Monday, October 22, 2007

Katastrophenhilfe oder Zynismus: Neue US Krimiserie spielt im zerstörten New Orleans

Es gibt wohl kaum eine Kulisse, die sich für Krimis so gut eignet, wie eine zerstörte Stadt. Die düstere Atmosphäre, die zerstörte Straßenzüge ausstrahlen, die unzähmbare Anarchie, die unweigerlich in einer Trümmerlandschaft ausbricht – das sind unwiderstehliche Zutaten zu formidablen Thrillern. Und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ein abenteuerlustiger Produzent ein Kamerateam in das erbittert um seine Zukunft ringende New Orleans schickt.

Der einzige Grund, warum noch nicht mehr Filmemacher dieser Versuchung erlegen sind, ist wohl, daß man sich an dem politisch hoch aufgeladenen Thema New Orleans in den USA noch immer leicht die Finger verbrennt. TV-Produzent Jonathan Lisco hat zwei Jahre, nachdem die Wasser des Lake Pontchartrain durch den Deich an der 17. Straße brachen, dieses Risiko auf sich genommen und prompt dafür von allen Seiten Prügel bezogen. Seine Krimiserie „K-Ville“ (wie Katrina-Ville), die in der vergangenen Woche auf dem Kabelkanal Fox anlief, wurde von der amerikanischen Kritik in der Mehrheit verrissen.

Die größte Klage der Rezensenten war dabei, daß Lisco recht konventionelle Räuber- und Gendarm-Geschichten erzähle. Die Episoden könnten genauso gut in New York, Los Angeles oder Las Vegas spielen und es sei bedauerlich, so der Tenor, daß Lisco nicht mehr aus New Orleans gemacht habe. Die Stadt und ihr besonderes Spannungsfeld, ihr post-apokalyptisches, morbides Ambiente und ihre besonderen Probleme, so die Kritik, kämen hinter allzu ausführlichen und zum Überdruß vertrauten Schießereien und Autojagden nicht so recht zum Zug. Die gepeinigte Stadt verdiene eine angemessenere, weniger klischierte Behandlung, fand der San Francisco Chronicle, ein „beliebiger Nullachtfünfzehn Krimi“, sei die Serie, moserte der Chicago Tribune und USA Today fand „K-Ville“ gar geschmacklos. Vielleicht, fragte sich der Kritiker der auflagenstärksten US-Zeitung angesichts der Beliebigkeit der Plots und der Vertrautheit der Ästhetik, solle man New Orleans bis auf weiteres gänzlich vor der Verwurstung druch die Massen-Unterhaltungsindustrie schützen.

Kurioserweise beschwerten sich diejenigen am wenigsten, die dem Thema am Nähesten stehen. Dave Walker, der Kritiker der New Orleaner Tageszeitung Times Picayune – die für ihre heroische Berichterstattung während des Hurrikans mit einem Pulitzer ausgezeichnet wurde – wollte zunächst einmal fest halten, daß man im Big Easy für die etwa 17 Millionen Dollar, die die Dreharbeiten in die örtliche Wirtschaft gepumpt hätten, ausgesprochen dankbar sei. Ansonsten war Walker gegenüber „K-Ville“ hin- und her gerissen. Gut fand er, daß die Sendung New Orleans davor bewahre, vom nationalen Radar zu verschwinden. Kritisch stimmte ihn lediglich, weniger als das Abrufen bekannter Krimi-Konventionen, die Tatsache, daß New Orleans in K-Ville als „dauerhaft verstümmelte“ Stadt gezeigt werde, „in der die Gesetzlosigkeit vollkommen außer Kontrolle“ geraten sei.

So möchte New Orleans nicht gesehen werden, denn schließlich ist der Tourismus der bislang noch einzig halbwegs intakte Wirtschaftszweig der Stadt. Da ist es wenig zuträglich, daß selbst die Hauptfigur der Serie, der schwarze Kommissar Marlin Boulet, nicht nur gegen die Widerstände seiner Freunde und Familie sondern vor allem auch gegen sich selbst ankämpft, New Orleans nicht zu verlassen. „Die Stadt wird nie mehr wieder so werden, wie sie war“, versucht seine Frau den psychisch und körperlich zutiefst erschöpften Detective davon zu überzeugen, anderswo neu anzufangen. „Nicht, wenn niemand mehr dafür kämpft“, entgegnet Boulet trotzig.

Der Konflikt zwischen dem schier aussichtslosen Kampf um die wahrscheinlich unwiderbringlich versunkene einstige Heimat und der Versuchung, einfach alles hinter sich zu lassen, ist das trotz aller nervenden branchenüblichen Pyrotechnik doch klar erkennbare Leitmotiv von „K-Ville“. So schafft es Boulet nicht, sich nicht mit seinem ehemaligen Partner zu versöhnen, der während der schweren Tage unmittelbar nach der Flut die Nerven verlor und einfach davon fuhr. Boulet gibt dem Ex-Kollegen zu verstehen, daß er den Impuls, zu fliehen, nachvollziehen kann – verzeihen kann er die Flucht dennoch nicht. Denn wenn er das könnte, würden wohl seine eigenen mühsam aufrecht erhaltenen Dämme gegen die Versuchung, sich aus dem Staub zu machen, brechen.

Diese Charakterisierung von Boulet steht offenkundig stellvertretend für den Seelenzustand einer Stadt, die sich wider den Verstand gegen ihren endgültigen Untergang stemmt. Herr Lisco will Amerika an das ermattete und verzweifelte New Orleans erinnern, über das sonst kaum jemand mehr reden mag. Die quietschenden Reifen und die Schießereien sind dabei sicher überflüssig. Aber sie garantieren immerhin einen Sendeplatz zur besten Zeit auf einem großen Kabelkanal.