Monday, March 05, 2007

Der Fernsehreporter als Entdeckerheld und Blasphemiker - Doku-Drama soll die Ostergeschichte wiederlegen

Die Wissenschaftler konnten ihren Neid auf das Getöse um das am Sonntag im US-Kabelfernsehen ausgestrahlte Jesus-Doku-Drama nur schwer unterdrücken. „Archäo-Porno“ sei das gewesen, was man da gerade gesehen habe, platzte es giftig aus dem angesehenen Altertumsforscher James Reed heraus, als er gebeten wurde, die Talkshow-Runde im Anschluss an „The Jesus Family Tomb“ (Das Grab der Jesus Familie) zu eröffnen. In dem Zweistunden-Streifen hatte der israelisch-kanadische Journalist Jacobovici behauptet, das Grab von Jesus Christus samt Gebeinen unter einem Wohnungs-Neubau in Jerusalem gefunden und somit die Legende von der Wiederaufersteheung Christi widerlegt zu haben. Seit einer Woche war der vermeintliche Fund Thema in allen großen US-Medien. Von so viel Aufmerksamkeit können konventionelle Jesus-Forscher wie Reed normalerweise nur träumen.

Den Reporter focht die Kritik allerdings nicht weiter an. Er sei kein Wissenschaftler, entgegnete er selbst gewiss und somit nicht an die Methodologie empirischer Beweisführung gebunden. Er sei Journalist, so Jacobovici, und die Sorgfaltspflicht seiner Zunft habe er mehr als ausreichend beachtet. Zwei Jahre hat Jacobovici, finanziert von Hollywood-Prouzent James Cameron (Titanic), damit zugebracht zu beweisen, dass er tatsächlich auf die Knochen Jesu, seiner Mutter Maria, derer von Maria Magdalena, von Matja oder Matthäus, dem Urgroßvater Jesu, sowie des vermeintlichen Jesus-Bruders Jose gestossen ist. Die statistische Wahrscheinlichkeit der Echtheit seiner Fundes hatte Jacobovici ausrechnen, DNA-Untersuchungen der Gebeine-Reste und chemische Analysen der Grab-Patina anstellen lassen, sowie sich mit zahlreichen Experten beraten. Mehr könne und brauche er nicht zu tun.

Um einen packenden Wissenschafts-Krimi zu erzählen, reichte das auch tatsächlich vollig aus. Der Mystery-Thriller beginnt unscheinbar mit einem Bauarbeiter, der beim Ausheben des Fundaments zu einem Wohnhochhaus in Jerusalem eine Gruft entdeckt. Eigentlich in dieser Stadt ein alltägliches Ereignis, doch wir werden per bedeutungsschwangerer sphärischer E-Musik schon darauf eingestellt, dass dies nicht irgendeine Gruft ist. Vorhang auf für den Reporter, der als Held wie aus dem Nichts die Szene betritt und der den Verdacht hat, dass es sich bei der Ausgrabung um etwas Besonderes handelt. Wie Philip Marlowe fügt er ein Indiz an das Nächste, bis am Ende des Films der Zuschauer vermeintlich vor einem vollständig zusammen gefügten Puzzle sitzt. Immer wieder wird dabei eingeblendet, wie die Ritzungen an der Knochen-Truhe der Familie Jesus mit einem Archäologen-Pinsel gereinigt werden, um die schichtweise Freilegung der Wahrheit visuell in Szene zu setzen. Mit jeder Pinselung verdichtet sich Jacobovicis sensationelle Hypothese zur Theorie. Am Ende scheint die Evidenz erdrückend zu sein.

Wissenschaftlich ist das Ganze freilich nicht. Es wird vielmehr eine Plausibilität an die andere aufgeschnürt und sich von einem dieser plausiblen Argumente zum nächsten gehangelt. „So stellt man keine dauerhafte Verbindung von Wissenschaft und Religion her“, beschwert sich deshalb auch Professor Reed in der Talkrunde. Per gesicherter Methode die wahre Geschichte historischen Jesus aufzudecken ist allerdings auch gar nicht das Ziel von Jacobovici und Cameron. Vielmehr geht es um die Verführung und dabei lehnt er sich im Vorgehen eher – wie im Vorfeld der Ausstrahlung schon hinlänglich bemerkt wurde – an Dan Brown an, denn beispielsweise an Howard Carter. Es ist ein gekonntes Spiel mit einem schlüssig argumentierten Gegenentwurfs zu sicher geglaubten Gewissheiten, der Flirt mit alternativen Realitäten, der den Zuschauer in die Story hineinzieht. Die wahre Geschichte der Menschheit und unserer Zivilisation, so das heisse Versprechen, muss erst noch geschrieben werden. Geschichten, dass das Menschengeschlecht per UFO von einem anderen Planeten gekommen ist hauen in eine ähnliche Kerbe.

Dass die Wissenschaft sich davon provoziert fühlt ist kein Wunder. Denn schließlich ist das Projekt der Aufklärung, auf dem sie fußt, nichts anderes, als das Angebot einer Counter-History, die das Weltbild des Mittelalters umstossen will. So versuchen rationalistische Skeptiker seit Ende des 18. Jahrhunderts die Auferstehungsfabel zu widerlegen. Die im Wortsinn Schriftgläubigen hat jedoch alle Empirie noch nie zu Überzeugen vermocht. Vermutlich wird das auch der Film von Jacobovici nicht schaffen. Aber er unterhält zumindest für eine Weile. Besser jedenfalls und mit mehr Breitenwirkung als theologische Abhandlungen und methodisch abgesicherte Ausgrabungs-Berichte. Und so muss die Wissenschaft wie auch immer zähneknirschend zugestehen, dass die Fernsehunterhaltung ihr den Rang abgelaufen hat. Selbst, wenn es darum geht, die Fundamente unserer Zivilisation neu zu errichten.