Monday, May 14, 2007

Opfer des Systems - Flyod Landis will ab heute in Malibu seine Unschuld beweisen

New York. Viel Neues hatte der vorbehaltliche Tour de France-Gewinner Floyd Landis zum Beginn seiner Anhörungen durch die amerikanische Anti-Doping Agentur USADA am Dienstag in Kalifornien nicht zu sagen. Das französische Labor, das seine Proben untersucht hatte, sei korrupt und inkompetent, es werde gegen ihn und seine Kollegen eine Hexenjagd veranstaltet und das gesamte System der Dopingbekämpfung im Leistungssport trete die Grundrechte der Athleten mit Füssen predigte er während einer Telefon-Pressekonferenz zum wiederholten Mal. Dass die Journalisten diese Litanei schon zum Überdruss kennen, war Landis allerdings wohl bewusst und so bot er ihnen ein wenigstens kleines Bonusschmankerl, um ihnen seine Story schmakhaft zu machen: Die USADA, enthüllte Landis, habe ihm eine Kronzeugenregelung angeboten, wenn er gegen Lance Armstrong aussage.

Das Angebot, als Kronzeuge gegen seinen ehemaligen Chef aufzutreten, erzählte Landis, sei gleich zu Beginn des Verfahrens gegen Landis vom Generalsekretär der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Travis Tygart an Howard Jacobs, einen von Landis’ mittlerweile zahlreichen Rechtsanwäten, ergangen. Tygart, so Landis, habe Jacobs zugesichert, dass Landis die „geringst mögliche Strafe“ bekäme, wenn er gegen einen „Radfahrer, der noch größer“ als er selbst sei aussage. Ein solch unmoralisches Ansinnen, führte Landis weiter aus, hätten er und sein Team jedoch keiner Reaktion für würdig befunden. „Es ist bestenfalls beleidigend“, sagte Landis. Und : „Es sagt alles über den Charakter dieser Leute aus.“

Die USADA weigerte sich indes Landis auf den Leim zu gehen und die Behauptung zu verifizieren. Nur wenn Landis ihn von der Pflicht befreie, laufende Verfahren nicht zu kommentieren, so der USADA Generalsekretär Travis Tygart, würde er etwas zu Landis’ „Unfug“sagen. Landis-Sprecher Michael Hanson konterte Tygarts Stellungnahme mit der Bemerkung, dass eine Befreiung der USADA von ihrer Schweigepflicht auch keinen Unterschied mehr ausmache, weil „nichts, was die USADA bisher von sich gegeben hat, auch nur entfernt mit der Wahrheit zu tun hat.“

Wenn man Landis und seiner Verteidung glaubt, stecken die USADA, ihre Dachorganisation WADA, das Anti-Dopinglabor in Frankreich und überhaupt der gesamte organisierte Sport unter einer Decke. Das gemeinsame Ziel dieses Kartells sei es, prominente Sportler in Schauprozessen der Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen um damit ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Das Labor in Chatenay Malabry habe etwa mit „pseudo-wissenschaftlichen Methoden“ gearbeitet und seine Proben verpfuscht, manipuliert und überdies Landis Persönlichkeitsrechte verletzt, in dem es Details seines Falles der Presse preisgegeben habe.

Insider halten indes eine derartige gezielte Böswilligkeit der Institutionen, wie Landis sie konstruieren möchte, für eher unwahrscheinlich. Dr. Andreas Breidbach, langjähriger Mitarbeiter von Professor Schänzer im Anti-Doping-Labor in Köln, etwa sagt, „Es wird den Labors immer unterstellt, sie seien hinter den Athleten her. Das stimmt nicht. Den Leuten in den Labors ist das doch egal.“ Die Verteidigungsstrategie von Landis hält Breidbach indes für aussichtslos. Landis’ Anwalt, Howard Jacobs, so Breidbach, habe schon in mehreren Fällen in den USA versucht mit der gleichen Argumentation gegen positive Dopingproben vorzugehen – stets ohne Erfolg. Die Verfahrensfehler, die Jacobs dem Labor in Frankreich verwerfe, so Breidbach, seien nicht glaubhaft: „Es ist nicht vorstellbar, dass die da so geschlampt haben sollen. Auf solch dünnes Eis würden die sich nie begeben.“

So geht es Landis in Wirklichkeit wohl darum, im Verlauf dieses Prozesses zumindest die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er Opfer einer wildgewordenen Lynchjustiz ist. Dass Landis’ Anwälte es erzwungen haben, das Verfahren öffentlich zu machen, war bereits ein Punktsieg in diesem Public-Relations Kampf. Wie sein ehemaliger Chef will Landis wenigstens sein Renomee und somit seinen Marktwert in den USA retten. Dem vorwiegend europäischen Radsportzirkus kann das hingegen egal sein. Die Tour de France hat etwa schon jetzt Landis aus ihrer Siegerliste gestrichen. Egal, was in den nächsten zehn Tagen in Kalifornien passiert.

Sebastian Moll