Tuesday, April 11, 2006

Kommentarzu den Demos: Der neokonservative Moment ist vorbei

Die Bilder Hunderttausender illegaler Einwanderer, die am Montag “We Are America“ skandierend durch die Strassen amerikanischer Städte zogen, dürften Tom Tancredo nicht gut gefallen haben. Der rechtskonservative Abgeordnete aus Colorado versucht seit Jahren das Thema Einwanderung in Washington auf die Tagesordnung zu setzen. Doch so hat er sich das gewiss nicht vorgestellt.

Tancredo sah nach dem 11. September die Gelegenheit, die Grenzen zu Mexiko aus vorgeschobenen Sicherheitsbedenken dicht zu machen. Die wahre Motivation ist freilich im neokonservativen Manifest „Who We Are“ von Samuel Huntington nachzulesen, der 2002 unverblümt die Angst davor artikulierte, dass die Ströme aus der Dritten Welt südlich des Rio Grande eine integratiosnunwillige spanischsprechende Parallelgesellschaft in den USA bilden.

Mit den Montagsdemonstrationen wird jedoch deutlich, dass der neokonservative Moment in den USA vorbei ist. Selbst George Bush traut sich nicht mehr, die extreme Position von Tancredo und die Gestzesvorlage, die daraus entstand, zu unterstützen. Die Republikaner sind in der Frage tief gespalten. 11 Millionen derart sichtbare Gastarbeiter zu kriminalisieren, die nichts anderes wollen, als am amerikanischen Traum teilzuhaben, verkauft sich nicht gut. Das wirtschaftliche Argument, dass sie amerikanischen Arbeitern die Jobs weg nehmen, zieht ohnehin nicht – niemand bestreitet ernsthaft, dass sie gebraucht werden. Tancredo wollte das Immigrationsthema zum zentralen Thema der nächsten Präsidentschaftswahl zu machen. Das dürfte ihm gelungen sein. Allerdings nicht zum Vorteil seiner Partei.