Monday, February 12, 2007

Der König der Wall Street - Stephen Schwarzman feiert seinen 60. Geburtstag an der Park Avenue

(Frankfurter Rundschau, 13.2.2007)

Eigentlich gibt es im anti-monarchistischen Amerika keine Paläste im engeren Sinn. Wenn man dennoch in New York nach einem Palast-ähnlichen Edifiz sucht wird man bald auf das Zeughaus des glorreichen siebten US-Regiments an der Park Avenue stossen. Von Aussen erinnert die „Armory“ mit Zinnen und Ecktürmen an eine Ritterburg. Die Innenräume aus den 1880er Jahren sind indes der Inbegriff amerikanischer Vorstellungen von Prunk. Die überbordenden Ornamente der riesigen Hallen bedienen sich bei der Formensprache aller Hochkulturen der Menschheitsgeschichte: arabischer, japanischer und chinesischer Zierrat vermengen sich unter einem gothischen Gewölbe so hoch wie das Hauptschiff von Notre Dame.

Es ist ein passender Ort für die Krönung eines amerikanischen Königs. Und genau deshalb hat sich wohl Stephen Schwarzman die Armory für die Feier zu seinem 60. Geburtstag am Dienstag ausgesucht, zu der 1500 der wichtigsten Leute Amerikas erwartet werden. Der Sohn eines Kurzwarenhändlers aus Philadelphia feiert nicht nur sein Wiegenfest, sondern auch die Tatsache, dass er auf der obersten Stufe der amerikanischen Gesellschaft angekommen ist. Er ist Chef von Blackstone, der erfolgreichsten Investmentfirma an der Wall Street, die derzeit die mit einem Wert von mehr 39 Milliarden größte Firmenübernahme der Geschichte finanziert. Er verdient rund 100 Millionen Dollar im Jahr, sein Vermögen wird auf dreieinhalb Milliarden geschätzt. Sein 35-Zimmer-Apartment an der Park Avenue ist inklusive der exquisiten Kunstsammlung 100 Millionen wert. Schwarzman ist im Vorstand wichtiger Kultureinrichtung wie dem Kennedy Center in Washington und hat einen direkten Draht zu den Mächtigen der Welt vom Prinzen Michael von Kent bis zu George Bush. „Für ihn gibt es keine Leiter mehr zu erklimmen, er ist angekommen“, sagt der New Yorker Gesellschafts-Reporter Nelson W. Aldrich.

Gesellschaftlich dort hin zu gelangen, wo er jetzt steht, war schon immer Schwarzmans Traum – mehr noch fast, als die Milliarden, die er angehäuft hat. Seit er Ende der 60er Jahre in der Patriziervilla des Wall Street Moguls und Präsidentenberaters Averell Harrimann zum Essen eingeladen war, erzählt Schwarzman freimütig, wollte er immer zu diesen Kreisen gehören. Deshalb hat er stets seine gesellschaftliche Karriere ebenso systematisch verfolgt, wie seine Wall Street Karriere. Es ist gewiss kein Zufall, dass die Wohnung an der Park Avenue, die er jetzt bewohnt, früher John D.Rockefeller Jr. gehörte. Und mit seinem großzügigen Engagement für New Yorker Kultureinrichtungen wie die Public Library und das New York City Ballet ahmt Schwarzman betont den Gestus der „Old Money“- Dynastien wie den Rockefellers, den Morgans und den Carnegies nach. Schwarzman würde nichts lieber, als einmal mit den großen Namen des amerikanischen Kapitalismus in einem Atemzug genannt zu werden.

Die Tatsache, dass er kurz davor steht, diesen Status zu erreichen, beweist Schwarzmans Fähigkeit und Neigung, Regeln zu mißachten und neu zu schreiben. „Es gibt keine wirkliche Klassen-Struktur mehr in New York“, beklagt Michael Thomas, ein ehemaliger Wall Street-Bankier und Romancier. „Nur noch verschiedene Abstufungen der Prominenz.“ Einst zählte für den Eintritt in die Gesellschaft noch vor allem der Stammbaum – heute reicht zunehmend die Größe des Bankkontos. Schwarzman wollte immer gerne heraus bekommen, wie weit sein Geld ihn in der Society bringt.

So, wie er die Regeln der New Yorker Society auf den Kopf stellt, war er auch maßgeblich daran beteiligt, die Regeln der Finanzwelt neu zu schreiben. Schon als Schwarzman 1985 mit seinem Partner Pete Peterson die Firma Blackstone gründete, setzte er auf das Geschäftsmodell der Private Equity Firma, damals noch eher ein Randphänomen der Finanzwelt. Spätestens seit dem Beinahe-Kollaps der globalen Finanzmärkte um die Jahrtausendwende hat sich Private Equity als Zentrum und Zukunft des globalen Kapital-Geschäfts heraus kristallisiert. Und im Zentrum des Zentrums steht Schwarzman.

Schwarzman traf Pete Peterson Anfang der 80er Jahre an der Wall Street bei dem angesehen Investment-Haus Lehmann Brothers. Schwarzman war ein junger, vom Ehrgeiz getriebener Financier, der seine prestigereichen Studienabschlüsse in Yale und Harvard anders als sein Kommilitone George Bush nicht durch Herkunft sondern durch Brillianz und Fleiß ergattert hatte. Peterson hingegen war ein Blaublut, 20 Jahre älter als Schwarzman, ehemaliger Handelsminister unter Richard Nixon und mit ausgezeichneten Kontakten ausgestattet. Die beiden ergänzten und verstanden sich von Anfang an prächtig und als Lehmann aufgeteilt und verkauft wurde, starteten sie zusammen in einem Einzimmer-Büro ihre eigene Firma.

Es war die Zeit, in der an der Wall Street mit fremdfinanzierten Firmenübernahmen – sogenanten Leveraged Buyouts – das große Geld gemacht wurde und Blackstone schwamm zunächst mit dem Strom. Allerdings mit ein paar kleinen aber gewichtigen Unterschieden. Blackstone ließ sich niemals auf feindliche Übernahmen von Firmen gegen den Willen der Vorstände ein. Und Blackstone scheute sich nie, Mitbewerber um die zu übernehmenden Firmen mit ins Boot zu holen und mit ihnen zusammen zu arbeiten. Die Strategie Firmen zu übernehmen, sie durch Entlassungen und sonstige Einschnitte schlank zu machen und für den raschen Dollar wieder los zu schlagen, war Schwarzman immer zu simpel. Interssanter war es für ihn, neue Strategien zu entwickeln, um den Wert der Firmen zu steigern.

Blackstone, das mittlerweile Büros in Hamburg, Paris, London und Atlanta hat und 500 Leute beschäftigt, hat sich seit 1985 auch in andere Ecken des Finanzmarktes gewagt – es betreibt unter anderem einen erfolgreichen Hedge-Fond und ein florierendes Imobiliengeschäft. Kern des Blackstone-Imperiums bleiben jedoch Übernahmen und Umstrukturierungen. Ein Bereich, der seit der Krise vor etwa sieben Jahren boomt. Und mit der jahrzehntelangen Erfahrung auf diesem Gebiet war Blackstone damals in einer idealen Position, den Boom auszunutzen. Seit 2000 landet Blackstone einen Rekord-Deal nach dem anderen. Schwarzmans Ruf als ebenso bedächtiger wie kreativer Investorenvertreter hat Vertrauen bei den Vorständen geschaffen. Und Schwarzman rechtfertigt dieses Vertrauen – sogar den bankrotten Energie-Konzern Enron hat er hin gebogen.

Gerade weil seine Umstrukturierungen komplexer sind, als simple Verschlankungen, wehrt sich Schwarzman gegen die Vorwürfe, dass er ein Schädling am Gemeinwohl sei, wie ihm zuletzt in Deutschland im Zusammenhang mit der Übernahme des Frankfurter Chemiunternehmens Celanese wieder vorgeworfen wurde. „Das basierte auf Angst und nicht auf Fakten“, sagt Blackstone zu der „Heuschrecken-Diskussion“ und kann dabei darauf verweisen, dass es bei Celanese in Deutschland zwischen der Übernahme durch Blackstone und dem Börsengang an der Wall Street eben keine Massenentlassungen gegeben habe. Dass das Unternehmen heute trotzdem gesund ist und Blackstone gleichzeitig 2,3 Milliarden an dem Deal verdient hat, schreibt Schwarzman freilich seiner eigenen Genialität zu.

Dass Skeptiker seine Methoden dennoch kritisieren, weil er die umgedrehten Unternehmen mit hohen Schulden zurück lässt und den Kollaps somit potenziell nur verzögert, juckt den König der Wall Street freilich wenig. Schon gar nicht am Dienstag wenn er an der Park Avenue Hof hält, Rod Stewart für eine Gage von rund einer Million aufspielt und sich Außenministerin Condoleeza Rice mit Edward Kennedy beim Cocktail dezent über Kunst unterhält. Dann wird Schwarzman sich zufrieden umschauen, sich an das Geschäft seines Vaters in Philadelphia erinnern und mächtig über sich selbst staunen.

Sebastian Moll