Saturday, November 03, 2007

Fahrt ins Leben. Vor sechs Jahren verlor Formel 1 Pilot Alex Zanardi beide Beine. Heute startet er beim New York Marathon

Es ist mild geworden in der New Yorker Spätherbstsonne, warm beinahe, und Alex Zanardi steht der Schweiß auf der Stirn. Der freundliche Italiener mit den blonden Locken hat gerade eine Trainingsrunde durch den Central Park gedreht und sitzt jetzt auf der Zieltribüne des Marathons vom Sonntag, für den er zwei Tage vor dem Start ein letztes Mal seine Form und sein Hand-Bike getestet hat. „Sie entschuldigen, wenn ich sitzen bleibe“, witzelt er grinsend, während er sich das Gesicht mit einem Handtuch abtrocknet. Die Begrüßung ist makaber, denn der ehemalige Formel 1-Pilot hat bei einem Rennunfall auf dem Lausitzring vor sechs Jahren beide Beine verloren. Aber sie ist macht es einem auch leicht, sich mit Zanardi auf Augenhöhe zu unterhalten. Dieser Mann, das ist sofort klar, stellt sich seiner Behinderung und will auf keinen Fall mit Samthandschuhen angefasst werden.

So ging Zanardi nach seinem Unfall von Anfang an auch mit sich selbst um. Er tat sich nie Leid und begriff sein Schicksal nie als Tragödie. Stattdessen akzeptierte er die veränderten Vorzeichen seiner Existenz und machte ansonsten so gut es ging weiter wie bisher. Er brachte sich mit Schwimmen, Kayakfahren und Kraftübungen körperlich in Form, lernte in Rekordzeit auf Prothesen zu laufen und fuhr so bald es ging wieder Autorennen. 2006 gewann er zwei Läufe zur Tourenwagen-WM und steuerte beim BMW-Weltfinale furchtlos einen umgebauten Formel 1-Boliden. „Ich musste mich nie dazu zwingen, zu denken, das Leben ist trotzdem lebenswert“, sagt er. „Die Dinge, die ich mit meinen Armen und Händen tun kann, füllen mich voll aus.“

Zu diesen Dingen ist vor sechs Wochen ein neues hinzu gekommen: Marathon. Bei einem Partygespräch im September erzählte ein Manager der italienischen Nudelfabrik Barilla dem Rennfahrer aus Bologna, dass die Firma nach einem Weg suche, sich bei den großen Laufveranstaltungen der Welt präsentieren zu können. Zanardi sagte ohne zu zögern, dass er ihr Mann für dieses Vorhaben sei. Zwei Wochen später saß Zanardi in einem Handbike und trainierte. „Ich bin gleich beim ersten Mal 42 Kilometer gefahren. Danach wusste ich wenigstens schin mal, dass die Distanz kein Problem wird.“

Seitdem trainiert er jeden zweiten Tag mit dem Sportgerät, dass, wie er sagt, für ihn eine Offenbarung ist. „Ich bin sehr froh, dass ich diesen Sport entdeckt habe, er macht mir ungeheuer Spaß.“ Das Handbiken ist Teil von Zanardis Leben geworden und er wird es, davon ist er überzeugt, auch nach dem New Yorker Marathon weiter betreiben. Auf die Frage, ob dieses Training seinen Gesamtzustand verbessere und seine Rehabilitation voran treibe, reagiert er allerdings ein wenig gereizt: „Es ist ja nicht so, daß ich vorher nichts gemacht habe. Die Fitness war da, die Muskeln waren da. Ich musste mich nur an eine neue Bewegung gewöhnen.“

Gerade einmal ein Monat dieser Gewöhnung, das weiß Zanardi, hat jedoch sicher nicht ausgereicht, um in die Weltklasse vor zu stossen und sich Hoffnung auf einen Sieg in New York machen zu dürfen. Allerdings, sagt er, werde er „ganz bestimmt alles daran setzen, so viele meiner 120 Konkurrenten hinter mir zu lassen, wie ich nur irgendwie kann.“ Nach wie vor sei er durch und durch ein Wettkämpfer, auch daran habe der Unfall nichts geändert. „Ich habe lediglich gelernt, zu akzeptieren, dass ich nicht immer alles gewinnen kann“, sagt er. Diese Gelassenheit, so Zanardi, sei aber eher auf die Reife seiner mittlerweile 41 Jahre zurück zu führen, als auf sein Schicksal.

Ausser, dass er zwei Gliedmassen verloren hat, darauf besteht Zanardi immer wieder, hat sein Unfall für ihn nichts verändert.Zanardi versteht sich genauso wie vor dem 15. September 2001 als Vollblut-Sportler und so schließt er auch keine zweite Karriere als Marathon-Fahrer neben seiner ersten als Autorennfahrer aus. „Ich will mich auf nichts fest legen, aber wie ich mich kenne, wird New York in diesem Jahr nicht mein letztes Rennen sein.“ So ist Alex Zanardi nun einmal – und so war er schon immer. Der Italiener hat keine inspirierende, hollywoodhafte Geschichte davon zu erzählen, wie sein Schicksalsschlag ihn verändert und erleuchtet hat. Was an Zanardi inspiriert ist vielmehr die Kunst, sich sein Leben und die Freude daran durch nichts aus der Bahn bringen zu lassen.