ob wir es schaffen, fair mit diesem Problem umgehen, wird die Zukunft beider Parteien bestimmen“, sagte etwa der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina.

SM

Saturday, April 08, 2006

Heimat ohne Heim - Der Geist von New Orleans lebt noch

“Nicht schlecht, was?”, grinst mich mein Nachbar an der Theke des “Molly’s at the Market“ an, während er zufrieden weiterkaut. Jeder von uns hat vor sich ein monströses Sandwich, prall gestopft mit Mortadella, Schinken, Salami, Mozarella und Provolone und garniert mit einem süßlich-scharfen Olivensalat. „Muffaletta“ heißt die Komposition, die sizilianische Einwanderer vor 150 Jahren nach New Orleans importiert haben. Dazu gibt es ein großes Abita Amber – ein rötlich schimmerndes cremiges Bier einer Kleinbrauerei aus New Orleans.

Wie für mich denn der Abend weiter gehe, will der Mann mit dem lustigen Musketiersschnurrbart, der sich als Arthur vorstellt, wissen. Ich habe gehört, der Trompeter Kermit Huffins spiele umsonst im Howling Wolf , sage ich ihm. „Klingt gut“, erwidert er. Er habe eigentlich vor gehabt, ins Snug Harbor in der Frenchmen Street am Rande des French Quarter zu gehen – dort, wo sich noch ein wenig jenes Flair der Boheme gehalten hat, für den das „Vieux Carree“ berühmt ist. Dort spiele nämlich Ellis Marsalis – eine Legende unter den Jazz-Pianisten. Wir verschieben die Entscheidung und bestellen erst einmal noch ein Abita.

In diesem Augenblick ist die Welt in Ordnung. New Orleans ist alles das, wofür man sie liebt. Zeit ist keine relavante Kategoire, es gibt nur gutes Essen und gute Musik. Man lässt sich vom Tag durch den Abend und in die Nacht treiben und alle anderen tun das auch so. Das Ganze ist eine riesige Jazz-Improvisation, in der man sich verliert und doch nicht verloren vorkommt, weil alle auf demselben Beat sind. Es regieren der Zufall und alles, was für den Augenblick glücklich macht.

In den historischen Bezirken – dem French Quarter,dem Garden District und der Gegend um die St.Charles Avenue – scheint es, als hätte es Hurricane Katrina nie gegeben. Der Geist von New Orleans ist hier so lebendig wie eh und je – jener Geist, der die New Orleaner so an ihre Stadt bindet und der so viele Besucher lockt. Es ist ein Lebensgefühl, das von jedem Besitz ergreift, der durch die Strassen von New Orleans läuft. Ein Lebensgefühl, dass aus der einzigartigen Mischung von spanisch-französischen, afrikanischen und karibischen Einflüssen entspringt. „Katholizismus und afrikanische Glaubenssysteme überschneiden sich in New Orleans zu einem Kult des Diesseitigen“, sagt der New Orleaner Schriftststeller Tom Piazza. Musik, Tanz, Essen, Feiern mit den Nachbarn und die Liebe – das alles sind hier Dinge, die sehr ernst genommen werden. Eine Nacht im French Quarter, in der man ein gutes Mahl genießt und sich dann der Musik hingibt ist nicht bloße Unterhaltung, es ist ein beinahe religiöser Akt.

Diese Lebenseinstellung hilft den New Orleanern wohl auch, das Leben nach der Katastrophe zu meistern. Man weiß hier mit dem Nebeneinander von Lebenslust und Trauer umzugehen. Es ist kaum anders, als jene berühmten Jazz-Begräbnisse, die plötzlich in ein wildes, lebensbejahendes Strassenfest umschlagen. Leben und Tod haben in der New Orleaner Kultur schon immer einen Platz nebeneinander gehabt, waren beide gleichermaßen wahrhaftig.

Deshalb kommt man sich auch nicht obszön vor, wenn man in den Hades der zerstörten Viertel hinabsteigt und anschließend im Brennan’s oder im Antoine’s im French Quarter eine vorzügliche Flußkrebs-Bisque schlürft. Im Gegenteil, mit den New Orleanern gleichermassen zu leiden und zu feiern ist ein willkommener Akt der Solidarität.

Drei Stunden lang kämpft Reiseunternehmerin Isabelle Cussart ständig mit den Tränen, während sie uns in einem Kleinbus durch die endlose postapokalyptische Landschaft kutscht, die gleich hinter dem French Quarter anfängt; durch ein Meer von Trümmern, und Autowracks, zwischen denen die Menschen hilflos versuchen, irgendwo mit dem Aufräumen zu beginnen. Man durchleidet mit ihr die Wut und den Schmerz aber auch die Freude über jede Kleinigkeit, die auf Neuanfang schließen lässt – wie etwa ein Stromzähler an einem der vielen wahllos geparkten Wohnwagen, der darauf hinweist, dass die Leute, die darin hausen, wenigstens wieder Licht haben.

Und wenn man nach all dem wieder in das wunderbar herausgeputzte French Quarter einbiegt ist man gemeinsam mit Isabelle umso mehr über die Schönheit des Viertels beglückt, dankbar für die Insel der Normalität. Ein schlechtes Gewissen wegen des Trümmer-Tourismus zu haben, das wäre europäisch-protestantisch. Hier in New Orleans ist das Fehl am Platz – man fühlt sich willkommen, in das Haus von New Orleans einzutreten und Anteil zu nehmen, auch wenn es ein wenig unaufgeräumt ist und es ein paar Familienmitgliedern gerade nicht so gut geht.

So freut man sich hier schon jetzt auf das Jazzfest Ende April, wenn wieder Zehntausende nach New Orleans strömen, um sich zusammen mit den Einheimischen dem hinzugeben, was hier am wichtigsten ist – der Musik, dem Essen, dem Leben selbst. Dann werden auf dem alten Messeplatz neun Bühnen aufgebaut, von denen hier Jazz, dort Gospel, da hinten Zydeco, an der anderen Ecke Blues, ein Stück weiter haitianische Musik und daneben afrikanische Rhytmen tönen. Zwischen den Bühnen sind Stände aufgebaut, an denen es Milchkalb-Sandwiches, Flußkrebs-Etouffee, gebratenen Truthahn oder einfach nur frische Austern aus dem Delta gibt. Man hört Musik und tanzt und isst und verliert sich in der Feier, die die ganze Stadt erfasst und in der sie ihren Lebenswillen und ihren Geist bekräftigt.

Eine Ahnung von diesem Geist bekommen Arthur und ich im Donna’s an der Rampart-Street, wo wir schließlich landen. Das Donna’s besteht aus ein paar einfachen Holzstühlen und –Tischen auf einem abgewetzten Linoleumfußboden. Vergilbte Bilder von früheren Jazzgrössen zieren die Wand. Schlicht gekleidete Paare aller Altersklassen füllen den Raum gemeinsam mit ein paar einzelnen Stammgästen. Die Zusammenkunft hat etwas alltägliches - man geht hier zum Dixie, wie man in Deutschland in die Pilsstube geht, um Fußball zu schauen. Die Band, die New Orleans Jazz-Vipers, ist ein zusammengewürfelter Haufen aus alt und jung, schwarz und weiß, geeint durch den Jazz. Der etwa 60-Jährige Saxophonist spielt die alten Dixienummern ebenso leidenschaftlich wie der junge schwarze Posaunist, der in seinem Trainingsanzug und mit seiner Goldkette eigentlich eher aussieht wie ein Rapper.


Paare stehen nach und nach auf und tanzen Ragtime und sie tun das so lässig und so perfekt, wie die Musiker ihre Instrumente beherrschen, weil alle hier mit dieser Musik aufgewachsen sind. Donna, die Wirtin, serviert derweil das einzige Gericht auf der nicht vorhandenen Speisekarte – hausgemachtes Jambalaya, einen scharfen Eintopf aus Würsten und Meeresfrüchten.

Es ist in solchen Momenten leicht zu vergessen, was diese Stadt durchgemacht hat. Erst als die Violinistin den Posaunisten durchs Mikrofon fragt, wann er denn wieder nach New Orleans zurück ziehen werde, wird man daran erinnert. Es hat ihn nach dem Sturm nach Oregon verschlagen und er ist nur zu Besuch. „Bald, sehr, sehr bald“, komme er zurück, antwortet er mit zitterndem Heimweh in der Stimme. Noch hat er in New Orleans keine Wohnung. Aber er hat noch immer eine Heimat hier.

Monday, April 03, 2006

Saisonstart im Baseball: Fans pfeiffen Bonds aus

Barry Bonds hatte nun schon beinahe zwei Jahre Zeit, diese Pose einzustudieren und entsprechend gut gelang sie ihm am Montag. Seit der Name des Rekord-Sluggers erstmals mit der Dopingküche BalCo in Verbindung gebracht wurde, demonstriert Bonds der Welt, dass ihn das alles nicht anfechten kann. Und das strahlte er auch beim Saisoneröffnungsspiel seiner San Francisco Giants gegen die San Diego Padres wieder aus – scheinbar unberührt kaute der 110 Kilo-Koloss auf seinem Kaugummi herum, als die 80.000 Zuschauer im Stadion der Golden Gate-Stadt ihn bei der Spieler-Präsentation auspfiffen.


Bonds will sich nicht kleinkriegen lassen. Weder von dem neuen Buch zweier San Francisco-Chronicle Journalisten, in dem stichhaltig Bonds’ suchthafter Konsum von Anabolika und verwandter Präparate zwischen 2000 und 2002 dokumentiert wird. Noch von der Untersuchungskommission, die Baseball-Commisioner Bud Selig nur zwei Tage vor Saisonstart ins Leben gerufen hat, um Licht ins Dunkel der Jahre 1998-2001 zu bringen - jener Zeit, die schon heute als Steroid-Ära des Baseballs gilt. Noch von den Fans, die den Kopf von Bonds wollen.

Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, hielt Bonds auf den ersten Ball drauf, der ihm vom Padres-Pitcher serviert wurde und drosch ihn beinahe aus dem Stadion. Es blieb der beste Schlag von Bonds an diesem Abend und er brachte ihn nur bis zur zweiten Base, doch Bonds hatte gezeigt, dass er nicht vor hat, seinen Traum vom ewigen Homerun-Rekord aufzugeben, von dem ihm nur noch 48 Läufe trennen. Dass Fans Spritzen auf das Feld warfen störte ihn genauso wenig, wie Schilder mit Sternchen, die die kalifornischen Baseball-Freunde hochhielten. Jeder Rekord von Bonds in den Statistiken, wollten sie bedeuten, gehört mit einer solchen einschränkenden Markierung versehen.

So sehr sich die Fans und die Baseball-Verantwortlichen das auch wünschen mögen, sie werden Bonds wohl nicht so leicht los. Er hat das Recht zu spielen und das will er auch wahrnehmen. Und so könnte der schlimmste Albtraum von Commissioner Selig wahr werden, dass er Bonds für den Homerunrekord ehren muss. „Lieber würde ich mich beim Zahnarzt einer Wurzelkanalbehandlung unterziehen“, sagt Selig, der mit dem bisherigen Rekordmann Hank Aaron gut befreundet war.

Um diesem Schicksal zu entgehen, kann Selig jedoch nur bei jedem Giants-Spiel beten, dass Bonds daneben haut. Weil Bonds bislang nicht positiv getestet wurde sind Selig ansonsten die Hände gebunden. Die Untersuchungskommission, die er am vergangenen Donnerstag ins Leben gerufen hat, hilft ihm da auch nicht weiter: Was der Kommissions-Vorsitzende Greg Mitchell – einst Unterhändler im Nordiland-Konflikt - findet hat nicht mehr Rechtkraft, als das, was die Chronicle-Reporter schon in ihrem Buch geschrieben haben.

Es gehe allerdings auch nicht darum, Spieler zu überführen und zu sperren, sagt Selig. „Die MLB (die Baseball Liga) muss wieder die moralische Oberhand gewinnen“, begründete der Commisioner seinen Schritt. Selig und seinen Funktionärskollegen wird vorgeworfen, bislang nur widerwillig und auf Druck von der Politik und den Medien hin, etwas gegen das Doping getan zu haben. Jetzt möchte Selig zeigen, dass es ihm ernst ist mit dem Aufräumen.

Deshalb betont Selig auch, dass es die Kommission nicht alleine auf Bonds abgesehen hat, sondern auf dessen ganze Spieler-Generation. Selig will ans Licht bringen, was im Baseball wirklich vorgegangen ist, bevor 2003 endlich auf Anabolika getestet wurde. Es soll nicht bloß Bonds den Fans und den Medien zum Fraß vorgeworfen, sondern der Sache auf dem Grund gegangen werden.

Was damit zusätzlich zu allem, was ohnehin schon bekannt ist, gewonnen wird, bleibt nebulös. Bonds hat unterdessen schon seine eigene PR-Offensive geplant. Ab heute Abend strahlt der Sportsender ESPN die Reality-Serie „Bonds on Bonds“ (Bonds über Bonds) aus, in der der bislang zum Thema Doping schweigsame Giant unredigiert zu Wort kommt. ESPN überträgt auch die Spiele der Giants und so waren die Reporter ausgesprochen entrüstet, als die Fans Bonds am Montag Spritzen hinterher warfen. So dürfe man niemanden behandeln, klagten sie. Die betrogenen Anhänger sollen gefälligst brav zahlen, einschalten und schweigen.
Sebastian Moll