Wednesday, May 31, 2006

Start der Hurricane-Saison in New Orleans - Unheil in der Luft

Im Sommer, wenn das Thermometer im Mississippi-Delta auf 40 Grad klettert und die Feuchtigkeit aus den Sümpfen die Luft so dick macht wie Erbsensuppe, kann man sich auf den Strassen von New Orleans manchmal fühlen wie eine wandelnde Leiche. Der Kopf kann keinen klaren Gedanken mehr fassen und man schleppt sich wie benommen durch den Tag.

In diesem Sommer haben die rund 150,000 New Orleanians, die seit Hurricane Katrina wieder in die Stadt zurück gekehrt sind, mehr denn je das Gefühl, zwischen Tod und Leben zu schweben. Am heutigen 1.Juni beginnt die neue Orkan-Saison und sie dauert vier quälend lange Monate bis Oktober. Große Teile der Stadt liegen noch immer in Trümmern. Die wiederaufgebauten Flutsicherungssysteme sind bestenfalls so stark, wie sie vor Katrina waren. Und Katrina war, als sie über den Lake Pontchartrain fegte, lange nicht der schlimmst-mögliche tropische Wirbelsturm.

Während eines Großteils der vergangenen neun Monate herrschte in der Bevölkerung von New Orleans Wut – wegen der unzulänglichen Reaktion der Behörden auf die Katastrophe und wegen der unerträglichen Bürokratie und dem unwürdigen politischen Tauziehen beim Wiederaufbau. Jetzt, da die Gefahr eines erneuten Sturms plötzlich da ist, weicht der Zorn jedoch der nackten Angst. „Ich bin eigentlich ein unverbesserlicher Optimist“, sagt etwa Chris Rose, Redakteur bei der örtlichen Zeitung Times Picayune. „Aber es liegt ein unverkennbarer Geruch von Unheil in der Luft.“

Das bestätigt auch Albert Gaude, der als Beauftragter der nationalen Meersebehörde in den vergangenen Monaten den Fischern an der Küste Louisiana beim Neustart geholfen hat. „Die Zeit des Zorns ist vorbei. Jetzt fürchten sich die Leute nur noch.“ Und das aus gutem Grund. Nur vier Tage vor Beginn der Sturm-Saison ist etwa 100 Kilometer vor New Orleans am Mississippi ein 120 Meter langer Abschnitt eines gerade wieder aufgebauten Dammes um vier Meter abgesunken. Wie lange es dauern wird, die Lücke in der Flutsicherung zu schließen, konnten die Verantwortlichen des Pioniercorps der Armee nicht vorher sagen.

Aber auf die Beteuerung des Korps am 25.Mai, dass die Stadt sicher sei, hatten die Menschen von New Orleans ohnehin keinen Pfifferling gegeben. Zu viele leere Versprechen haben die Menschen in den vergangenen Monaten von den verschiedenen offiziellen Stellen gehört. „Ich traue dem Armeekorps nicht über den Weg“, sagt Isabelle Coussart, eine Reiseunternehmerin, die ihr Geschäft von Touren durch das pittoreske Plantagenland im Delta auf die in letzter Zeit stärker nachgefragten Rundfahrten durch die zerstörte Stadt verlagert hat.

„Die neuen Dämme sind doch nur Flickwerk“, glaubt auch Barbara Martin, eine ältere Dame, die in New Orleans aufgewachsen ist und deren 150 Jahre altes Haus Katrina glücklich überstanden hat. Diese Meinung teilt Barabara mit vielen Experten. Zwar, so ist man sich einig, ist in etwa der Schutz wieder her gestellt, der vor Katrina herrschte. Der war jedoch ganz offenkundig zu schwach. Ivor van Heerden vom Orkan-Zentrum der Louisiana State University sagte gegenüber der New York Times, das reparierte System würde bestenfalls einen Sturm der Kategorie Zwei aushalten. Katrina wurde mit 5 klassifiziert und die Meteorogen erwarten, dass sich in dieser Saison fünf Stürme über dem Atlantik zusammen brauen, die mindestens die Stufe Drei erreichen.

Vor diesen Stürmen fühlen die New Orleanians sich alles andere als geschützt. Das einzige, was ihnen deshalb bleibt, ist die Hoffnung, dass die Stürme an ihnen vorbei ziehen: „Wir sind alleine in den Händen der Wettergötter“, sagt Barbara. Gleichzeitig planen sie minutiös für den Ernstfall. Den Zusicherungen, dass die Katastrophenbehörde FEMA reformiert ist und nach dem Versagen im vergangenen Jahr diesmal funktionert, vertraut man nämlich genauso wenig, wie den Bekundungen der Armee-Ingenieure.

Barbara etwa hat sich ein neues Auto gekauft, damit sie im Falle einer Evakuierung keine Gefahr läuft, irgendwo liegen zu bleiben. In der Stadt ausharren will sie auf keinen Fall: „Wenn Evakuierung befohlen ist, dann bin ich sofort weg hier.“ Eine Tasche mit dem Nötigsten hat sie auch schon gepackt. Darin stecken vor allem Dinge, die sie nicht ersetzen kann, wie Fotografien ihrer Großeltern. Nach Katrina rechnet niemand mehr damit, glimpflich davon zu kommen. Alles zu verlieren ist ein Schicksal, dessen grausame und ganze reale Möglichkeit man in der Stadt täglich vor Augen hat.

Den Gedanken, was mit der Stadt passiert, wenn tatsächlich noch einmal ein Orkan an der Mississippi Mündung auf Land trifft, wagt kaum jemand laut zu formulieren. Albert Gaude von der Meersebehörde sagt es mit gedämpfter Stimme und einem dicken Klos im Hals: „Dann ist es vorbei mit dieser Stadt.“

Die Leute, die bis jetzt ausgeharrt haben, sind jetzt schon am Rand ihrer Kräfte. Eine weitere Katastrophe würde ihren Durchhaltewillen überstrapazieren. „Die Menschen hier sind so angespannt, dass sie oft ganz unvermittelt in Tränen ausbrechen“, erzählt Chris Smith, Vorsitzender einer Bürgerinitiative für den Wiederaufbau, der, wie Chris sagt, „ohnehin schon 100 Jahre dauert. Wenn ein neuer Sturm käme, wäre das bißchen Wind, das noch in ihren Segeln ist, endgültig weg.“

Barbara Martin etwa, die seit 75 Jahren in New Orleans lebt, sagt: „Es gibt wohl wenige Leute, die hier so verwurzelt sind wie ich. Aber wenn noch ein Sturm kommt, kann ich nicht garantieren, dass ich nicht wegziehe.“

Friday, May 26, 2006

Die Neighborhood Bar - Ersatzfamilie für den New Yorker Individualisten

Es ist schwer in New York, noch Inseln des Ungeschminkten zu finden, doch es gibt sie. Orte, wo nicht das Design regiert, wo weder Dinge noch Menschen etwas darstellen müssen und Teil einer großangelegten Strategie der(Selbst-) Vermarktung sind. Und auch wenn es nach Udo Jürgens klingt - sie sind kostbar diese Oasen, in denen man sich so geben darf, wie man sich gerade fühlt und wo einen die Mitmenschen von aufdringlichen Selbstdarstellungen verschonen.

Diese Orte haben meist die Form von Bars eines bestimmten Typs an. Man nennt sie „Neighborhood Bars“ oder schlicht „Dives“. Von Aussen wirbt gewöhnlich nichts für diese Etablissement, als Neonreklamen für Bier- und Whiskeysorten im Fenster. Wenn sie Namen haben, dann keine, die irgendwelche abstrusen Assoziationen wecken sollen wie etwa das „Cafe Luxembourg“ oder der „Tiki Room“. Die Dives heissen schlicht „Tina’s Beer and Scotch Place“ oder „Grassroots Tavern“ und schmeißen sich keinem Passanten an den Hals. Hier treten ausschließlich Stammgäste aus dem Viertel und deren Freunde über die Schwelle. Erlebnisgastronomie ist anderswo.

Die Einrichtung ist standardmässig vergammelt. Im dunklen, niedrigen Raum stehen ein paar wackelige Holztische und Stühle, der Boden und die Theke sind von jahrzehntelangem Bierüberguss moderig. Hinter der Theke läuft immer ein Fernseher mit Sportübertragungen, in der Ecke steht eine Juke-Box. Der Barkeeper begrüsst einen mit Handschlag, macht einen kurzen Spruch, stellt einem das Getränk der Wahl hin und lässt einen ansonsten in Ruhe.

Niemand hetzt einen hier. Man kann in Gedanken versunken stundenlang an einem Bier nippen oder sich mit den anderen Stammgästen unterhalten. Man kann dem Baseballspiel folgen und sich mit Sportfachgesimpel unterhalten. Einige lesen Zeitung, in der Ecke bespricht ein Pärchen seine Beziehungsprobleme. Der Banker, der von der Arbeit kommt und dem der Schlips noch offen um den Hals baumelt. stöst mit seinem Nachbarn an, der riesige Ohrringe, Tattoos und eine Lederjacke trägt.

Die „Neighborhood Bar“ ist das Wohnzimmer der New Yorker, das in den viel zu kleinen Apartments fehlt. Hier findet man zu jeder Tages- und Nachtzeit Zuflucht, einen Drink und ein Schwätzchen – eine kleine Ersatzfamilie für den militant individualistischen Großstädter.

Doch wie allem, was warm und wahr ist, geht es den Dives in New York zunehmend an den Kragen. Meine Lieblingsbar an der Hudson Street musste kürzlich einer Boutique weichen. Die alten Stammgäste halten jetzt per email Kontakt und sind jeden Mittwochabend in einer anderen Bar in einem anderen Viertel zu Gast. Das funktioniert ganz gut. Fragt sich nur wie lange noch.

Thursday, May 25, 2006

Enron Bosse schuldig

Ein Geschworenengericht in Houston fand heute die CHefs des Enron Konzerns, Kenneth Lay und Jeff Skilling des Betrugs schuldig. Ihnen drohen jahrzehntelange Haftstrafen.

Lesen Sie unter:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,418091,00.html

Wednesday, May 24, 2006

New Yorker Bürgermeister kritisiert "absurde" Einwanderungsreform

Die Pläne des Repräsentantenhauses, 11 Millionen illegale Einwaderer zu kriminalisieren, sind aus Sicht von Michael Bloomberg realitätsfern:

Lesen Sie:

http://www.nytimes.com/2006/05/24/nyregion/24cnd-bloomberg.html?_r=1&oref=slogin

Monday, May 22, 2006

Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks im NBA Halbfinale

Das sollte Dirk Nowitzki nicht noch einmal passieren. Drei Mal hatten die Dallas Mavericks in dieser Serie gegen San Antonio verloren und jedes Mal hätte der Würzburger Forward der Mavericks die Gelegenheit gehabt, die Niederlage zu verhindern. Sowohl im ersten, als auch im fünften und sechsten Spiel des NBA-Viertelfinales hielt Nowitzki in den letzten Sekunden den Ball in den Händen und warf daneben. Doch in der siebten und entscheidenden Playoff-Begegnung der texanischen Lokalrivalen hatte Nowitzki in den entscheidenden Augenblicken einen klaren Kopf und ruhige Nerven: Zuerst erzwang mit einem Dreipunktewurf zum Ende der regülären Spielzeit die Verlängerung; und eine Viertelstunde später versenkte er mit völlig ruhiger Hand die beiden Freiwürfe, die die Mavericks ins Finale der Western Conference sowie den NBA-Titelverteidiger, die San Antonio Spurs, nach Hause schickten.


Es waren die Punkte Nummer 36 und 37 von Nowitzki in einem Spiel, dass die Mavericks mit unnachgiebiger Entschlossenheit angingen. Drei der sieben Spiele des Viertelfinales waren mit einer Differenz von einem oder zwei Punkten ausgegangen, zwei weitere mit nur fünf Punkten und die Mannschaft aus Dallas hatte keine Lust, es noch einmal knapp werden zu lassen. Und die Truppe des jungen Trainers Avery Johnson hatte auch nicht vor, im Entscheidungsspiel San Antonio den vermeintlichen Heimvorteil nutzen zu lassen. Dallas schockte den dreimaligen NBA-Champion in seiner eigenen Arena gleich in der ersten Halbzeit mit einer14 Punkte-Führung – das Spiel schien bereits gelaufen.

San Antonio erholte sich zwar von dem Schock – zum Ende der regulären Spielzeit stand es 104-104. Doch in der Verlängerung zeigten die Mavericks, dass sie zumindest im letzten Spiel des Duells die klar überlegene Mannschaft war und gewann am Ende mit 119 zu 111 deutlich.

Die Mavericks steuern nach diesem Erfolg geradewegs auf das NBA-Finale zu. „Dallas wird im Westen gewinnen“, sagte Ex-Star Charles Barkley am Montagabend noch bevor der Final-Gegner der Mavericks in der Western Conference im Spiel Los Angeles gegen Phoenix ermittelt war: „Dallas gegen San Antonio war schon das eigentliche Finale im Westen.“ Weder die L.A. Clippers noch die Phoenix Suns haben nach Ansicht der Experten auch nur annähernd die Klasse der beiden texanischen Teams.

Der Hauptgrund dafür, dass die Mavericks in diesem Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit um den Titel spielen, darüber ist man sich unter NBA-Beobachtern einig, ist ein sichtlich gereifter Dirk Nowitzki. „Er hat erkannt, dass das seine Mannschaft ist“, lobt Team-Besitzer Mark Cuban den Deutschen dafür, dass er in der zweiten Saison nach dem Weggang von Steve Nash und Michael Finley in Dallas nun endlich das Ruder übernommen hat. Noch im vergangenen Jahr wurde Nowitzki als die größte Enttäuschung der NBA-Playoffs bezeichnet. In dieser Saison ist er unter den im Meisterschaftskampf verbleibenden Stars neben Dwyane Wade aus Miami der dominante Spieler der Liga.

„Er ist extren aggressiv geworden“, lobt Trainer Avery Johnson seinen Spitzenspieler. Team-Besitzer Mark Cuban drückte das drastischer aus: „Früher haben wir ihn Irk genannt, weil er sich das D in seinem Namen für Defense (Verteidigung) nicht verdient hatte. Jetzt bekommt er für flagrante Fouls Strafen aufgebrummt.“ Nowitzki, dem noch vor den Playoffs vorgeworfen wurde, zu passiv zu sein, um ein Team zu führen, hat offenkundig seinen Biss gefunden. Nachdem er mit den Mavericks in sieben bis aufs Blut umkämpften Spielen den regierenden NBA-Champion besiegt hat, kann wahrlich kein Zweifel mehr an seinem Durchsetzungswillen und an seinen Führungsqualitäten bestehen.

Trainer Avery Johnson wollte seine Mannschaft immer nach dem Vorbild der San Antonio Spurs formen und Nowitzki beibringen, so zu spielen wie der Spurs-Superstar Tim Duncan. Jetzt haben Johnson und Nowitzki die Spurs und Duncan – die dominante Mannschaft der vergangenen Jahre – niedergerungen. Dabei sagte Duncan am Montag nach dem Spiel, dies sei die beste Serie gewesen, die er je gespielt hat. „Wir haben noch nicht die Meisterschaft gewonnen“, warnte Trainer Johnson danach vor verfrühter Euphorie. Man kann sich aber kaum vorstellen, wer die Mavericks noch daran hindern soll.

Sebastian Moll

Tuesday, May 16, 2006

Die Kinder von Chinatown


An der Shuan Wen School werden arme Einwandererkinder zu den Trägern der globalen Gesellschaft ausgebildet




Der Raum Nummer 114 in der Public School 184 an der New Yorker Lower East Side ist auf den ersten Blick ein Klassenzimmer wie jedes andere. Nur wenn man genau hinschaut, merkt man, dass hier alles ein wenig anders ist. Die Gesichter der 20 Kinder im Vorschulalter, die gerade auf einer Matte sitzen und gemeinsam mit ihrer Lehrerin ein Lied singen, weisen eine ungewöhnliche rassische Verteilung auf – die meisten hier sind asiatisch oder Schwarz, nur einige wenige sind weiß. An der Wand hängt eine große Tafel mit Abbildungen von Gegenständen – eine Kuh, ein Messer, ein Lastwagen. Darunter hängt jeweils in DinA4 Große das chinesische Schriftzeichen dafür. Die englische Vokabel hingegen ist nirgends nachzuschauen.

Lesen Sie weiter unter:
http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=883906

Wednesday, May 10, 2006

Geschundene Matrosen - die Volvo Weltumsegler sind zu müde um New York zu geniessen

Es muss ein Anblick zum Gänsehautkriegen gewesen sein, als die Crew der ABN Ambro One an der Freiheitsstatue vorbei in die New Yorker Bucht einbog und die trotz der nächtlichen Stunde hellerleuchtete Skyline von Manhattan vor den zehn Seglern aus dem Wasser wuchs. Doch die völlig erschöpften Sieger der sechsten Etappe und überlegenenen Gesamtführenden des Volvo Ocean Race hatten am Dienstag früh um vier Uhr kaum mehr Augen für den erhabenen Anblick, mit dem seit über Hundert Jahren die neue Welt Seereisende begrüßt.


Selbst als Skipper Mike Sanderson kurze Zeit später im kleinen Yachthafen am World Financial Center in Lower Manhattan die obligatorische Champagnerflasche zum Knallen brachte, bekam er nur ein angestrengtes Lächeln hin. Obwohl die Strecke von Baltimore mit 400 Meilen im Vergleich zu den Übersee-Etappen ein Sprint war, hatten die 40 Stunden entlang der nordamerikanischen Ostküste den Seglern alles abverlangt. „Ich brauche jetzt erst Mal zwölf Stunden Schlaf“, sagte Sanderson, der trotz des großen Gesamtvorsprungs der ABN Amro One von 23 Punkten noch immer nicht vom Gesamtsieg reden wollte. „Wir segeln ein Rennen nach dem anderen. Ich feiere erst, wenn mir jemand sagt, dass wir gewonnen haben.“

Auch bei der Crew von Sanderson überwog nach 40 Stunden Non-Stop Kampf gegen einen harschen Nordost-Wind die Müdigkeit. Nur schleppend räumten die Männer das Deck auf , einige konnten nur noch mit einem Kaffeebecher in der Hand am Bordrand sitzen und ins Leere stieren. „Die Bedingungen haben uns alles abverlangt“, sagte Mark Christensen, einer der Wachen-Leiter auf der ABN Amro One mit rotunterlaufenen Augen.

Gegenwinde von bis zu 50 Knoten hatten die Boote beim Kreuzen zwei Nächte lang wild durch den ruppigen Atlantik geschmissen. „Unter solchen Bedingungen muss man wissen, wann man draufhält und wann man sich lieber zurückhält“ sagte Christensen dazu, warum die ABN Amro One 23 Meilen vor allen anderen in Manhattan ankam. „Ich denke, wir haben heute die perfekte Balance gefunden.“

Anderen Booten erging es weniger gut. Das Schwesterboot der ABN Ambro One, die ABN Ambro Two etwa, die am späten Dienstagvormittag als letzte in New York ankam und sich durch ein dichtes Gewimmel von Fähren und Wassertaxis im New Yorker Hafen zum Ziel kämpfen musste. Zwei Mal war der Ambro Two das Focksegel gerissen und bei einem fauchenden Gegenwind Segel zu wechseln kostet Zeit, die man nicht mehr aufholen kann.

„Wir mussten jedes Mal 80 Grad vom Kurs abweichen. Das kostet jedes Mal 20 Minuten“, sagte der frutsrierte Taktiker des Bootes, Andrew Lewis. Die Ambro Two war durch den verunglückten Lauf nach New York vom zweiten auf den fünften Gesamtrang abgerutscht. Aber Boote wie die Pirates of the Carribean, die als Zweite in New York ankamen, hatten auch keinen angenehmeren Tag auf dem Wasser: „Wenn man die ganze Zeit bei solchen Winden kreuzt, ist man ständig damit beschäftigt, Segel zu wechseln“, erzählte Jerry Kirby von den Pirates, die nur knapp dem gleichen Schicksal entgingen, wie die Amro Two „Da hat man 40 Stunden lang nicht eine einzige Minute, um sich auszuruhen.“

So machte die totale Erschöpfung der Segler nach nur diesem kurzen Sprint in New York einmal mehr die Entscheidung der Rennleitung zum Thema, aus Kostengründen in diesem Jahr die Crews von zwölf auf zehn Mann zu reduzieren. „Diese Boote sind so unterbesetzt“, klagte Andrew Lewis von der Ambro Two, „dass man nicht genügend Männer hat, um die Segel runterzuholen. Man muss jedes Mal den Kurs wechseln.“

So waren die Crews der sechs Boote nach einer 40 Stunden-Schicht ohne Ruhepause am Dienstagfrüh eindeutig zu ausgelaugt, um über einen ausgiebigen Landgang in New York nachzudenken. Sebastien Josse von der ABN Amro Two etwa war im kleinen Hafenbecken direkt gegenüber von der Baugrube des Ground Zero so fertig, dass er nicht mehr Rekonstruieren konnte, an welchem Tag denn der Start zur nächsten, 3200 Meilen langen Etappe nach England ist: „Es ist nicht leicht die Zeit unter Kontrolle zu behalten , wenn man so müde ist.“ Die Zeit, das konnte man Josse verraten, ist gerade einmal lange genug, um sich auszuschlafen. Am Donnerstagfrüh geht die Zerreissprobe für Mensch und Material unerbittlich weiter.

New York nahm unterdessen die heroischen Weltenumsegler genauso wenig wahr, wie diese dazu in der Lage waren, die Stadt zu geniessen. Vielleicht ein Dutzend Segelenthusiasten hatten sich an den Segelhafen nahe des Battery Park, direkt gegenüber der Freiheitsstatue begeben, um die Helden zu begrüssen. Weitaus größer als der Zuschauerandrang war der normale Frühmorgens-Verkehr von Joggern und Hundespaziergängern am unteren Hudson. Die merkwürdigen Boote und die blassen Männer darin, vermochten es nicht, ihre besondere Aufmerksamkeit zu wecken. Es gibt in New York schließlich noch viel verrücktere Sachen.

Tuesday, May 09, 2006

Das Volvo Ocean Race kommt in New York an





mehr zum Rennen: www.volvooceanrace.org

Monday, May 08, 2006

Leben im Ghetto der tägliche Kampf

In der Regel trage ich mein Schicksal, im Ghetto zu wohnen, mit Fassung. Schließlich teile ich es mit den meisten meiner New Yorker Bekannten, die weder Rechtsanwälte noch Financiers sind. Wir trösten uns gegenseitig damit, dass das Leben in Harlem oder in der South Bronx sowieso viel authentischer, und, nun, eben lebendiger ist, als im parfümierten, hochgestylten Midtown oder Downtown. Hier oben wird wenigstens noch auf der Strasse Basketball gespielt und im Sommer bis spät in die Nacht vor der Tür gehockt und getratscht – anderswo hat man dafür zwischen 70 Stunden-Wochen, Cocktail-Parties und Power-Shopping keine Zeit mehr.


Manchmal wachsen einem die Härten der Existenz nördlich der Klassen- und Rassen-Grenze 110te Strasse dann aber doch über den Kopf. Wenn man etwa täglich darum kämpfen muss, seine abonnierte New York Times auch tatsächlich an den Frühstückstisch zu bekommen.

Im vornehmen Village oder auf der Upper West Side haben entweder die Zeitungsausträger Haustürschlüssel oder Portiers nehmen die Times in aller Herrgotttsfrühe in Empang. Im Ghetto geben hingegen wehrhafte Vermieter niemandem einen Schlüssel. Auch nicht der ehrenwerten Times. Portiers? Fehlanzeige.

So wird das Zeitungsbündel um etwa viertel nach Fünf einfach vor die Haustür geschmissen. Wenn man zu einer menschlichen Zeit, also etwa um halb acht, danach sucht, ist sie dann meistens weg. In den Bodegas hier oben gibt es keine Intelligenzblätter, deshalb ist der Diebstahl besonders gemein.

Also muss man entweder in den sauren Apfel beissen und um fünf aufstehen. Weil das aber eigentlich weit über die Grenzen des Machbaren hinaus geht, habe ich es mit allerlei anderen Strategien versucht. Eine Weile lang warf der Hausmeister vom Nachbarhaus, der um fünf den Müll auf die Strasse trug, gegen ein Trinkgeld die Zeitung über den Zaun zu unserer Kellertreppe. Das stellte sich jedoch als unzuverlässig heraus – auch vom Kellertreppenabgang wurde sie oft zwischen den Zaungittern herausgepult. Deshalb gab ich ihm einen Schlüssel zu unserem Hauseingang. Das funktionierte ein paar Wochen, bis eine alte Frau aus dem ersten Stock, die immer früh wach war, ihn und mich aus Langeweile und Geltungssucht bei der Verwaltung verpfiff.

Mittlerweile ist der gute Mann umgezogen. Ich habe mich nach anderthalb Jahren Kampf in mein Schicksal gefügt, im Halbschlaf auf die Strasse zu torkeln und den Zeitungsdieben zuvor zu kommen. Der Tag beginnt seither für mich regelmässig mit einem klassenkämpferischer Zorn auf den überblähten New Yorker Immobilienmarkt. Nach dem zweiten Kaffee und der halben Zeitung in meiner geräumigen Wohnküche legt sich das jedoch wieder. Dann erinnere ich mich daran, dass meine Wohnung 100 Blocks weiter südlich vermutlich das doppelte meines Einkommens kosten würde. Ein zu hoher Preis dafür, die Zeitung täglich an die Türschwelle zu bekommen.

Thursday, May 04, 2006

Angela Merkel in New York - Werben für den Standort Deutschland

Man kam sich im Gang vor dem großen Speisesaal des vornehmen New Yorker Hotels Pierre beinahe so vor wie auf einer Tourismusbörse. Beamte des deutschen Konsulats hatten einen Stand aufgebaut und verteilten an die Lunch-Gäste – hochrangige Führungskräfte der amerikanischen Wirtschaft – Reiseführer. „Deutschland – Land der Ideen“ hieß das Werk, das dem potenziellen Handlungsreisenden aus Amerika die Zentren eines modernen, technologisch und kulturell innovativen Deutschland der Gegenwart anpries.

Noch während die US- Wirtschaftsbosse eine Stunde später mit ihrem Nachtisch beschäftigt waren, verlieh die Bundeskanzlerin solchen Werbebemühungen persönlich Nachdruck. Dabei lobte sie die Bundesrepublik, wie schon das Buch zu ihrem Besuch, vor allem als Standort für Forschung und Entwicklung. Deutschland, so die Kanzlerin, habe schon immer von Ideen gelebt. Und dafür, dass das auch so bleibe, setze sie sich mit ihrer Regierung bedingungslos ein. Bis 2010 sollen 3% des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden.

Merkels Auftritt an der Fifth Avenue war ganz offenkundig Teil eines breit angelegten Bemühens, amerikanischen Firmen den Technologiestandort Deutschland schmackhaft zu machen. Erst gestern hatten sich Verkehrs- und Aufbauminister Wolfgang Tiefensee sowie Wirtschaftsminister Michael Glos in Berlin mit Boeing-Chef James McNerney getroffen, um ihn in seinen Plänen zu bestärken, seine Zusammenarbeit mit Siemens zu intensivieren.

Damit die Streitigkeiten, die das Boeing-Engagement in Europa derzeit noch erschweren, andere Investoren nicht abschrecken, betonte Frau Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede, dass die Bundesrepublik sich für den freien Wettbewerb und gegen Protektionismus einsetze. In der Verhandlungen vor der WTO um Subventionen durch EU-Staaten für Boeing und Airbus, so Merkel, gebe es große Erfolge zu verbuchen.

Ganz so leicht konnte Angela Merkel allerdings die Vorbehalte der amerikanischen Industrie nicht vom Tisch wischen. Am Vormittag hatte sie im Konferenzsaal im Keller des Pierre zusammen mit sechs Vertretern der deutschen Wirtschaft versucht, amerikanische Bosse wie Mark Hurd von Hewlett Packard, Neville Isdell von Coca Cola, Jeff Immelt von General Electric, Henry Paulsen von Goldmann Sachs oder Louis Camilleri vom Lebensmittelkonzern Atria von Deutschland zu begeistern. Der Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Fred Irwin, fasste die Gespräche anschließend jedoch als eher angespannt zusammen: „Es ist angesprochen worden, dass die Steuern in Deutschland zu hoch sind und das Arbeitsrecht zu kompliziert.“

Die Kanzlerin hat diese Vorbehalte vernommen und so bat sie sie in ihrer Lunch-Rede die US-Bosse um Geduld. „Eine Politik der kleinen Schritte“, so Merkel, das wisse sie, „sei sicherlich unamerikanisch.“ Die großen Ziele ihrer Regierung – Bürokratieabbau, Verbesserung der Infrastruktur, Senkung der Lohnzusatzkosten – seien jedoch leichter formuliert als durchgesetzt.

Merkel bekam in New York dieselbe Ungeduld mit ihrem Reformtempo zu spüren, die sie aus der Heimat schon kennt. So hatte am Vortag ihres Besuchs in New York das Wall Street Journal die deutsche Kanzlerin unter dem Titel gefeatured: „Merkel gewinnt Popularität, indem sie von ihren Versprechen abrückt.“ Die Deutschen, erklärte das Journal dem amerikanischen Leser, wollen keine radikalen Reformen und das wisse Angela Merkel genau.

Beim Lunch im Pierre tat Angela Merkel jedoch alles, um diesen Eindruck der Reformunwilligkeit zu zerstreuen. Beinahe trotzig ging sie dabei so weit, die amerikanische Regierung für deren zügellose Wirtschaftspolitik zu kritisieren. „Wir wollen unser Budget in Ordnung halten. Wir wollen dazu keine neuen Schulden aufnehmen, weil das unseren Investitionsspielraum einengt. Ich denke, da können die USA von uns lernen.“

Die Belehrung war ein Ausrutscher in einen Tonfall, den die deutsche Delegation in den USA eigentlich vermeiden wollte. „Wir sind hier, um für Deutschland zu werben und nicht um den Amerikanern zu sagen, was sie besser machen sollen“, hatte etwa noch kurz vor dem Mittagessen BDI-Präsident Jürgen Thumann gesagt. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld unterstrich, dass es vor allem darum gehe, „die transatlantischen Beziehungen wieder auf ihr traditionell gutes Niveau zu heben.“ Das, lobte er die Kanzlerin, habe Frau Merkel eigentlich „sehr schön gemacht.“

Bis auf die Kritik an der amerikanischen Haushaltspolitik war Angela Merkel auch sehr darum bemüht, die Gemeinsamkeiten zwischen den USA und Deutschland heraus zu stellen. Sie wieß auf das Volumen von 120 Milliarden Dollar amerikanischer Investitionen in Deutschland hin und auf die 500.000 Arbeitsplätze, die amerikanische Unternehmen in Deutschland schaffen. Vor allem aber strich sie die „gemeinsamen Werte der beiden Staaten“ heraus, die in einem „gemeinsamen Bild vom Menschen und von der Demokratie“ bestünden.

Auf der Grundlage dieser Werte müssten die USA und Europa nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich gemeinsam auftreten, indem sie etwa gegenüber neuen Mächten wie Indien und China eine gemeinsame Sprache sprechen. Frau Merkel möchte, dass Europa und die USA als kulturelle und wirtschaftliche Einheit in die Globalisierung marschieren. Und Deutschland soll dabei eine zentrale Rolle als Einiger spielen.