Monday, May 28, 2007

Lokalnachrichten vom anderen Ende der Welt - Zwei Reporter in Mumbai berichten per Internet über eine kalifornische Kleinstadt

James MacPherson kann nicht so ganz verstehen, warum ausgerechnet er jetzt alles abkriegt. Die Nachrichtenagentur Reuters, klagt der Herausgeber einer lokalen Nachrichtenwebsite in Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, habe schließlich schon seit zwei Jahren ein Büro in Bangalore. Dort sitzen mittlerweile 1,600 Journalisten, von denen mehr als 100 aus der Ferne über den US – Finanzmarkt berichten. Aber wenn er mit seinem Kleinstbudget zwei kostengünstige Journalisten in Mumbai anheuere, dann sei das Geschrei groß.

Man muss dem Mann recht geben, die Globalisierung des Journalismus hat er nicht erfunden. Dennoch erregte seine Geschichte in den vergangenen Wochen in den USA deutlich größeres Aufsehen als weiland das Outsourcing bei Reuters. Denn wesentlich deutlicher noch als die Entscheidung des Nachrichtenriesen führte MacPhersons Auftragsvergabe vor Augen, was konsequentes Denken in weltwirtschaftlichen Zusammenhängen aus der Nachrichtenbranche machen kann. Die beiden Billigschreiber in Mumbai berichten für MacPherson über Dinge wie die Stadtverordnetenversammlung zur gestiegenen Kriminalitätsrate in Pasadena oder die Erfolge des örtlichen Softball-Teams. Lokalnachrichten vom anderen Ende der Welt – der Fall von MacPhersons website Pasadena Now stellt alles auf den Kopf, was man sich gemeinhin unter Journalismus vorstellt.

Für MacPherson war der Schritt, sich Reporter in Indien zu suchen, trotz aller scheinbaren Absurdität keine „verschrobene Schnapsidee eines Hinterwäldlers“, wie er sagt, sondern eine nüchterne Geschäftsentscheidung. Seit Jahren, so MacPherson, habe er in Kalifornien nach kompetenten Journalisten gesucht, die jene Qualität liefern, die er sich für seine website wünscht. Doch im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten, waren keine zu finden: „Entweder sie kosteten zu viel oder sie waren zu unerfahren oder sie hatten keine Lust, bis ein Uhr früh Stadtverordnetenversammlungen zu besuchen. Ich hätte hier für einen vernünftigen Reporter etwa 4,500 Dollar im Monat ausgeben müsse. In Indien bezahle ich etwa 1,000.“ Dafür bekommt MacPherson von jedem Reporter zwei Berichte pro Tage, sechs Tage pro Woche, plus wöchentlich zwei Features im Umfang von rund 700 Wörtern.

Die Wahl von Indien als Standort für seine neuen Mitarbeiter fiel MacPherson nicht schwer. Das Land hat eine hohe Dichte an Akademikern, deren zweite Muttersprache Englisch ist und die in England oder in den USA ausgebildet worden sind. Einer der Schreiber in Mumbai, freut sich MacPherson,. habe sogar in Kalifornien studiert und kenne Pasadena. Obendrein war die Rekrutierung in Mumbai denkbar simpel – das computerfreundliche Land ist ausgezeichnet mit den USA vernetzt. So hat die website Craigslist – ein kostenloser Online- Kleinanzeigenmarkt für alle größeren US-Städte – Ableger in Mumbai, Bangalore und Neu Delhi. Innerhalb von Stunde,n nachdem er auf Craigslist unkompliziert die Stelle ausschrieb, hatte MacPherson bereits zwei passende Bewerber gefunden.

Die beiden Tele-Reporter werden von MacPherson und dessen Kollegen in Pasadena mit Informationspaketen für ihre Geschichten versorgt: Niederschriften von Interviews, Hintergrundinformationen, in manchen Fällen Videos. Die Stadtverordnetenversammlungen von Pasadena können sie sich teilweise sogar per webcast live im Internet anschauen. Ihre Arbeit, so MacPherson, bestehe im rein mechanischen Ausformulieren dessen, was er ihnen vorgibt: „Ich entscheide noch immer selbst, was in eine Geschichte kommt und was nicht und worauf es ankommt. Ich habe nur nicht die Zeit, mich hinzusetzen und die Dinge auf den Punkt zu bringen.“ Wirklich journalistisch, darauf besteht MacPherson, sei die Leistung seiner Indian Connection jedoch nicht. Die journalistische Kompetenz sei nach wie vor Made in USA.

Trotzdem muss sich der findige Internet-Publizist harsche Kritik gefallen lassen. „Das ist ein wahrhaft trauriges Bild dessen, was aus dem amerikanischen Journalismus werden könnte“, kommentierte etwa Bryce Nelson, Journalismus-Professor und Bürger von Pasadena die neuen Praktiken von Pasadena Now. Niemand, der bei Trost sei, würde jemandem seine Berichterstattung anvertrauen, der die Personen und Institutionen nicht einschätzen kann und der nicht vor Ort ist, um Zwischentöne aufzuschnappen.

Entrüstete Traditionalisten wie Nelson werden es allerdings wohl kaum schaffen, den Trend aufzuhalten, der am Beispiel von Pasadena Now so drastisch deutlich wird. Die Medienbranche ist schon lange nicht mehr von den Mechanismen des globalen Marktes ausgenommen – schon gar nicht in einer Zeit, in der Auflagen und Anzeigenaufkommen sinken, der Kostendruck auf die Verlagshäuser steigt und die Möglichkeiten des Internet es schwer machen, den Verlockungen zum Auslagern zu widerstehen. So hat die World Association of Newspapers Ende des vergangenen Jahres in einer Umfrage unter 350 Nachrichtenorganisationen in Asien, Amerika und Europa ermittelt, dass beinahe alle dieser Firmen Pläne haben, Teile ihres Geschäfts in Billiglohnländer zu verlagern. Reuters ist mit seinen Wall-Street-Reportern in Bangalore ein Pionier dieser Entwicklung aber schon lange nicht mehr alleine: Neben Pasadena Now haben bereits ein gutes Dutzend amerikanischer und britscher Zeitungen Teile ihres Betriebs nach Indien ausgelagert.

Verfechtern des konventionellen Vor-Ort- Journalismus bleibt angesichts dieses Trends nur noch die Hoffnung, dass die Leser auf Dauer den Qualitätsunterschied zwischen originärer Berichterstattung und dem Abschreiben von Videokonferenzen spüren. „Der Journalismus ist die einzige Branche, die glaubt, es würde keiner merken, wenn man das Produkt systematisch schlechter macht“, sagt Robert Gunnison, Journalismus-Professor an der Universität Berkeley in San Francisco. Die Leute, glaubt Gunnison, würden jedoch genau merken, ob sie in „einem Motorrad oder in einem klimatisierten Reisebus“ durch die Nachrichtenlandschaft fahren. Und wer an das Motorradfahren gewöhnt ist, davon ist Gunnison überzeugt, der steigt nicht so schnell wieder in einen Bus, wenn er es vermeiden kann.
Sebastian Moll

Monday, May 21, 2007

Kultur ohne Erinnerung - Don DeLillos neuer Roman Falling Man

Der Tagesspiegel, 21.5.2007


Früher oder später musste wohl ein 9-11 Roman vom Don DeLillo koomen. Kein anderer amerikanischer Schriftsteller war so für dieses Thema prädestiniert, wie der vielleicht tiefgründgste Kritiker und Chronist der amerikanischen Kultur nach 1945. Die großen Themen, über die seit 2001 gesprochen wird, sind Themen, die DeLillo seit Jahrzehnten beschäftigen: Amerikanische Hybris und die Provokation, die sie darstellt, Terrorismus und religiöser Fanatismus, vor allem jdeoch die Undurchdringlichkeit der Medienbilder, die jegliches Ereignis im Moment seines Auftretens in Geschichte verwandeln und wirkliches Verstehen dauerhaft verhindern. Wenn Osama Bin Laden ihm nicht zuvor gekommen wäre, hätte Don DeLillo sich sicherlich irgendwann so etwas wie den 11. September ausgedacht.

Nun ist Bin Laden DeLillo aber zuvor gekommen und der Autor, der seinen Berufsstand schon in seinem Roman „Mao II von 1991“ in direkter Konkurrenz zu dem von Bin Laden sah, ist seither ungewohnt wortkarg. 2003 kam DeLillo mit der etwas blassen Novelle „Cosmopolis“ auf den Markt, die den 11. September völlig ausblendete und dafür auch heftig kritisiert wurde. Und sein neues Werk „Falling Man“, das sich direkt mit 9-11 auseinander setzt, bleibt nach den großen kulturkritischen Entwürfen DeLillos in „White Noise“ und vor allem in seinem Joyce-haften Opus von 1997 „Underworld“ der Tragweite des Ereignisses auf den ersten Blick seltsam unangemessen.

Falling Man wirkt zunächst so, als habe DeLillo sich eher widerwillig dem Druck gebeugt, auch etwas zum 11. September zu sagen, obwohl er alles, was das Ereignis und dessen Folgen begreifbar machen könnte schon tausend Mal gesagt hat. Wie um den Erwartungen einer großen zusammenhängenden Deutung von 9-11 auszuweichen, konzentriert sich DeLillo auf den Alltag einer New Yorker Kleinfamilie im Jahre 2001 in seiner ganzen Trivialität. Der 11. September frisst sich zwar in das Leben von Lianne und Keith und ihrem Sohn Justin, nicht jedoch als großes einschneidendes Ereignis. Es bietet keine plötzliche befreiende Erkenntnis und es erlöst sie auch nicht aus ihrer grundsätzlichen Desorientierung und Verlorenheit. Im Gegenteil, er verstärkt diese nur. Mehr passiert in Falling Man nicht, der große kulturtheoretische Essay in Romanform, der an Underworld und White Noise anknüpft, findet nicht statt.

Man tut DeLillo jedoch Unrecht tun, wenn man ihm wie zahlreiche Kritiker in den USA unterstellt, dass er aus Ideenlosigkeit und vielleicht auch Lustlosigkeit in die Banalität abgeglitten ist. Vielmehr ringt DeLillo in Falling Man, vor aller Augen damit, was Schreiben nach dem 11. September überhaupt noch sein oder bedeuten kann. Auch wenn die Frage etwa in Jonathan Safran Foers und in Ian McEwans 9-11-Romanen mitschwingt ist Falling Man das erste Buch, das sich dieser Frage in ihrer ganzen Tiefe stellt, auch wenn sie letztlich nicht restlos beantwort wird.

Da ist etwa der Kreis von Alzheimer Patienten, den Lianne nach dem 11. September zu betreuen beginnt. Sie macht Schreibübungen mit den Patienten, lässt sie Erinnerungen, so weit vorhanden oder Geschichten auzeichnen. „Sie erschrak manchmal“, schreibt DeLillo, „angesichts der Ausfälle, der finsteren Vorboten eines Geistes, der jene Haftreibung verliert, die Individualität ermöglicht. Sie steckten tief in der Sprache, den verdrehten Buchstaben, dem verlorenen Wort am Ende eines sich abkämpfenden Satzes.“ Dennoch ist der Kurs nach dem 11. September ein voller Erfolg – „unaufhaltsam“ wollen Liannes Schützlinge über das eine Thema schreiben, das sie alle nicht mehr loslässt: „Die Flugzeuge“, wie DeLillo das Attentat auf das World Trade Center zumeist abkürzt.

Die Schreibgruppe der Erinnerungslosen ist nicht die einzige Metapher für das Schreiben nach dem 11. September in Falling Man – es wimmelt davon. Da ist etwa Justin, der Sohn der Famlie, der es sich auferlegt hat, nur noch in einsilbigen Worten zu sprechen: „Es hilft mir dabei, mein Denken zu verlangsamen“, begründet der Teenager die Übung. Eine Kultur die das Reden und das Reflektieren verlernt hat, die kein Gedächtnis und keine Identität mehr hat, wacht in Falling Man auf und bemüht sich mit rührender Vergeblichkeit, das schon lange Verlorene wieder zu gewinnen: Sprache, Bedeutung, Sinn.

Es ist ein Gemeinplatz, Don DeLillo der Postmoderne zuzurechnen, auch wenn er sich stets gegen dieses wie gegen alle anderen Labels gewehrt hat. Unbestreitbar ist jedoch, dass der Verlust einer konsensfähigen Realität eine Grundprämisse von DeLillos Werk bis 2001 war. Die Kennedy-Ermordung beispielsweise hat DeLillo in „Libra“ ja vor allem deshalb gefesselt, weil sie einen solchen Konsens in Amerika endgültig zerschlug. Nach einem halben Jahrhundert im Nebel der Virtualität, der nicht zuletzt auch das Werk von DeLillo antrieb, versucht Amerika jetzt, stotternd und stammelnd so etwas wie Verbindlichkeit und Wirklichkiet wieder zu gewinnen.

Doch dafür ist es vielleicht zu spät. Keith, die Hauptfigur von Falling Man – dem der Titel des Romans ebenso gilt, wie einem Performance-Künstler, der den Todessturz aus dem World Trade Center nachstellt – endet auf der Suche nach Halt als Dauergast im Unterhaltungsnirvana Las Vegas. Er kann nicht anders, als sich sich in seinem verzweifelten Verlangen nach Authentizität völlig im Ersatz aufzulösen. Etwas anderes hat er nicht gelernt. Sein Gegenpol, der Terrorist Hamad, optiert hingegen, von denselben Gefühlen der Abgestumpftheit und Uneigentlichkeit geplagt, zum Selbstmordattentat. Das sind die Optionen, die die Welt nach dem 11. September, wie DeLillo sie sieht, anzubieten hat.

So ist Falling Man letztlich beim genaueren hinschauen doch jene Art von Kulturdiagnose, die man von DeLillo erwartet. Dass er diese in einer scheinbar unterkomplexen Erzählung unterbringt, ist dabei wohl weniger ein Versagen im Angesicht der Post-9-11-Welt, als vielmehr ein Etappenerfolg bei der redlichen Suche nach einer angemessenen Kunst für das neue Jahrtausend.

Thursday, May 17, 2007

"Nur noch peinlich" - NHL Eishockey Star Christoph Schubert ärgert sich, dass sich in Deutschland kein Mensch für ihn interessiert

Der 25 Jahre alte Münchner Christoph Schubert steht kurz davor, als erster Deutscher seit Olaf Kölzig 1998 in das Finale um die nordamerikanische Meisterschaft im Eishockey, den Stanley Cup, einzuziehen. Seine Mannschaft, die Ottawa Senators liegen in der Halbfinal-Serie mit drei zu einem Spiel vor den Buffalo Sabres, der Mannschaft des Manheimers Jochen Hecht. Sollte Schubert den Stanley Cup gewinnen, wäre er nach dem jetzigen Bundestrainer Uwe Krupp erst der zweite Deutsche, dem diese Ehre zu Teil wird. Schubert spielt seit 2002 in Ottawa, 2005 rückte er vom Farmteam, den Binghampton Senators, als Verteidiger in die Startaufstellung der ersten Mannschaft auf.



Herr Schubert, die Buffalo Sabres waren das stärkste Team der Saison. Trotzdem liegen Sie mit den Ottawa Senators jetzt im Stanley Cup Halbfinale mit 3 zu 1 Spielen vor der Mannschaft von Jochen Hecht. Überrascht Sie das?

Ein wenig überrascht es uns schon, wie deutlich das gerade aussieht.. Wir haben einfach Charakter gezeigt, jetzt, wo es darauf ankommt. Wir spielen sehr stark in der Defensive, die Stürmer kommen immer zurück und wir schießen trotzdem 15 Mal pro Spiel aufs Tor. Es reisst sich einfach jeder den Arsch auf, zu Deutsch, jeder springt über seinen Schatten.

Denken Sie schon an das Finale und an den Stanley Cup?

Im Hinterkopf sicherlich, aber in den Playoffs kann alles passieren. Es ist schon oft nach hinten los gegangen wenn man sich nicht auf das nächste Spiel konzentriert.

Es kommt mit Ihnen oder mit Jochen Hecht in jedem Fall ein Deutscher ins Stanley Cup Finale in diesem Jahr. In Deutschland nimmt man davon praktisch keine Notiz. Ärgert Sie das?

Es ärgert mich nicht, es enttäuscht mich eher. Hier kann ein Deutscher das Höchste erreichen, was es im Eishockey gibt und zu Hause schauen sie Deutschland sucht den Superstar. Ich finde das einfach nur peinlich. Dass die Fußball-Bundesliga alles andere überschattet lasse ich mir ja noch reingehen. Aber danach? Viele wissen ja gar nicht, dass wir hier spielen, an deutschen Sportlern in Amerika kennt man nur Dirk Nowitzki.

Haben Sie es bereut, dass Sie nicht bei der Weltmeisterschaft haben mitspielen können?

Wenn ich die Möglichkeit habe, in der Nationalmannschft zu spielen, mache ich das schon gerne, wie etwa in Turin. Aber eine WM kommt immer wieder, die Gelegenheit den Stanley Cup zu gewinnen, kommt vielleicht nur einmal im Leben. Uwe Krupp weiß das sehr gut und er versteht das auch..

Es gibt ja mittlerweile einige deutsche Spieler in der NHL. Kennt man sich, tauscht man sich untereinander aus?

Ja sicher. Ich telefoniere regelmässig mit Denis Seidenberg und mit Christian Erhoff und wenn wir gegeneinander spielen, dann gehen wir auch abends zusammen essen. Wir sind vielleicht nicht unbedingt die engsten Freunde aber wir kennen uns ja schon von klein auf, aus der Jugendmannschaft in Deutschland. Und hier in Amerika diesen Rückhalt zu haben ist sehr angenehm.

Der Tarifstreit und der folgende Lockout in der Saison 2004-2005 hat der NHL massiv geschadet. Die Einschaltquoten gingen zurück, die Fans blieben weg. Ihnen persönlich scheint der Lockout jedoch sogar eher gut bekommen zu sein.

Ja, der Lockout war das Beste was mit passieren konnte. Ich bin ja nur durch den Lockout Stammspieler geworden. Ich hatte in der Lockout-Saison die Gelegenheit, mich in der niedrigklassigeren Liga AHL mit meiner Leistung zu empfehlen und aufzufallen. Das hat mit gut getan.

Der Lockout scheint Ihrer ganzen Mannschaft gut getan zu haben.

Ja, wir haben bei dem Neustart acht neue, junge Spieler dazu bekommen. Wir sind jetzt wesentlich schneller und gefährlicher. Die neuen Regeln kommen uns auch entgegen. In Ottawa wird seit vielen Jahren vom Stanley Cup geredet. Heuer haben wir auch die Mannschaft um das endlich wahr zu machen.

Wie ist denn im Moment die Stimmung in Ottawa?

Das ist verrückt. In Kanada ist Eishockey Nationalsport. Jeden Tag wird darüber berichtet, die ganze Stadt ist auf den Beinen. Es ist ein Gefühl wie im letzten Sommer in München während der Fußball-WM. Man geht in den Biergarten und alle reden nur über Eishockey.

Sind Sie ein Star in Ottawa?

Die Leute kennen mich auf der Strasse. Aber es ist nicht unangenehm, sie unterstützen einen, sid hilfsbereit, wünschen einem viel Glück. Es macht sehr viel Spass im Moment und es motiviert ungemein.

Wann kommen Sie denn das nächste Mal nach Deutschland?

Wenn ich den Stanley Cup gewonnen habe.

Monday, May 14, 2007

Opfer des Systems - Flyod Landis will ab heute in Malibu seine Unschuld beweisen

New York. Viel Neues hatte der vorbehaltliche Tour de France-Gewinner Floyd Landis zum Beginn seiner Anhörungen durch die amerikanische Anti-Doping Agentur USADA am Dienstag in Kalifornien nicht zu sagen. Das französische Labor, das seine Proben untersucht hatte, sei korrupt und inkompetent, es werde gegen ihn und seine Kollegen eine Hexenjagd veranstaltet und das gesamte System der Dopingbekämpfung im Leistungssport trete die Grundrechte der Athleten mit Füssen predigte er während einer Telefon-Pressekonferenz zum wiederholten Mal. Dass die Journalisten diese Litanei schon zum Überdruss kennen, war Landis allerdings wohl bewusst und so bot er ihnen ein wenigstens kleines Bonusschmankerl, um ihnen seine Story schmakhaft zu machen: Die USADA, enthüllte Landis, habe ihm eine Kronzeugenregelung angeboten, wenn er gegen Lance Armstrong aussage.

Das Angebot, als Kronzeuge gegen seinen ehemaligen Chef aufzutreten, erzählte Landis, sei gleich zu Beginn des Verfahrens gegen Landis vom Generalsekretär der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Travis Tygart an Howard Jacobs, einen von Landis’ mittlerweile zahlreichen Rechtsanwäten, ergangen. Tygart, so Landis, habe Jacobs zugesichert, dass Landis die „geringst mögliche Strafe“ bekäme, wenn er gegen einen „Radfahrer, der noch größer“ als er selbst sei aussage. Ein solch unmoralisches Ansinnen, führte Landis weiter aus, hätten er und sein Team jedoch keiner Reaktion für würdig befunden. „Es ist bestenfalls beleidigend“, sagte Landis. Und : „Es sagt alles über den Charakter dieser Leute aus.“

Die USADA weigerte sich indes Landis auf den Leim zu gehen und die Behauptung zu verifizieren. Nur wenn Landis ihn von der Pflicht befreie, laufende Verfahren nicht zu kommentieren, so der USADA Generalsekretär Travis Tygart, würde er etwas zu Landis’ „Unfug“sagen. Landis-Sprecher Michael Hanson konterte Tygarts Stellungnahme mit der Bemerkung, dass eine Befreiung der USADA von ihrer Schweigepflicht auch keinen Unterschied mehr ausmache, weil „nichts, was die USADA bisher von sich gegeben hat, auch nur entfernt mit der Wahrheit zu tun hat.“

Wenn man Landis und seiner Verteidung glaubt, stecken die USADA, ihre Dachorganisation WADA, das Anti-Dopinglabor in Frankreich und überhaupt der gesamte organisierte Sport unter einer Decke. Das gemeinsame Ziel dieses Kartells sei es, prominente Sportler in Schauprozessen der Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen um damit ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Das Labor in Chatenay Malabry habe etwa mit „pseudo-wissenschaftlichen Methoden“ gearbeitet und seine Proben verpfuscht, manipuliert und überdies Landis Persönlichkeitsrechte verletzt, in dem es Details seines Falles der Presse preisgegeben habe.

Insider halten indes eine derartige gezielte Böswilligkeit der Institutionen, wie Landis sie konstruieren möchte, für eher unwahrscheinlich. Dr. Andreas Breidbach, langjähriger Mitarbeiter von Professor Schänzer im Anti-Doping-Labor in Köln, etwa sagt, „Es wird den Labors immer unterstellt, sie seien hinter den Athleten her. Das stimmt nicht. Den Leuten in den Labors ist das doch egal.“ Die Verteidigungsstrategie von Landis hält Breidbach indes für aussichtslos. Landis’ Anwalt, Howard Jacobs, so Breidbach, habe schon in mehreren Fällen in den USA versucht mit der gleichen Argumentation gegen positive Dopingproben vorzugehen – stets ohne Erfolg. Die Verfahrensfehler, die Jacobs dem Labor in Frankreich verwerfe, so Breidbach, seien nicht glaubhaft: „Es ist nicht vorstellbar, dass die da so geschlampt haben sollen. Auf solch dünnes Eis würden die sich nie begeben.“

So geht es Landis in Wirklichkeit wohl darum, im Verlauf dieses Prozesses zumindest die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er Opfer einer wildgewordenen Lynchjustiz ist. Dass Landis’ Anwälte es erzwungen haben, das Verfahren öffentlich zu machen, war bereits ein Punktsieg in diesem Public-Relations Kampf. Wie sein ehemaliger Chef will Landis wenigstens sein Renomee und somit seinen Marktwert in den USA retten. Dem vorwiegend europäischen Radsportzirkus kann das hingegen egal sein. Die Tour de France hat etwa schon jetzt Landis aus ihrer Siegerliste gestrichen. Egal, was in den nächsten zehn Tagen in Kalifornien passiert.

Sebastian Moll

Friday, May 11, 2007

Pocahontas wusste es besser - Interview mit Klaus Theweleit über das Jamestown Jubiläum und das amerikanische Selbstverständnis

taz, 11.5.2007

Klaus Theweleit ist Professor für Kunst und Theorie an der Akademie der Künste in Karlsruhe. 1999 veröffentlichte er „Pocahontas in Wonderland“ eine Studie zur Legende um das Indianermädchen Pocahontas und den englischen Siedler John Smith. Das Buch demontiert den amerikanischen Gründungsmythos von der rot-weissen Romanze und schreibt die amerikanische Geschichte neu, indem es Amerika als koloniale Projektion Europas konstruiert. Pocahontas und Smith lebten in Jamestown, der ersten dauerhaften britischen Kolonie in Amerika, die an diesem Wochenende 400 Jahre alt wird.


Herr Theweleit, am kommenden Wochenende feiern die USA mit großem Tamtam den 400ten Jahrestag der Gründung von Jamestown in Virginia. Was feiern die Amerikaner da eigentlich?

Zunächst einmal feiern sie die Tatsache, dass 1607 drei britische Schiffe an jenem Fluss landeten, den sie später nach ihrem König den James River nannten. Die Besatzungen gründeten die erste dauerhafte englische Siedlung auf amerikanischem Boden. Es war die Gründung der englischsprachigen USA, wie wir sie heute kennen.

Und was bedeutet das Ereignis heute für die Amerikaner?

Die populäre Imagination wird bis heute vor allem von der Pocahontas Legende geleitet. Pocahontas war die Tochter des Algonquin-Häuptlings Powahatan. Powahatan wollte nach dieser Legende dem gefangen genommenen Engländer John Smith den Schädel zertrümmern, doch seine Tochter rettete Smith das Leben. Daraus entspinnt sich eine gemischtrassige Liebesgeschichte, die später zum amerikanischen Gründungsmythos erwächst. Es ist allerdings höchst zweifelhaft, ob sich diese Ereignisse auch zugetragen haben. Der Lebensrettungsakt durch Pocahontas taucht in John Smiths Aufzeichnungen erst 1624 auf, in den ersten Berichten der Mission fehlt er vollständig. Zur großen Romanze wird die vermeintliche Verbindung von Pocahontas und Smith erst durch die Romane von John Davis aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Welches Selbstbild entwirft Amerika durch den Pocahontas-Mythos?

Die Tatsache, dass Pocahontas aus Liebe zu den Siedlern überläuft, wird als Berechtigung der Kolonialisten zur Landnahme gedeutet. Pocahontas wird zu einer zentralen Figur der Kolonialisierung. Ihre Geschichte wurde allerdings im Laufe der Zeit immer wieder zur Untermauerung des jeweils aktullen Diskurses umgedeutet. So gab es in den Siebziger Jahren einen großen Streit unter Feministinnen, ob Pocahontas eine Verräterin war oder ob der freie Liebesakt nicht vor allem eine Emanzipation von der Vaterkultur war. Neil Young gesteht in der Hippie-Zeit in seinem Pocahontas-Song den Indianern ihr eigenes Land zu, schwelgt jedoch gleichzeitig in Fantasien davon, mit Pocahontas zu schlafen. Im Disney-Film Pocahontas von 1995, mitten in der Ära der Political Correctness, ist Pocahontas eine Figur, die für die Versöhnung der Rassen und für Gleichberechtigung steht.

Die Ära der Political Correctness ist ja nun vorbei. Was erwarten Sie anlässlich der diesjährigen Feiern für Neuinterpretationen von Pocahontas?

Ich bin darauf gespannt. Es wird sich sicherlich vor dem Hintergrund von 9-11 und dem Kampf gegen den Terror abspielen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man eine Pocahontas aus dem Iran oder aus Afghanistan erfindet. In Afghanistan ist das ja schon versucht worden, mit den Bildern von Frauen, die sich von der Burka befreien und zur Wahlurne gehen. Wann immer kolonialistische Interessen verfolgt werden, wird das gerne mit dem Vorwand der Emanzipation verbrämt. Die Rhetorik von Freedom and Democracy wird stets mit rassistischen Motiven untermauert. Und dafür eignet sich Pocahontas bestens.

Das heißt Pocahontas muss für die Legitimierung des Kolonialisms herhalten. Und das gelingt mittels der Verwandlung der historischen Pocahontas-Geschichte in eine Love-Story.

Ja, da ist zum einen die Love-Story. Der andere zentrale Aspekt ist die Religion. In Wirklichkeit hat ja Pocahontas den Siedler John Rolfe geheiratet. Rolfe bringt sie nach England und lässt sie taufen. Sie wird dem englischen Hof als Beweis dafür vorgeführt, dass die Wilden gar nicht so schlimm sind. Pocahontas macht Reklame für die Kolonien. Es gab damals in England zwei Fraktionen, die eine, die an die Missionierung glaubte, also daran, dass die Ureinwohner einen guten, christianisierbaren Kern besitzen und die andere Fraktion, die für Landnahme und Ausrottung war. Pocahontas sprach eindeutig für die Missionierung.

Aber die Landnahme und die Ausrottung haben sich doch in den USA durchgesetzt. Die Pocahontas-Legende hat es scheinbar nicht geschafft, das nationale Selbsbewusstsein zu bestimmen.

Es konkurrieren in den USA zwei Gründungsmythen. Da ist Jamestown auf der einen Seite und die puritanische Siedlung Plymouth in Massachussetts auf der anderen Seite. Und obwohl Plymouth erst 14 Jahre nach Jamestown gegründet wurde, ist Plymouth der deutlich erfolgreichere Mythos. Sie werden beim Plymouth-Jubiläum wesentlich ausgiebigere Feierlichkeiten erleben, als jetzt in Jamestown.

Woran liegt das?

Das liegt vor allem am amerikanischen Sezessionskrieg, gemeinhin Bürgerkrieg genannt. Plymouth ist der Mythos des Nordens, Jamestown der des Südens. Bis zum Bürgerkrieg beriefen sich die USA auf Jamestown, seit dem Sieg des Nordens eher auf die Mayflower, die in Plymouth gelandet ist. 1848 wurde noch ein Gemälde von Pocahontas’ Taufe für das Kapitol in Washington angefertigt. 1864 wurde es wieder getilgt.

Und mit Plymouth hat sich das Paradigma der von Gott gewollten Landnahme durchgesetzt?

Ja genau, das steckt dem ganzen Bible Belt und den George Bush-Wählern in den USA tief in den Knochen. Sie haben im Namen des Herren Amerika erobert und sie werden es nicht so schnell wieder hergeben. Das ist wie die Argumentation der Israelis gegenüber den Palästinensern.

Sie versuchen in Ihrem Buch dem Pocahontas-Mythos die Realität von Jamestown gegenüber zu stellen. Welches Bild müsste sich Amerika von sich selbst machen, wenn es sich nicht auf den Mythos sondern auf die historische Wirklichkeit beriefe?

Pocahontas hat bis zu ihrem Tod zusammen mit John Rolfe in Jamestown als Tabakfarmerin gelebt. Zunächst einmal müsste man eingestehen, dass die wirtschaftliche Grundlage der Kolonie Tabak war – was heutzutage im Zug der Anti-Drogen-Hysterie undenkbar wäre. Im Disney-Film etwa bauten die Siedler Mais an. Darüberhinaus müssten die USA ihre Geschichte des gewaltsamen Kolonialismus eingestehen.

Weil die Ehe zwischen Rolfe und Pocahontas eine funktionierende gemischtrassige Verbindung war und somit der Zwangsläufigkeit des Genozids widerspricht.

Ganz genau. Bis zum Bürgerkrieg galt Pocahontas als „mother of us all“, als Mutter Amerikas. Wer den Mischlingssohn von Pocahontas und Rolfe, Thomas Rolfe, in seinem Stammbaum nachweisen konnte, gehörte zu einer Art amerikanischem Hochadel. Doch nach 1864 wurde Rassenmischung in Amerika ausgeschlossen. Wenn sich das Paradigma Jamestown durchgesetzt hätte, wäre die amerikanische Geschichte sicher ganz anders verlaufen. Die USA wären von der Rassenmischung her eher Mexiko ähnlich geworden. Der Konflikt zwischen Norden und Süden hätte so nicht stattgefunden, das Schwarzenproblem hätte es nicht in dieser Form gegeben. Stattdessen ist heute jedoch der Völkermord gerichtlich anerkannt und man ist sogar stolz darauf.

Aber es gibt doch in den USA auch schon seit langer Zeit alternative Geschichtsschreibungen und Revisionen. Es gibt doch reichlich Stimmen, die den Genozid zugeben.

Ja, sicher, es gibt ja nicht nur ein Amerika. Ich sage immer, es gibt mindestens 20 Amerikas. Das Land ist tief gespalten. Die Großstädter an der Ostküste werden sicher ohne zu Zögern den Genozid an den Indianer eingestehen.

Was bedeutet denn das Jamestown-Jubiläum für Europa?

Jamestown hätte Europa viel zu sagen. Anhand von Jamestown könnten Europa und Amerika beide ihre koloniale Vergangenheit reflektieren. Shakespeare, das zeige ich in meinem Buch, hat schon 1610 in seinem Stück The Tempest („Der Sturm“) darüber nachgedacht, was die Neue Welt für die alte Welt bedeutet und wie sie sich gewissermassen gegenseitig kolonialisieren. In diesem Sinne könnte man beispielsweise auch über den Kultur-Kolonialismus reden, der von Amerika ausgeht. Es gäbe also viel, über das zu reden wäre, aber leider bedeutet den meisten Menschen hier in Europa Jamestown herzlich wenig. Das merke ich schmerzlich an der Auflage meines Buches.

Monday, May 07, 2007

Danebenbenommen - Die Queen beim Kentucky Derby

Irgendwie hat ja der gesamte USA-Besuch der Queen einen seltsamen Beigeschmack. Anlass für die Reise war nämlich die Gründung der ersten britischen Kolonie auf amerikanischem Boden in Virginia vor genau 400 Jahren. Hätte die britische Monarchin das souveräne Amerika würdigen wollen, wäre sie schon im Januar über den Ozean geflogen, als das 230te Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung begangen wurde. Stattdessen fuhr sie jedoch jetzt nach Jamestown, wo im Mai 1607 der Kapitän ihrer Majestät John Smith den ersten Union Jack in amerikanischen Boden pflanzte.

Ihr weiterer Reiseplan unterstrich diese koloniale Attutüde. Präsident Bush bekam zwar auch eine Audienz aber erst an dritter Stellle im königlichen Terminkalender. Davor stand noch der Besuch beim Kentucky Derby – dem britischsten Ereignis, das die amerikanische Gesellschaft vorzuweisen hat. Das Derby gibt es seit 133 Jahren, explizit nach englischem Vorbild gegründet durch den Armeeoffizier Meriwether Lewis Clark. Clark gehörte einer der ältesten Familien der USA an - mehr Aristokratie ist in der neuen Welt nicht zu finden. Und mit seinen vielen exzentrischen Traditionen und Gebräuchen übertrifft das Derby Wimbledon leicht.

Am ersten Samstag im Mai versammelt sich alles, was in Amerika Stammbaum und Namen oder wenigstens Geld hat auf der Ehrentribüne der Churchill Downs in Louisville, um die 20 blaublütigsten aller blaublütigen Zuchthengste eineinviertel Meilen – oder gut zwei Minuten – lang anzufeuern. Die Ladies tragen große Hüte, die Herren Frack und man verwettet diskret auch schon einmal ein paar Zehntausender auf sein Lieblingstier. Ein Hauch von Ascot weht an diesem Tag durch den Mittleren Westen.

Hätte die Queen wirklich Respekt vor der amerikanischen Eigenständigkeit, hätte sie sich indes ein Baseballspiel oder eine NBA-Partie angeschaut. Aber nein, es musste ein Pferderennen sein. Die Queen interessiert sich offenbar nicht für das Amerikanische an Amerika, sondern nur für das, was an den USA noch englisch ist. Und so fühlte die Queen sich in Louisville so richtig zu Hause. Dazu trug sicherlich auch bei, dass die Leute Schlange standen, um einen Blick von ihr zu erhaschen – das Volk lag der Souveränin wie zuhause zu Füssen.

Scheinbar jedenfalls, denn alteingesessene Derbyfans waren über Elizabeths Auftritt weniger erfreut. Alleine durch ihre viel zu schmale Hutkrempe und ihren viel zu moderaten Schmuck habe sie verraten, dass sie von Derby- Traditionen gar nichts verstehe. Schlimmer noch – sie habe weder einen Mint Julep (eine Mischung aus Minze und Kentucky Bourbon) gertunken, noch sich, wie eine echte Kentucky-Lady, einen Flachmann voller Whisky für den langen Tag per Klebeband am Oberschenkel befestigt. Louisville ist eben nicht Ascot, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so aussieht. Ob die Queen es wahrhaben will oder nicht – die Kolonien haben sich auch in ihren kolonialsten Traditionen schon seit einiger Zeit vom Mutterland emanzipiert.

Wednesday, May 02, 2007

Öko-Zeitgeist in Manhattan

George Bush will nichts vom Kioto Protokoll wissen. Die Mehrheit der Amerikaner haben hingegen die Dringlichkeit des Klimaschutzes schon längst erkannt


http://www.taz.de/dx/2007/05/03/a0093.1/text

Tuesday, May 01, 2007

Das N-Wort: Wer darf "Nigger" sagen und wer nicht?

Es war beinahe so, als hätten sich die Publizisten von Jabari Asim den Vorfall ausgedacht. Gerade rechtzeitig zur Erscheinung von „The N-word“ -Asims Kulturgeschichte des Wortes „Nigger“ – bezeichnete der weiße Radio-Talker Dan Imus die schwarze Frauenbasketballmannschaft der Rutgers University als „Nappy Headed Hos“ (kraushaarige Nüttchen) und wurde dafür von seinem Sender gefeuert. Die Affäre entfachte in den USA einmal mehr eine heiße Debatte über den Gebrauch abschätziger Begriffe für die schwarze Rasse und darüber, inwiefern solcher Sprachgebrauch „politically correct“ reglementiert werden sollte. „Nappy Headed Hos“ fällt eindeutig ebenso wie „Nigger“ in die Kategorie solcher Begriff und somit exakt in das Fachgebiet von Asim, einem schwarzen Literaturkritiker bei der Washington Post.

Im Grunde knüpft die jetzige Debatte da an, wo Philip Roth vor rund sieben Jahren aufgehört hatte. Die Figur Coleman Silk in Roths „Menschlichem Makel“ verlor ebenso wie Imus seinen Job, weil er die sprachpolizeilichen Grenzen der politischen Korrektheit überschritt, indem er das Wort „Spooks“ für zwei schwarze Studenten verwendete – ein Begriff, der zwar weniger scharf aber nicht weniger eindeutig ist als „Nigger“ oder „Ho“. Roth führte freilich die Hexenjagd gegen Silk ad abusrdum, indem er seine Figur als Schwarzen entwarf, der seine rassische Identität verleugnet hat, um in der weißen Gesellschaft zu reüssieren. Unter dem Strich war für den liberalen Juden Roth das wirkliche Übel das Denken in rassischen Mustern, das Fronten aufbaut und eine Reglementierung auch des sprachlichen Umgangs der Gruppen miteinander überhaupt erst notwendig macht.

Für Asim liegen die Dinge hingegen nicht so einfach. Er glaubt zwar auch, dass Bezeichnungen wie „Nigger“ (oder auch Hos und Spooks sowie verwandte Bezeichnungen wie Jigaboo, Coon, Pickaninny oder Buck) sicherlich in einer Gesellschaft, in der es vollständige rassische Gleichberechtigung gibt, ihre Bedrohlichkeit verlören. So weit sei Amerika aber noch lange nicht und bis es so weit ist, findet Asim, solle man im öffentlichen Raum tunlichst davon absehen, mit solch explosivem Material zu hantieren.

Nun handelte es sich bei Don Imus’ Ausrutscher nicht einfach um die Gedankenlosigkeit eines weißen Suprematisten. Jedenfalls behauptete Imus nachträglich – und das verkompliziert die Sache ungemein – dass er den Hip Hop im Sinn gehabt habe, als er von Nappy Headed Hos sprach. Im Hip Hop und überhaupt in der schwarzen Subkultur werden Bezeichnungen wie Nigger oder Ho mit einer ganz anderen Konnotation verwendet, als im weißen Mainstream. Wenn sich Schwarze gegenseitig als „Nigger“ oder „Ho“ bezeichnen, wie das in Zeiten des Hip Hop üblich geworden ist, dann suggeriert das, wie selbst Asim zugibt, eine Form von liebevoller Zuneigung und Intimität.


Dürfen Weisse wie Imus das dann aber auch? Es gibt Schwarze, die finden das durchaus. Der schwarze Komiker Dave Chapelle etwa sieht den nicht-schwarzen Gebrauch rassistischer Verunglimpfungen in Zeiten ihrer Wiederaneignung durch die schwarze Subkultur als etwas ausgesprochen Positives. „Ich liebe die Ironie darin. Wann immer ich höre, wie ein weißer Jugendlicher einen anderen „Nigger“ nennt, muss ich grinsen. Es demonstriert doch vor allem die Dominanz der schwarzen Popkultur und es ist, wie ich finde, das Beste, was sich seit langem im Verhältnis zwischen den Rassen getan hat.“

Eine solche Argumentation ist Asim jedoch zu dialektisch und zu gefährlich. Solange „das weiße Amerika“ wie er verallgemeinernd schreibt, „seine Schizophrenie zwischen Freiheitsliebe einerseits und Intoleranz andererseits“ nicht aufgelöst habe, müsse man bei den Sprachspielen Vorsicht walten lassen. Die Frage ist allerdings ob solche Zurückhaltung die Probleme eher löst oder eher zementiert.