Der gefallene Held - Barry Bonds drohen 30 Jahre Gefängnis und das jähe Karriereende
Dass jeder irgendwann von der Lüge eingeholt wird ist ein schöner Glaubenssatz, gültig alleine in einer Welt die besser ist, als diese. Für den Sport galt dieser Satz jedenfalls bislang nicht – sonst würde etwa Lance Armstrong nicht auf seiner Ranch in Texas sitzen und seine Millionen zählen und auch Jan Ullrich dürfte nicht hoffen, sich noch ohne Zivilstrafe aus seinen Dopingaffären ziehen zu können. Im US-Sport scheint sich die Utopie einer letztlich doch noch gerechten Welt jedoch nach und nach zu bewahrheiten: Nach Olympiasprinterin Marion Jones wird nun auch Baseballstar Barry Bonds nach Jahren des Leugnens von seinen Dopingbetrügereien eingeholt.
Am Donnerstag wurde Bonds, der erst im vergangenen August den ewigen Homerunrekord Hank Aaarons überbot, durch ein Bundesgericht in San Francisco angeklagt. Der Vorwurf ist allerdings nicht etwa die Einnahme oder der Erwerb von Anabolika, gegen die es keine rechtliche Handhabe gibt. Bonds wird dafür zur Verantworung gezogen, dass er 2003 als Zeuge im Verfahren gegen die kalifornische Firma BaLco wegen Vertriebs von Dopingmitteln im großen Stil Meineid begangen hatte. Bonds hatte damals mehrfach beteuert, niemals selbst etwas mit Anabolika zu tun gehabt zu haben. Jetzt wollen die kalifornischen Ankläger jedoch Beweise dafür haben, dass Bonds damals gelogen hat. Wenn die Anklage Erfolg hat, könnte Bonds bis zu 30 Jahre hinter Gitter wandern.
Noch ist nicht klar, welche Beweise die Staatsanwaltschaft jetzt hat, die sie nicht schon seit Jahren besitzt. Beobachter weisen allerdings auf den Umstand hin, dass die unabhängige Untersuchungskommission über Dopingpraktiken im Baseball unter Senator George Mitchell erst vor einer Woche ihre Ermittlungen abgeschlossen hat und sich derzeit daran macht, ihren Bericht zu verfassen. Irgendjemand, der in der Kommission mitarbeitet, scheint allerdings der Veröffentlichung schon seit einiger Zeit vorzugreifen und gezielt Ermittlungs-Zwischenstände an Journalisten und Staatsanwälte weiter zu geben. So wurde erst vor drei Wochen bekannt, dass Paul Byrd von den Cleveland Indians für 25,000 Dollar Wachstrumshormon bei einer Klinik in Florida eingekauft hat. Die Infornmation konnte eigentlich nur aus den Mitchell-Protokollen stammen. Aus derselben Quelle, wird nun gemutmasst, stammen die neuen Beweise gegen Bonds.
Auf jeden Fall ist die Anklage gegen Bonds nach der Überführung von Marion Jones ein weiterer Erfolg der US-Behörden im Anti-Doping-Kampf, den sie den trägen Institutionen des amerikanischen Sports aus der Hand genommen haben, seit 2003 der BaLco Skandal platzte. Kurz danach wurde die Mitchell-Kommission gegründet und Staatsanwälte im ganzen Land taten sich zusammen, um konzertiert Doping-Netzwerke und Vertriebsstrukturen aufzudecken. Nur diesen Bemühungen ist es zu verdanken, dass Bonds nun endlich aus dem Verkehr gezogen werden kann. Der Chef der Baseball-Liga, Bud Selig, schaute indes zwar mißmutig aber tatenlos zu, wie Bonds den Rekord von Aaron brach, während er in jedem Stadion ausgepfiffen wurde und das Image der Liga mit jedem Homerun ein Stück mehr zerdepperte.
Jetzt ist Selig jedoch Bonds dank der Staatsanwälte endgültig los. Obwohl er noch immer einer der besten Spieler der Liga ist, wollten die San Francisco Giants nach der vergangenen Saison Bonds’ Vertrag nicht verlängern. Sollte es bislang Teams gegeben haben, die trotz des PR-Risikos noch versucht waren, den mittlerweile recht preisgünstigen Star anzuheuern, dürften sie sich seit Donnerstag derartige Gedanken aus dem Kopf geschlagen haben. Ein Spieler mit einer Anklage vor einem Bundesgericht ist nicht mehr vermittelbar.
Der bullige Schlagmann aus Kalifornien wird sich derweil, falls er aller Evidenz zum Trotz auch nur zu einem Funken von Selbstkritik fähig ist, angesichts seines jähen Laufbahn-Endes über seine Dummheit grämen. Sein Mitverdächtiger in der BalCo-Geschichte Jason Giambi hatte 2003 bei seiner Zeugenaussage zugegeben, dass er gedopt hatte. Da die Liga zum Zeitpunkt des Delikts noch kein nennenswertes Dopingreglement besaß, wurde Giambi nicht gesperrt und so spielt er weiterhin unbehelligt bei den New York Yankees Baseball. Man hat ihm verziehen. Bonds hingegen ist schon längst für alle Freunde des Sports eine Haßfigur – nicht zuletzt, weil er kaltschnäuzig seinen ehemaligen Trainer Greg Andersen anderthalb Jahre lang wegen Verweigerung der Aussage hinter Gittern schmoren ließ, um ungestört seinen Rekord aufstellen zu können. Am Donnerstag ist Andersen nun freigelassen worden. Man braucht ihn nicht mehr, jetzt hat man ja Bonds selbst am Schlafittchen. Alles Lügen und Leugnen hilft ihm nun wohl nichts mehr – es ist nur noch das traurige Symptom einer schweren Soziopathologie.
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