Sunday, December 30, 2007

Held der kleinen Leute: Brett Favre wird US Sportler des Jahres

(Tagesspiegel, Sylvester 2007)

Es gab nicht eben viele Wohlfühlgeschichten im US-Profisport in diesem Jahr. Die großen Schlagzeilen handelten weniger von Triumphen und Heldentaten als von Skandalen: Der schwer Dopingverdächtige Barry Bonds schlug den ewigen Homerunrekord, wurde dabei erst ausgepfiffen und kurz darauf vor Gericht gestellt; Marion Jones mußte ihre Olympiamedaillen ebenso zurück geben, wie Floyd Landis sein Gelbes Trikot; und zum Jahresende bescherte Senator George Mitchell den Fans einen 300 Seiten starken Report, der dokumentierte, dass nicht ein einziges Team der Baseball-Liga dopingfrei ist.

Angesichts dieser Mangellage fiel die Wahl zum Sportler des Jahres nicht schwer. Die Jury des Magazins Sports Illustrated hatte keine große Auswahl mehr an Heroen. Wenn man sich in jener Trümmerlandschaft umsah, die die Skandale hinterließen, blieben nicht mehr viele Identifikationsfiguren übrig: Im Team der World Series-Champions Boston Red Sox stach ebenso wenig ein einzelner Spieler hervor, wie bei NBA-Meister San Antononio. Basketball Superstars wie Dirk Nowitzki und LeBron James hatten sich alle frühzeitig aus dem Meisterschaftskampf verabschiedet. Die NFL- Star-Quarterbacks Peyton Manning und Tom Brady waren zu blaß und zu glatt für die Auszeichnung. Und so kam eigentlich nur noch ein Mann dafür in Frage, den Titel der Weihnachtsausgabe von Sports Illustrated zu zieren: Brett Favre.

Der 38 Jahre alte Quarterback der Green Bay Packers spielt gerade die Saison seines Lebens. Nachdem man selbst in Green Bay im vergangenen Jahr hinter vorgehaltener Hand schon darüber sprach, daß der alternde dreifache MVP sich und dem Football-besessenen Städtchen an der kanadischen Grenze vielleicht lieber den Gefallen eines Rücktritts tun sollte, übertraf Favre in dieser Saison den ewigen Rekord für Touchdown-Pässe der Miami Dolphins-Legende Dan Marino – sowohl von der Anzahl der erfolgreichen Abgaben, als auch von den überwundenen Yards her. Die Packers haben die National Conference gewonnen, sich nach nur drei Saisonniederlagen bei zwölf Siegen seit langem einmal wieder frühzeitig für die Playoffs qualifiziert, und man traut ihnen zu, zum ersten Mal seit 1997 wieder bis in das Superbowl-Finale vorzudringen.

Es war allerdings nicht alleine dieses erstaunliche Comeback des Brummbären mit den mittlerweile ergrauten Bartstoppeln, das Favre zum unangefochtenen Spitzenkandidaten für die Wahl zum beliebtesten US-Athleten machte. Er war vor allem auch deshalb der offensichtliche Favorit, weil sich amerikanische Sportfans mit kaum einem anderen Sportler so einstimmig identifizieren wie mit Favre. Es gibt kaum jemanden, der sich auch nur ein bißchen für Football interessiert, der Favre nicht diesen dritten Frühling von Herzen gönnt – die Fans rivalisierender Teams eingeschlossen. Als Favre am 16. Dezember gegen St. Louis den Yard Rekord von Dan Marino übertraf, wurde das Spiel unterbrochen, und das ganze Stadion spendete Minuten lang Szeneapplaus- inklusive der Anhänger der heimischen Rams für die der Rekordpaß von Favre eine herbe 33-14 Niederlage bedeutete.

Favre hat es immer vermocht den Football-Freunden zu vermitteln, dass er einer von ihnen ist. Tom Brady, der Quarterback der unantastbaren New England Patriots, ist eine entrückte Touchdown-Maschine und ein Superstar im Hollywood Format. Favre hatte hingegen vom ersten Tag seiner Karriere die Aura des Typs von Nebenan: er hatte unübersehbare Ecken und Kanten, Höhen und Tiefen, an denen er seine Anhänger wohl oder über teilhaben ließ. Er hat in der Öffentlichkeit mit seiner Alkohol- und Medikamentensucht gerungen, er ist unter aller Augen vom spätpubertierenden Haudrauf zum Verantwortungsträger und Vorbild gereift. Er hat Todesfälle in der engsten Familie überwunden sowie die Krebserkrankung seiner Frau gemeistert.

Der Hauptgrund, warum sich nicht nur die ganze Region rund um Green Bay – tiefster Mittelwesten und ur-amerikanische Provinz – sondern mittlerweile die ganze Nation Favre so mögen, ist, dass er alle diese Schläge in den 17 Jahren seiner Karriere nie im Stillen und für sich ausgetragen hat. Er trug sein Leben und Leiden immer auf der Haut, ließ sich jedoch dabei durch nichts davon abhalten, trotzdem seinen Job zu erledigen. Egal, was mit ihm los war, er lief auf, auch wenn er offensichtlich nicht in bester Verfassung war. So hat er unter den Star-Quarterbacks die durchwachsendste Gesamtbilanz – keiner der Top-Männer hat so oft auch daneben geworfen. Aber Favre ist mit 251 ununterbrochen Profi Spielen in der Startaufstellung der Packers auch bei weitem der zuverlässigste Arbeitnehmer aller Zeiten in der NFL. Und das weiß der einfache Arbeiter auf der Tribüne zu würdigen.


So war das Spiel, das Favres Legende begründete wie kein anderes, nicht etwa das gewonnene Superbowl-Finale gegen New England von 1997. Es war vielmehr jene denkwürdige Vorstellung am 22. Dezember 2003 gegen die Oakland Raiders. Favre warf an einem Abend Pässe mit einer Gesamtlänge von 399 Yards und lieferte somit eine Galavorstellung ab. Seine Packers gewannen mit 41 zu 7. Trotzdem gaben auch die Raiders-Fans Favre stehende Ovationen. Am Abend zuvor war nämlich Favres Vater Irving genant „Big Irv“ gestorben. Favre hatte wieder einmal vor aller Augen durch seinen Schmerz hindurch gespielt und triumphiert. Fast jeder der 80,000, die damals dabei waren, hatte den ganzen Abend lang Tränen in den Augen.

Die Frage, die man sich in Green Bay und anderswo nun stellt, ist freilich, wie viele Spiele Favre ihnen trotz schmerzender Gelenke und immer länger werdenden Erholungsphasen wohl noch schenken wird. Favre weiß das selbst noch nicht, er nimmt die Dinge derzeit Spiel für Spiel. „Sicher würde ich gerne mit einem Superbowl Finale aufhören. Aber das muss nicht sein. Ich bin zufrieden mit meiner Karriere, so wie sie jetzt ist, da muss nichts mehr dazu kommen.“ Ohnehin, sagt Favre, seien es im Nachhinien nicht die großen Triumphe und die glorreichen Touchdowns, die hängen geblieben seien, sondern, „die schweren Zeiten, wenn ich Down war und Eins in die Fresse gekriegt habe. In diesen Zeiten habe ich mich selbst gefunden, deshalb waren es die wertvollsten Momente.“ Favres Fans werden das genauso sehen – und ihm, wann immer er auch abtritt vor allem dafür danken, dass er sie hat an diesen Momenten teil haben lassen.

Wednesday, December 19, 2007

Alles Neo-Liberale?

Vielen amerikanischen Linken sind Hillary Clinton und Barack Obama zu nahe der Mitte. Statt über Gender und Race wollen sie über Umverteilung und Armut reden ...


http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1260985

Monday, December 17, 2007

Und schon mischt Murdoch munter mit

Die Übernahme des Wall Street Journal durch den australischen Medienmogul ist ein herber Schlag für den US-Zeitungsmarkt

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1259313

Friday, December 14, 2007

Der Mitchell Report schockt die USA: Bericht über flächendeckendes Doping im Baseball veröffentlicht

Lesen Sie unter:

http://www.spiegel.de/sport/ussports/0,1518,523279,00.html

Thursday, December 13, 2007

Musikalische Diplomatie - Die New Yorker Philharmoniker spielen in Nordkorea

Es war ein ziemlicher Eiertanz, den Zarin Mehta auf der Bühne des Lincoln Center an der 66ten Strasse in Manhattan vollführte, wo er sonst so souverän dirigiert. Einmal nannte der Direktor der New Yorker Philharmoniker den Besuch seines Orchesters in Nordkorea, der in seinem Stammhaus am Dienstagvormittag offiziell bekannt gegeben wurde, den „Aufbruch in eine neue Ära des Verständnisses zwischen unseren Ländern.“ Dann wieder versuchte Mehta die Bedeutsamkeit des Konzertes in Pjöngjang am 26. Februar herunter zu spielen. Man werde nur Musik spielen und keine Politik, wiegelte er gegenüber der von der Sensation angelockten Journalistenschar ab.

Das Gastspiel eines amerikanischen Orchesters in Nordkorea ist natürlich nicht einfach nur irgendein Konzert, das weiß Mehta ganz genau. Und für den Fall, dass er tatsächlich die politische Dimension der Reise verdrängt gehabt haben sollte, erinnerte ihn der nordkoreanische Botschafter Pak Gil Yon im Lincoln Center daran: Dies sei ein „wichtiges Ereignis in der Geschichte der Beziehungen zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea und den USA“, wiederholte der Botschafter mehrmals, bevor er dem Orchester förmlich mitteilte, dass sein Land sich auf die Musiker freue. Er erntete dafür artigen aber verhaltenen Applaus. Für Überschwenglichkeiten war der Ton der Begegnung zu sehr von Furcht vor politischen Inkorrektheiten geprägt.

Schon vor dem Auftritt hatten hinter verschlossenen Türen Pak und Mehta sowie Orchestervorstand Paul Guenther vereinbart, keine Fragen zum Atomwaffenprogramm Nordkoreas zuzulassen – das Thema, das in den Vereinigten Staaten die meisten Menschen beschäftigt, wenn sie an das Regime von Kim Il Jung denken. Eine Diskussion darüber, so wurde man sich einig, würde die Pressekonferenz „über Gebühr“ politisieren. Und dann wäre womöglich auch die Frage laut geworden, die angesichts der ersten Reise einer amerikanischen Kultureinrichtung in dieses Land seit dem Koreakrieg wie eine rosaroter Elefant im Raum steht – nämlich wie inoffiziell der Besuch der Philharmoniker denn nun tasächlich ist. Es fällt ein wenig schwer der offiziellen Version zu trauen, dass es sich bei der Reise tatsächlich um eine direkte Einladung der koreanischen Regierung aus reiner Musikbegeisterung an die Philharmoniker handelt, die dann vom US-Aussenministerium lediglich abgesegnet wurde. Angeblich flatterte im vergangenen Sommer ein Brief aus Pjöngjang ins Lincoln Center, übersandt von einen Mittler in Kalifornien. Loren Mehta legte den Brief dann den amerikanschen Behörden vor, die das Projekt begeistert unterstützten, weil sie darin eine „noch nie da gewesene Öffnung“ von Kim Il Jungs Regime sahen. Doch es kursieren auch andere Versionen. Seit Wochen gibt es Spekulationen, dass der Aufttritt das Ergebnis einer Geheimdiplomatie zwischen den USA und Nordkorea ist, die eine Entspannung der bilateralen Beziehung einleiten soll, ohne dass eine der Parteien ihr Gesicht verliert.

Ob die Tour nun eingefädelt war oder nicht – sie ist für Washington in jedem Fall eine Gelegenheit, die eigene Außenpolitik als Erfolg darzustellen. Es wird nicht schwer sein, die Tournee in den USA als Folge des in der zweiten Amtsperiode Bush vorherrschenden Pragmatismus darzustellen, der immerhin auch schon dazu geführt hat, dass Nordkorea sich in der Frage seiner atomaren Abrüstung ein wenig einsichtiger zeigt. Allerdings kann Nordkorea die Reise ebenfalls als Propaganda-Erfolg verbuchen. So sagte der amerikanische Wissenschaftler Brian Myers, der in Südkorea lebt, gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP, dass der Besuch in den nordkoreanischen Medien mit Sicherheit als Unterwerfungsgeste Amerikas gegenüber Kim Il Jung dargestellt werden wird. „Es wird ein Kinderspiel, das Ganze als eine Art Pilgerfahrt zu zeichnen, mit dem einzigen Ziel, dem großen Diktator zu gefallen.“

Aber vielleicht ist ja auch die Kunst gegenüber allen Versuchen der Inanspruchnahme durch die Propaganda von beiden Seiten letztlich resistent.Vielleicht sät ja tatsächlich das Spielen von Dvorak, Wagner und George Gershwin in Pjöngjang unabhängig von der Politik Keime, die sich nicht so einfach wieder vernichten lassen. Wie man hört, spielt man in Nordkorea derzeit noch vorwiegend Akkordeon und Marschmusik. Da kann, wie Loren Mehta hoffnungsvoll sagt, tatsächlich „eine kleine Symphonie ein großer Schritt“ sein.

Sebastian Moll

Tuesday, December 11, 2007

Das beste Football Team aller Zeiten? Der einmalige Triumphzug der New England Patriots

Lesen Sie unter:

http://www.tagesspiegel.de/sport/;art272,2437566

Friday, December 07, 2007

Nicht Schwarz, nicht Weiß - Barack Obama und der Diskurs der "Blackness"

(Literaturen, Nr. 11 - 07)

Es war schon ziemlich niederträchtig, was Henry Louis Gates Jr. da kürzlich vor laufenden Kameras mit der schwarzen TV-Talkerin Oprah Winfrey anstellte. Erst konfrontierte der Dekan des Fachbereichs für Afro-Amerika-Studien an der prestigereichen Harvard-Universität den Medienstar mit dem Ergebnis einer hochmodernen DNA-Analyse, derzufolge Winfrey von dem Volk der Kpelle in Liberia abstammt und nicht etwa, wie sie sich das gewünscht hatte, von den stolzen Zulu. Dann schleppte Gates Winfrey für seine TV Serie „African American Lives“ auch noch nach Liberia zu einer reichlich beklemmenden „Wiedervereinigung“ mit ihren Vorfahren, die offenkundig mit ihr genauso wenig anzufangen wussten, wie umgekehrt.

Auf diesen Effekt hatte Gates offensichtlich gezählt. Schließlich begründete er seinen Ruf als Kulturwissenschaftler nicht zuletzt damit, dass er so etwas wie „schwarzer Identität“ jegliche Essenz absprach. In seiner berühmt gewordenen Studie des Romans „Der unsichtbare Mann“ von Ralph Ellison beschrieb Gates, wie „Unsichtbarkeit“ die einzig lebbare Daseinsform für Schwarze in der amerikanischen Gesellschaft ist. Unsichtbarkeit ist für Gates das Ziel jener Kunst der Parodie, mit der Afro-Amerikaner in ihren kulturellen Äußerungen die dominanten Klischees von „Schwärze“ als leer entlarven und mit ihnen auch alle anderen griffigen Konstruktionen ethnischer, rassischer und sonstiger Sub-Identitäten innerhalb des amerikanischen Schmelztiegels.

Weil er vorgefertigten Konstruktionen schwarzer Identität grundsätzlich mißtraut, kann Gates wohl auch prächtig damit leben, daß sein eigener DNA-Tests ihn als Nachfahre von irischen und jüdischen Einwanderern ausweist. „Dann muss ich wohl meinen Job aufgeben“, scherzte der Sohn eines schwarzen Papierfabrikarbeiters aus den Bergen von West Virginia, als er von dem Ergebnis hörte. Gates hat freilich nichts dergleichen vor. Die spezifische Kultur, die Nachkommen afrikanischer Sklaven in den USA geschaffen haben, ist für ihn zwar ein Studienobjekt endloser Faszination. Das sentimentale Bedürfnis schwarzer Amerikaner, sich nach dem kruden Vorbild von Marcus Garvey oder Malcolm X mit ihren verlorenen schwarz-afrikanischen Wurzeln zu identifizieren, hält Gates hingegen offenkundig für naiv.

Die neuen Möglichkeiten der DNA-Analyse und des Abgleichs von Erbmasse mit rasant wachsenden Datenbanken sind für Anti-Essentialisten wie Gates bestenfalls Anlaß zu süffisantem Sarkasmus. So legte in einer der jüngsten Ausgaben der politischen Wochenzeitschrift „The New Republic“ auch der Harvard-Psychologe Steven Pinker dar, wie all diese Sucherei nach Wurzeln zwangsläufig ins Leere läuft. Oprah Winfrey etwa, so Pinker, habe nicht entdeckt, dass sie eine Kpelle ist, sondern lediglich, dass sie zu einem 256tel Kpelle ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach enthalten ihre Zellen zu einem ebenso hohen Anteil wie Kpelle-DNA beispielsweise schottische oder deutsche DNA. Über ihre Identität sagen die liberianischen Mitochondrien jedenfalls nur wenig aus. Jenseits der unmittelbaren Familienbande, so Pinker, lässt sich über die derzeit so beliebten DNA-Abgleiche lediglich feststellen, dass wir letztlich alle irgendwie verwandt sind.

Diese Einsicht ist freilich eine Provokation in einem Land, in dem Ahnenforschung eine nationale Obsession ist. Nach dem Gärtnern, berichtete jüngst der „New Yorker“, ist das Erstellen von Stammbäumen das beliebteste Hobby in den USA: 120 Millionen Amerikaner geben sich diesem Zeitvertreib hin. Im Internet ist Genealogie das am zweitmeisten nachgefragte Sachgebiet nach der Pornografie. Ahnenforschungs-Webseiten wie Familysearch.com und ancestry.com verzeichnen Besucherzahlen, die in die Milliarden gehen. Offenbar hat die amerikanische Ideologie vom Grundrecht, sich von Wurzeln zu lösen und neu zu erfinden, einen massiven Gegentrend ausgelöst.

Das Credo, daß amerikanische Identität gemacht und nicht gefunden wird, wird in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion allerdings nicht nur durch die Absurdität der DNA-gestützten Ahnenforschung unterstrichen, von der selbst die Betreiberin des erfolgreichsten Dienstleisters auf dem Gebiet ancestry.com, Megan Smolenyak, sagt, sie „bedeute überhaupt nichts.“ Mindestens ebenso stellt die Präsidentschaftskandidatur von Barack Obama sämtliche sicher geglaubten amerikanische Sub-Identitäten in Frage. Obama ist nicht weiß, er ist nicht schwarz. Sein Vater ist Kenyaner, seine Mutter weiße Amerikanerin. Er ist auf Hawaii aufgewachsen und seine DNA-Analyse hat ergeben, daß sich unter seinen Vorfahren unter anderem Sklavenhalter befanden.

Die schwarze Intellektuelle und Publizistin Debra Dickerson hat Obama deshalb in einem provokanten Essay seine „Schwärze“ abgesprochen. Die Polemik wurde Dickerson als Versuch ausgelegt, den Senator unter der schwarzen Wählerschaft zu diskreditieren und ihm seine Legitimität abzusprechen, wenn er sich für schwarze Bürgerrechte einsetzt. Doch das Gegenteil ist der Fall – Dickerson ist davon begeistert, dass sich Obama nicht auf eine vorgefertigte „schwarze Identität“ festnageln lässt.

Schwarz zu sein bedeutet für Dickerson nämlich - gar nichts. Wie Frau Winfrey beglückt grinsend durch ein Kpelle-Dorf zu laufen und zu glauben, man habe seinen Urspung gefunden, das hat Dickerson schon 2004 in ihrem Buch „The End of Blackness“ geschrieben, zeige nur, dass man noch immer „die Plantage im Kopf“ hat. Es bedeute, sich selbst durch die Brille von Rassisten und Kolonialisten zu sehen. Mit solcher Selbstsicht stehe das schwarze Amerika sich jedoch vor allem selbst im Weg. Jeder, der auf die „riesige Entschuldigungs-Karte“ für 400 Jahre Sklaverei und Unterdrückung warte, die alle weißen Amerikaner unterschrieben haben, warte vergeblich. Stattdessen solle das schwarze Amerika seine Chancen nutzen, Chancen, die heute viel größer sind, als schwarze Aktivisten glauben machen wollen.

Wenn Dickerson Obama seine „Schwärze“ abspricht, meint sie das mitnichten als Kritik. Das verwirrt im Kontext der festgefahrenen Rassendiskurse in Amerika so manch einen. Aber vielleicht ist Verwirrung ja genau das, was diese Diskurse brauchen.

Sunday, December 02, 2007

Reiner Jazz - Das New Mueum eröffnet auf der Bowery

Lesen Sie unter:


http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1252005