Thursday, December 13, 2007

Musikalische Diplomatie - Die New Yorker Philharmoniker spielen in Nordkorea

Es war ein ziemlicher Eiertanz, den Zarin Mehta auf der Bühne des Lincoln Center an der 66ten Strasse in Manhattan vollführte, wo er sonst so souverän dirigiert. Einmal nannte der Direktor der New Yorker Philharmoniker den Besuch seines Orchesters in Nordkorea, der in seinem Stammhaus am Dienstagvormittag offiziell bekannt gegeben wurde, den „Aufbruch in eine neue Ära des Verständnisses zwischen unseren Ländern.“ Dann wieder versuchte Mehta die Bedeutsamkeit des Konzertes in Pjöngjang am 26. Februar herunter zu spielen. Man werde nur Musik spielen und keine Politik, wiegelte er gegenüber der von der Sensation angelockten Journalistenschar ab.

Das Gastspiel eines amerikanischen Orchesters in Nordkorea ist natürlich nicht einfach nur irgendein Konzert, das weiß Mehta ganz genau. Und für den Fall, dass er tatsächlich die politische Dimension der Reise verdrängt gehabt haben sollte, erinnerte ihn der nordkoreanische Botschafter Pak Gil Yon im Lincoln Center daran: Dies sei ein „wichtiges Ereignis in der Geschichte der Beziehungen zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea und den USA“, wiederholte der Botschafter mehrmals, bevor er dem Orchester förmlich mitteilte, dass sein Land sich auf die Musiker freue. Er erntete dafür artigen aber verhaltenen Applaus. Für Überschwenglichkeiten war der Ton der Begegnung zu sehr von Furcht vor politischen Inkorrektheiten geprägt.

Schon vor dem Auftritt hatten hinter verschlossenen Türen Pak und Mehta sowie Orchestervorstand Paul Guenther vereinbart, keine Fragen zum Atomwaffenprogramm Nordkoreas zuzulassen – das Thema, das in den Vereinigten Staaten die meisten Menschen beschäftigt, wenn sie an das Regime von Kim Il Jung denken. Eine Diskussion darüber, so wurde man sich einig, würde die Pressekonferenz „über Gebühr“ politisieren. Und dann wäre womöglich auch die Frage laut geworden, die angesichts der ersten Reise einer amerikanischen Kultureinrichtung in dieses Land seit dem Koreakrieg wie eine rosaroter Elefant im Raum steht – nämlich wie inoffiziell der Besuch der Philharmoniker denn nun tasächlich ist. Es fällt ein wenig schwer der offiziellen Version zu trauen, dass es sich bei der Reise tatsächlich um eine direkte Einladung der koreanischen Regierung aus reiner Musikbegeisterung an die Philharmoniker handelt, die dann vom US-Aussenministerium lediglich abgesegnet wurde. Angeblich flatterte im vergangenen Sommer ein Brief aus Pjöngjang ins Lincoln Center, übersandt von einen Mittler in Kalifornien. Loren Mehta legte den Brief dann den amerikanschen Behörden vor, die das Projekt begeistert unterstützten, weil sie darin eine „noch nie da gewesene Öffnung“ von Kim Il Jungs Regime sahen. Doch es kursieren auch andere Versionen. Seit Wochen gibt es Spekulationen, dass der Aufttritt das Ergebnis einer Geheimdiplomatie zwischen den USA und Nordkorea ist, die eine Entspannung der bilateralen Beziehung einleiten soll, ohne dass eine der Parteien ihr Gesicht verliert.

Ob die Tour nun eingefädelt war oder nicht – sie ist für Washington in jedem Fall eine Gelegenheit, die eigene Außenpolitik als Erfolg darzustellen. Es wird nicht schwer sein, die Tournee in den USA als Folge des in der zweiten Amtsperiode Bush vorherrschenden Pragmatismus darzustellen, der immerhin auch schon dazu geführt hat, dass Nordkorea sich in der Frage seiner atomaren Abrüstung ein wenig einsichtiger zeigt. Allerdings kann Nordkorea die Reise ebenfalls als Propaganda-Erfolg verbuchen. So sagte der amerikanische Wissenschaftler Brian Myers, der in Südkorea lebt, gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP, dass der Besuch in den nordkoreanischen Medien mit Sicherheit als Unterwerfungsgeste Amerikas gegenüber Kim Il Jung dargestellt werden wird. „Es wird ein Kinderspiel, das Ganze als eine Art Pilgerfahrt zu zeichnen, mit dem einzigen Ziel, dem großen Diktator zu gefallen.“

Aber vielleicht ist ja auch die Kunst gegenüber allen Versuchen der Inanspruchnahme durch die Propaganda von beiden Seiten letztlich resistent.Vielleicht sät ja tatsächlich das Spielen von Dvorak, Wagner und George Gershwin in Pjöngjang unabhängig von der Politik Keime, die sich nicht so einfach wieder vernichten lassen. Wie man hört, spielt man in Nordkorea derzeit noch vorwiegend Akkordeon und Marschmusik. Da kann, wie Loren Mehta hoffnungsvoll sagt, tatsächlich „eine kleine Symphonie ein großer Schritt“ sein.

Sebastian Moll