Wednesday, October 03, 2007

Schwarze als "primitiv" gezeichnet - US TV Serie Cavemen provoziert Bürgerrechtler

Dem US-Autoversicherer Geico ist etwas gelungen, womit sich die Assekuranz-Branche gewöhnlich nicht eben leicht tut. Mit seiner jüngsten TV-Kampagne hat Geico den konservativen Muff abgeschüttelt, der traditionell dem Gewerbe anhaftet und sich als pfiffig, ja sogar als Hip positioniert. Alle Spots ihrer „Caveman“-Serie sind Instant-Klassiker auf Youtube, die Figuren darin – drei ins moderne Amerika verpflanzte Neanderthaler - sind so kultig, daß sich auf Hollywood-Parties und auf der Tribüne bei Baseball-Spielen die Leute zu Heerscharen als Höhlenmenschen verkleiden. So gut haben die „Cavemen“ eingeschlagen, daß das Fernsehnetzwerk ABC ab 2. Oktober mit den drei Primitiven sogar seine Sitcom-Serie startet.

Der Humor der Spots und mutmaßlich auch der Serie beruht auf einer simplen Prämisse: Hinter ihrem vorzeitlichen Äußeren sind Nick, Joel und Andy hoch kultiviert. Sie lesen Tolstoi, spielen Golf, bestellen in ausgesuchten Restaurants Dinge wie Bratente an Mango-Salsa und gehen wie die überwiegende Mehrheit der urbanen US-Elite zum Psychoanalytiker. Alleine wegen ihrer extravaganten Schädelform schaffen sie es jedoch nicht, das Vorurteil der Primitivität abzuschütteln. Und das wiederrum führt zu allerlei tragikomischen Begebenheiten.

So arbeitete im ersten Spot Neanderthaler Nick als Tontechniker an der Aufnahme einer Autoversicherungs-Werbung, bei der der Sprecher den Vertragsabschluss als „so einfach“ anpreist, daß „sogar ein Höhlenmensch“ das hinbekomme. Pikiert schmeißt Nick das Mikrofon hin und stiebt aus dem Studio. Die folgenden Spots spinnen die paradoxe Komik des zivilisierten Wilden immer weiter: Bei einem Abendessen in einem trendigen Lokal versuchen sich die Versicherungs-Manager bei Nick zu entschuldigen, nur um sich dabei in weitere diskriminierende Äußerungen zu verheddern. Das gleiche Schicksal widerfährt Nicks Therapeutin, als sie versucht, die Ursache seiner Depressionen – die permanente Diskriminierung nämlich herunter zu spielen. Und so weiter.

Die Kritik findet das allerdings überhaupt nicht zum Schmunzeln. Bei der Präsentation der TV-Serie Ende Juli war die Atmosphäre alles andere als heiter. Mit den „Höhlenmenschen“, entrüsteten sich die Reporter, das sei ja wohl klar, seien nicht Neanderthaler sondern schwarze Amerikaner gemeint und deren Darstellung als primitiv verstärke auf unverantwortliche Art und Weise rassische Vorurteile. Daß mit den Cavemen eigentlich Menschen dunkler Hautfarbe gemeint seien sei deutlich daran abzulesen, daß sich Nick, Andy und Joel in der Pilot-Episode an den gleichen Klischees abarbeiten müssen, wie gewöhnlich Afro-Amerikaner – daß sie besonders begabte Athleten seien etwa oder besonders gut im Bett.

Das hatten die Produzenten Josh Gordon und Mike Schiff so nicht erwartet. Im Gegenteil - eigentlich dachten sie, ihre Serie sei besonders „PC“ weil sie ja rassische Stereotypen gerade ad Absurdum führt. Und so versuchten sie sich stammelnd herauszureden, in dem sie behaupteten, sie hätten bei der Konzeption der Serie selbstverständlich keine bestimmte ethnische Gruppe im Sinn gehabt. Es sei ihnen vielmehr um eine Art allgemeiner Entfremdungserfahrung gegangen .

Das kauft Gordon und Schiff allerdings niemand so recht ab. „Es ist völliger Unsinn, daß die Produzenten nicht gezielt mit bestimmten Stereotypen spielen“, sagte etwa die schwarze Publizisten Debra Dickerson, die sich in ihren Büchern und Essays mit dem Stand der Rassenbeziehungen in den USA beschäftigt, gegenüber Spiegel Online. Trotzdem kann Dickerson jedoch nicht verstehen, worüber sich die ach so rechtschaffenen Reporter aufregen. „Die Serie ist ganz offensichtlich sowohl von der Machart her, als auch intellektuell billig“, so Dickerson. „Darauf darf man doch gar nicht einsteigen.“ Die Leute, die sich so vorhersehbar über solche Dinge entrüsten nennt Dickerson eine „Bürgerrechtsindustrie“: „Die tun das doch vor allem, um sich selbst zu legitimieren. An den wahren Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft ändern sie hingegen gar nichts.“

In die gleiche Kerbe schlägt der Kulturwissenschaftler Stanley Fish, der die Cavemen-Kontroverse in der New York Times kommentierte. „Das ganze Gerede über Stereotypen dient der amerikanischen Linken doch nur dazu, sich selbst zu beweihräuchern. Man respektiert Gott und die Welt und denkt, man habe damit unheimlich viel bewegt. Dabei hat man gar nichts getan. Respekt ist eine inflationäre Währung“, sagt Fish im Gespräch mit Spiegel Online. Man sollte endlich aufhören, sich darüber Gedanken zu machen, wie welche Gruppe in der Pop-Kultur dargestellt wird und stattdessen anfangen darüber zu reden, warum zu viele Menschen hungrig, arm, ungebildet und obdachlos sind.

Rassendiskriminierung, das glauben US-Intellektuelle wie Fish und Dickerson, ist nicht mehr das große Problem des Landes. Gerade an den „Cavemen“, so Fish, sehe man doch, daß im Mainstream zum Thema Toleranz längst Konsens herrscht: So sehr nämlich, daß eine Komödie, die sich mehr oder weniger erfolgreich gegen Diskriminierung stellt, zur besten Sendezeit läuft. Tabu sei hingegen nach wie vor der viel dringlichere Diskurs über die soziale Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems unter dem Minderheiten aller Toleranz zum Trotz noch immer am meisten leiden. Darüber sollte man laut Fish mal eine Fernsehserie machen. Komisch wäre die allerdings wohl nicht.