Saturday, January 27, 2007

Dürfen Schafe schwul sein? Ein Experiment schlägt Wellen

Wenn Dr. Charles Rostelli geahnt hätte, welche Pandora-Büchse er offnet, hätte er gewiß die Finger von den Schafen gelassen. Eigentlich wollte der Biologe von der Universität Oregon nur den Züchtern dabei helfen, mehr Kapital aus ihren Beständen zu schlagen, doch auf einmal hatte er die Homosexuellen-Lobby sowie die Tierschutzvereinigung PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) am Hals.

Ausgangspunkt für Rostellis Versuche mit den Wolltieren war die Tatsache, daß beinahe zehn Prozent der Herden homosexuell ist. Daran störten sich deren Besitzer vermutlich weniger aus ideologischen, als aus wirtschaftlichen Gründen: Schafe, die sich nicht vermehren, sind deutlich weniger wert als frichtbare Heteros. Deshalb experimentierte Rostelli mit Hormontherapien, die den schwulen Böcken wieder mehr Lust auf die Mutterschafe und den lesbischen Tieren mehr Bock auf die Männer machen sollten. Die Experimente ergaben jedoch keine eindeutigen Ergebnisse.

Dennoch riefen sie einen Sturm der Entrüstung hervor. Am lautesten beschwerte sich Tennis-Star Martina Navratilova, die nicht nur seit Jahrzehnten für die Rechte von Homosexuellen eintritt, sondern auch Mitgleid der Tierschutzvereinigung PETA ist. In einem offenen Brief an das Forschungsteam von Rostelli beklagte sie, daß deren Untersuchungen nur als Versuch gesehen werden könnten, „eine Behandlungsmethode für sexuelle Orientierung zu finden.“ Navratilovas Beschwerde trat eine Lawine los – die Forscher wurden mit mehr als 20.000 entrüsteten emails bombardiert.

Die Schwulenrechtler, von Navratilova und von PETA mobilisiert, befürchten, daß hinter Rostellis Forschung die Auffassung von Homosexualität als Aberration steht, sowie die Hoffnung, sie zu korrigieren. Wenn es gelänge, die biologischen Grundlagen der Homosexualität zu begreifen, fasste der schwule Blogger Andrew Sullivan die Bedenken zusammen, könnten nicht nur homosexuellenfeindliche Konservative versuchen, ihre schwulen Kinder umzupolen. Schlimmer noch, es könnte zu anti-homosexueller Eugenik kommen: „Es gibt jetzt schon eine weit verbreitete Auslese nach Geschlecht“, schreibt Sullivan. „In der Dritten Welt kommen immer weniger Mädchen zur Welt. Und die meisten Eltern stehen homosexuellen Kindern wesentlich ablehnender gegenüber, als weiblichen.“

Wenn man die ethischen Implikationen der schwulen Schafsforschung zu Ende denkt, so Sullivan, würden die Dinge jedoch weniger eindeutig, als dies zunächst scheint. Als Liberaler, so Sullivan, befürworte er selbstverständlich das Recht der Frau, über ihren Körper zu bestimmen. Da könne er dann schlecht etwas dagegen einwenden, wenn eine Frau kein homosexuelles Kind haben möchte. Konservative, so Sullivan, gerieten allerdings in der Frage in ein ähnliches Dilemma: Sie sind gegen Abtreibung, sehen Homosexualität jedoch als eine Art Krankheit.

Solche Debatten gehen Rostelli und seinen Kollegen freilich viel zu weit. „Wir haben reine Grundlagenforschung betrieben. Wir wollen lediglich die Gehirnstruktur und die chemischen Prozesse verstehen, die bei der Partnerwahl eine Rolle spielen“, schrieb Jim Newman, ein Kollege Rostellis in Oregon an Andrew Sullivan. Sullivan trat daraufhin einen Schritt zurück und gab zu, daß es ihn ja durchaus interessieren würde, warum er denn schwul ist. Darüberhinaus spreche ja ein so großer Prozentsatz von schwulen Schafen dafür, daß Homosexualität eben keine Abweichung oder Perversion sei, sondern eine universelle Tatsache. Und dafür, wozu die Erkenntnisse der Forscher möglicherweise benutzt werden, dürfe man sie nicht verantwortlich machen. Die Frage, ob Schafe das Recht haben schwul zu sein, muss demnach die Politik entscheiden und nicht die Wissenschaft. Von den komplizierteren Fragen, die Rostellis Forschung aufwirft, ganz zu Schweigen


Sebastian Moll