Der Baseball-Boss: Spielerberater Scott Boras
Der Baseball tut sich in den vergangenen Jahren schwer im Kampf gegen die anderen US-Sportarten Basketball und Football um die Gunst der Fans. Wenigstens einmal im Jahr konzentriert sich jedoch die ganze amerikanische Sport-Nation auf das Baseball – bei der Finalserie um die Meisterschaft, die World Series nämlich. So verfolgten 21 Millionen Millionen Zuschauer heuer die vier Partien zwischen Colorado und Boston. Als gerade die Spannung ihrern Höhepunkt erreichte, in der Halbzeit der vierten und entscheidenden Partie, stahl jedoch jemand den beiden Finalisten die Show, der mit der Meisterschaft nichts zu tun hatte: Die Meldung machte die Runde, dass der Superstar Alex Rodriguez vorzeitig seinen Vertrag mit den enttäuschend in der ersten Playoff-Runde ausgeschiedenen New York Yankees kündigt. Es war der teuerste Vertrag in der Geschichte des Baseballs, er lief über 10 Jahre sowie 252 Millionen Dollar.
Wer immer die Meldung genau zu diesem Zeitpunkt lanciert hatte, wollte offenkundig sicherstellen, dass er damit so viel Aufmerksamkeit erregt, wie nur irgend möglich. Bislang möchte jedoch niemand zugeben, dass er es war, der mit der Nachricht an die Öffentlichkeit gegangen ist - weder die Yankees noch der Agent von Rodriguez, Scott Boras. Doch wer sich auch nur ein bißchen im amerikanischen Sport auskennt, geht davon aus, dass es Boras war, der die Information so wirkungsvoll plaziert hat. Boras – der erfolgreichste Agent im amerikanischen Sport – ist ein Meister des Vertragspokers und um seine Ziele zu erreichen, setzt er geschickt alle Mittel ein, die ihm zur Verfügung stehen; und auf der Liste dieser Mittel stehen die Medien ganz oben.
Welches Ziel Boras genau mit Rodriguez verfolgt ist allerdings bis heute, 14 Tage nachdem die Boston Red Sox Meister wurden, noch immer nicht ganz klar – Rodriguez ist noch immer ohne Anstellung. Zunächst wurde gemutmasst, dass Boras die Neuverhandlung des Vertrags zwischen Rodriguez und den Yankees erzwingen wollte. Dafür spricht, dass sich der „A-Rod“ genannte Star-Schlagmann gerade eine Wohnung für 50 Millionen an der New Yorker Fifth Avenue gekauft hat. Die New York Post will weiterhin erfahren haben, dass Boras’ Verhandlungsposition mit den derzeit in massiven Umwälzungen begriffenen Yankees 350 Millionen über 12 Jahre war – eine deutliche Aufbesserung von A-Rods Einkommen gegenüber den aus seinem derzeitigen Vertrag verbleibenden 90 Millionen. Die Ankündigung während der World Series schien zu diesem Ziel zu passen – am folgenden Tag heuerten die Yankees nämlich den neuen Trainer Joe Girardi an und Rodriguez Kündigung sollte wohl auf keinen Fall wie eine Reaktion auf diese Besetzung der Trainerstelle aussehen. Das hätte ein mögliches zukünftiges Arbeitsverhältnis zwischen Rodriguez und Girardi doch arg strapaziert.
Kurz darauf meldete jedoch das New York Magazine, dass Boras auch mit den Chicago Cubs verhandele. Und nicht nur das – Boras hatte darüber hinaus mit verschiedenen Anteilseignern des Clubs gesprochen. Ziel war es offenbar gewesen, sie zum Verkauf ihrer Aktien zu bewegen. Diese Anteile sollten wiederrum Teil des Vertragspakets für Rodriguez werden – ein Konstrukt, dass es Chicago erleichtern sollte, sich einen Spieler zu leisten, der mit geschätzten 30 bis 35 Millionen pro Jahr einhändig einen Großteil des Gesemtbudgets beansprucht.
Einen solchen Vertrag – bei dem einem Spieler beim Kauf gleich ein Teil des Clubs überschrieben wird - gab es im Baseball bislang noch nie. Aber Scott Boras hat auch noch nie davor zurück geschreckt, auf Neuland vorzustoßen. In seiner mittlerweile 22 Jahre andauernden Laufbahn als Agent hat Boras den Sport komplett verändert: Als er anfing, verdienten die Spieler im Jahresdurchschnitt 46,000 Dollar. Das Recht, frei mit mehreren Vereinen zu verhandeln, hatten sie sich gerade erst erstritten und sie begannen zaghaft, davon auch Gebrauch zu machen. Heute verdienen die Spieler im Liga-Durchschnitt drei Millionen pro Jahr. Und wie der Fall Rodriguez zeigt, treten sie den Vereins-Eignern und Liga-Bossen gegenüber mindestens als gleichberechtigt auf.
Boras, der selbst als Profi nie einen Vertrag in der ersten Liga bekommen hatte, fing 1985 neben seinem Job als Rechtsanwalt damit an, Spieler zu beraten. Seine ersten Jobs bestanden darin, Neuprofis davon abzuraten, das erstbeste Angebot anzunehmen und in ihrer Unerfahrenheit ihre Seele zu verkaufen. Boras gelang es, den Zugriff der Clubs auf junge Talente zu beschränken, in dem er mit juristischer Finesse Lücken in Verträgen und Regularien ausmachte. Heute wird als „Boras Effekt“ im US-Sport die Entwicklung bezeichnet, dass sich Spieler ihrer Rechte nicht nur bewusst sind, sondern sie mit Macht und Selbstbewusstsein in Anspruch nehmen.
Dieses Image gefällt Boras – er stellt sich gerne als unermüdlicher Kampfer für die Rechte der Athleten dar. So argumentiert er beispielsweise, dass Rodriguez mit seiner Anziehungskraft als Spieler und als Star für jeden Verein 80 Millionen Dollar pro Jahr wert sei. Da sei es nur gerecht, dass der Spieler davon 30 abbekommt. Er selbst, auch darauf ist Boras stolz, zieht von den Vertragssummen gerade einmal fünf Prozent Kommission ab. Die addieren sich allerdings bei seinen derzeit 65 Spielern auf rund 250 Millionen Dollar pro Jahr. Die gesammelten Vertragssummen seiner Klienten belaufen sich auf mehr als eine Milliarde. Keine schlechte Entschädigung für jemanden, dem es nur darum geht, gegen die Ausbeutung von Sportlern durch die bösen Kapitalisten in den Vereinsvorständen zu kämpfen.
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