Wednesday, March 22, 2006

Heimspiel aber keine Heimkehr

Die New Orleans Hornets bekennen sich zur verwüsteten Stadt doch die Fans bleiben skeptisch

Chris Paul war sichtlich erschüttert. “Man darf nichts im Leben für selbsverständlich halten“, stotterte der junge Star der New Orleans Hornets mit gedämpfter Stimme, als er mit zittrigen Knien aus dem Bus stieg, der ihn und seine Mannschaftskameraden drei Stunden lang durch die zerstörten Viertel der verwüsteten Stadt am Mississippi gekarrt hatte. „Diese Leute zu sehen, die alles verloren haben ...“, fügte er an und ließ den Satz in ein fassungsloses Kopfschütteln münden.

Die Stadtrundfahrt sollte an die Solidarität der Spieler mit New Orleans appelieren. Nach der Reaktion von Paul und seinen Kollegen fragt man sich in New Orleans nun jedoch, ob es wirklich eine so gute Idee war, den Spielern das Ausmaß der Zerstörung so drastisch vorzuführen. PJ Brown, der dienstälteste Spieler der Hornets sagte etwa zu seinen Eindrücken: „Diese Stadt hat so viele Sorgen. Ich glaube, wir sollten noch ein wenig weg bleiben.“

Das Basketball-Team spielt seit der Katastrophe im vergangenen August im 1500 Kilometer entfernten Oklahoma City und fühlt sich im Exil pudelwohl. In der vergangenen Woche absolvierten die Hornets drei Heimspiele in New Orleans – als Test gewissermaßen, ob eine dauerhafte Rückkehr in absehbarer Zeit denkbar ist. Die drei Spiele in der frisch renovierten New Orleans Arena liefen eigentlich gar nicht so schlecht. Vor ihrem Umzug nach Oklahoma hatten sich im von Armut geplagten New Orleans gerade einmal 14,000 Zuschauer pro Spiel Karten für die Hornets leisten können. In Oklahoma, einer aufstrebenden Stadt, die ansonsten wenig Attraktionen zu bieten hat, kamen hingegen von Anfang an 18,000. Bei den drei Gastspielen in New Orleans – das letzte gewannen die Hornets am Dienstagabend gegen die L.A. Clippers 120 zu 108 - feuerten 17,000 Leute die Mannschaft an. Das gefiel dem Hornets Besitzer George Shinn: „ Ich hätte nicht gedacht, dass wir hier einen solchen Erfolg haben.“

Deshalb lässt Shinn sich aber noch lange nicht auf eine virschnelle Rückkehr festlegen. In der Saison 2006-2007 werden die Hornets lediglich sechs ihrer 41 Spiele in New Orleans bestreiten. Für die darauffolgende Spielzeit hat sich Shinn auf Druck der Liga-Oberen zwar zu New Orleans bekannt. Aber man traut ihnen in New Orleans noch nicht so recht: „Sie sagen, sie kommen zurück“, sagte etwa Bill Johnson, der vor Katrina eine Dauerkarte für die Arena hatte. „Aber dann hört man, dass sie in Oklahoma immer vor vollem Haus spielen. Und wenn man weiß, dass sie hier schon immer Schwierigkeiten hatten, dann beginnt man sich Fragen zu stellen.“

Die Hornets haben bei den Fans derartige Skepsis freilich geschürt. Erst vor wenigen Wochen war George Shinn bei einem Festbankett in Oklahoma City heraus gerutscht, dass er in den kommenden Jahren ein All-Star Spiel nach Oklahoma holen möchte und dass er mit den Hornets gerne dieses Spiel ausrichten würde. Der Lapsus drang an die Öffentlichkeit und obwohl man sich in der PR-Abteilung des Clubs beeilte, die Fans in New Orleans zu beschwichtigen, war der Schaden angerichtet. Dass Shinn wenig später sagte, er halte zwar zu New Orleans, er sei andererseits aber auch ein Geschäftsmann, verbesserte die Sitaution nicht gerade.

Daran, dass ihre Sport-Teams in der Stunde der größten Not selbstlos zu ihnen stehen, glauben die Fans in New Orleans allerdings ohnehin schon lange nicht mehr. Der Besitzer des Football-Clubs New Orleans Saints, Tom Benson, hatte etwa unmittelbar nach dem Sturm den Hass der New Orleaner auf sich gezogen, in dem er sich ganz unverblümt der reichen texanischen Stadt San Antonio an den Hals warf. Benson hatte schon seit Jahren die Nase vom maroden New Orleans voll, wo die örtliche Wirtschaft stark rezidiert und das durschschnittliche Haushaltseinkommen im nationalen Durschnitt ganz weit hinten liegt. Nur auf Druck des Liga-Chefs Paul Tagliabue, der ein PR-Desaster für die Football-Liga vermeiden wollte, kehrt Benson nun für die nächste Saison heim. Aus seinem Widerwillen macht er allerdings keinen Hehl. „Wir legen uns auf New Orleans fest, wenn sich die Stadt auch auf uns fest legt“, sagt er – eine unverholene Erpressung der gebeutelten Kommune, ihm seine lange ersehntes neues Stadion zu bauen und ihm mittels Zuschüssen Profit zu garantieren.

So viel ist klar – die Teams werden nicht selbstlos Nachteile in Kauf nehmen, nur um in New Orleans die Moral der Leute aufzubauen. Dabei hätte die Stadt das dringend nötig: „Jede große amerikanische Stadt hat Profi-Teams“, sagt etwa ein junger schwarzer Fan an der Theke der Sport-Bar Cooter Brown direkt am Mississippi. „Wenn die Teams uns verlassen, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass wir nicht mehr zu den großen amerikanischen Städten gehören.“ Für die Menschen von New Orleans ist Sport mehr als Geschäft. Besonders jetzt. Die Chance zu zeigen, dass das auf sie auch zutrifft, haben die New Orleaner Clubbesitzer hingegen im Grunde schon verpasst.