Monday, April 03, 2006

Saisonstart im Baseball: Fans pfeiffen Bonds aus

Barry Bonds hatte nun schon beinahe zwei Jahre Zeit, diese Pose einzustudieren und entsprechend gut gelang sie ihm am Montag. Seit der Name des Rekord-Sluggers erstmals mit der Dopingküche BalCo in Verbindung gebracht wurde, demonstriert Bonds der Welt, dass ihn das alles nicht anfechten kann. Und das strahlte er auch beim Saisoneröffnungsspiel seiner San Francisco Giants gegen die San Diego Padres wieder aus – scheinbar unberührt kaute der 110 Kilo-Koloss auf seinem Kaugummi herum, als die 80.000 Zuschauer im Stadion der Golden Gate-Stadt ihn bei der Spieler-Präsentation auspfiffen.


Bonds will sich nicht kleinkriegen lassen. Weder von dem neuen Buch zweier San Francisco-Chronicle Journalisten, in dem stichhaltig Bonds’ suchthafter Konsum von Anabolika und verwandter Präparate zwischen 2000 und 2002 dokumentiert wird. Noch von der Untersuchungskommission, die Baseball-Commisioner Bud Selig nur zwei Tage vor Saisonstart ins Leben gerufen hat, um Licht ins Dunkel der Jahre 1998-2001 zu bringen - jener Zeit, die schon heute als Steroid-Ära des Baseballs gilt. Noch von den Fans, die den Kopf von Bonds wollen.

Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, hielt Bonds auf den ersten Ball drauf, der ihm vom Padres-Pitcher serviert wurde und drosch ihn beinahe aus dem Stadion. Es blieb der beste Schlag von Bonds an diesem Abend und er brachte ihn nur bis zur zweiten Base, doch Bonds hatte gezeigt, dass er nicht vor hat, seinen Traum vom ewigen Homerun-Rekord aufzugeben, von dem ihm nur noch 48 Läufe trennen. Dass Fans Spritzen auf das Feld warfen störte ihn genauso wenig, wie Schilder mit Sternchen, die die kalifornischen Baseball-Freunde hochhielten. Jeder Rekord von Bonds in den Statistiken, wollten sie bedeuten, gehört mit einer solchen einschränkenden Markierung versehen.

So sehr sich die Fans und die Baseball-Verantwortlichen das auch wünschen mögen, sie werden Bonds wohl nicht so leicht los. Er hat das Recht zu spielen und das will er auch wahrnehmen. Und so könnte der schlimmste Albtraum von Commissioner Selig wahr werden, dass er Bonds für den Homerunrekord ehren muss. „Lieber würde ich mich beim Zahnarzt einer Wurzelkanalbehandlung unterziehen“, sagt Selig, der mit dem bisherigen Rekordmann Hank Aaron gut befreundet war.

Um diesem Schicksal zu entgehen, kann Selig jedoch nur bei jedem Giants-Spiel beten, dass Bonds daneben haut. Weil Bonds bislang nicht positiv getestet wurde sind Selig ansonsten die Hände gebunden. Die Untersuchungskommission, die er am vergangenen Donnerstag ins Leben gerufen hat, hilft ihm da auch nicht weiter: Was der Kommissions-Vorsitzende Greg Mitchell – einst Unterhändler im Nordiland-Konflikt - findet hat nicht mehr Rechtkraft, als das, was die Chronicle-Reporter schon in ihrem Buch geschrieben haben.

Es gehe allerdings auch nicht darum, Spieler zu überführen und zu sperren, sagt Selig. „Die MLB (die Baseball Liga) muss wieder die moralische Oberhand gewinnen“, begründete der Commisioner seinen Schritt. Selig und seinen Funktionärskollegen wird vorgeworfen, bislang nur widerwillig und auf Druck von der Politik und den Medien hin, etwas gegen das Doping getan zu haben. Jetzt möchte Selig zeigen, dass es ihm ernst ist mit dem Aufräumen.

Deshalb betont Selig auch, dass es die Kommission nicht alleine auf Bonds abgesehen hat, sondern auf dessen ganze Spieler-Generation. Selig will ans Licht bringen, was im Baseball wirklich vorgegangen ist, bevor 2003 endlich auf Anabolika getestet wurde. Es soll nicht bloß Bonds den Fans und den Medien zum Fraß vorgeworfen, sondern der Sache auf dem Grund gegangen werden.

Was damit zusätzlich zu allem, was ohnehin schon bekannt ist, gewonnen wird, bleibt nebulös. Bonds hat unterdessen schon seine eigene PR-Offensive geplant. Ab heute Abend strahlt der Sportsender ESPN die Reality-Serie „Bonds on Bonds“ (Bonds über Bonds) aus, in der der bislang zum Thema Doping schweigsame Giant unredigiert zu Wort kommt. ESPN überträgt auch die Spiele der Giants und so waren die Reporter ausgesprochen entrüstet, als die Fans Bonds am Montag Spritzen hinterher warfen. So dürfe man niemanden behandeln, klagten sie. Die betrogenen Anhänger sollen gefälligst brav zahlen, einschalten und schweigen.
Sebastian Moll