Monday, May 22, 2006

Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks im NBA Halbfinale

Das sollte Dirk Nowitzki nicht noch einmal passieren. Drei Mal hatten die Dallas Mavericks in dieser Serie gegen San Antonio verloren und jedes Mal hätte der Würzburger Forward der Mavericks die Gelegenheit gehabt, die Niederlage zu verhindern. Sowohl im ersten, als auch im fünften und sechsten Spiel des NBA-Viertelfinales hielt Nowitzki in den letzten Sekunden den Ball in den Händen und warf daneben. Doch in der siebten und entscheidenden Playoff-Begegnung der texanischen Lokalrivalen hatte Nowitzki in den entscheidenden Augenblicken einen klaren Kopf und ruhige Nerven: Zuerst erzwang mit einem Dreipunktewurf zum Ende der regülären Spielzeit die Verlängerung; und eine Viertelstunde später versenkte er mit völlig ruhiger Hand die beiden Freiwürfe, die die Mavericks ins Finale der Western Conference sowie den NBA-Titelverteidiger, die San Antonio Spurs, nach Hause schickten.


Es waren die Punkte Nummer 36 und 37 von Nowitzki in einem Spiel, dass die Mavericks mit unnachgiebiger Entschlossenheit angingen. Drei der sieben Spiele des Viertelfinales waren mit einer Differenz von einem oder zwei Punkten ausgegangen, zwei weitere mit nur fünf Punkten und die Mannschaft aus Dallas hatte keine Lust, es noch einmal knapp werden zu lassen. Und die Truppe des jungen Trainers Avery Johnson hatte auch nicht vor, im Entscheidungsspiel San Antonio den vermeintlichen Heimvorteil nutzen zu lassen. Dallas schockte den dreimaligen NBA-Champion in seiner eigenen Arena gleich in der ersten Halbzeit mit einer14 Punkte-Führung – das Spiel schien bereits gelaufen.

San Antonio erholte sich zwar von dem Schock – zum Ende der regulären Spielzeit stand es 104-104. Doch in der Verlängerung zeigten die Mavericks, dass sie zumindest im letzten Spiel des Duells die klar überlegene Mannschaft war und gewann am Ende mit 119 zu 111 deutlich.

Die Mavericks steuern nach diesem Erfolg geradewegs auf das NBA-Finale zu. „Dallas wird im Westen gewinnen“, sagte Ex-Star Charles Barkley am Montagabend noch bevor der Final-Gegner der Mavericks in der Western Conference im Spiel Los Angeles gegen Phoenix ermittelt war: „Dallas gegen San Antonio war schon das eigentliche Finale im Westen.“ Weder die L.A. Clippers noch die Phoenix Suns haben nach Ansicht der Experten auch nur annähernd die Klasse der beiden texanischen Teams.

Der Hauptgrund dafür, dass die Mavericks in diesem Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit um den Titel spielen, darüber ist man sich unter NBA-Beobachtern einig, ist ein sichtlich gereifter Dirk Nowitzki. „Er hat erkannt, dass das seine Mannschaft ist“, lobt Team-Besitzer Mark Cuban den Deutschen dafür, dass er in der zweiten Saison nach dem Weggang von Steve Nash und Michael Finley in Dallas nun endlich das Ruder übernommen hat. Noch im vergangenen Jahr wurde Nowitzki als die größte Enttäuschung der NBA-Playoffs bezeichnet. In dieser Saison ist er unter den im Meisterschaftskampf verbleibenden Stars neben Dwyane Wade aus Miami der dominante Spieler der Liga.

„Er ist extren aggressiv geworden“, lobt Trainer Avery Johnson seinen Spitzenspieler. Team-Besitzer Mark Cuban drückte das drastischer aus: „Früher haben wir ihn Irk genannt, weil er sich das D in seinem Namen für Defense (Verteidigung) nicht verdient hatte. Jetzt bekommt er für flagrante Fouls Strafen aufgebrummt.“ Nowitzki, dem noch vor den Playoffs vorgeworfen wurde, zu passiv zu sein, um ein Team zu führen, hat offenkundig seinen Biss gefunden. Nachdem er mit den Mavericks in sieben bis aufs Blut umkämpften Spielen den regierenden NBA-Champion besiegt hat, kann wahrlich kein Zweifel mehr an seinem Durchsetzungswillen und an seinen Führungsqualitäten bestehen.

Trainer Avery Johnson wollte seine Mannschaft immer nach dem Vorbild der San Antonio Spurs formen und Nowitzki beibringen, so zu spielen wie der Spurs-Superstar Tim Duncan. Jetzt haben Johnson und Nowitzki die Spurs und Duncan – die dominante Mannschaft der vergangenen Jahre – niedergerungen. Dabei sagte Duncan am Montag nach dem Spiel, dies sei die beste Serie gewesen, die er je gespielt hat. „Wir haben noch nicht die Meisterschaft gewonnen“, warnte Trainer Johnson danach vor verfrühter Euphorie. Man kann sich aber kaum vorstellen, wer die Mavericks noch daran hindern soll.

Sebastian Moll