Monday, May 07, 2007

Danebenbenommen - Die Queen beim Kentucky Derby

Irgendwie hat ja der gesamte USA-Besuch der Queen einen seltsamen Beigeschmack. Anlass für die Reise war nämlich die Gründung der ersten britischen Kolonie auf amerikanischem Boden in Virginia vor genau 400 Jahren. Hätte die britische Monarchin das souveräne Amerika würdigen wollen, wäre sie schon im Januar über den Ozean geflogen, als das 230te Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung begangen wurde. Stattdessen fuhr sie jedoch jetzt nach Jamestown, wo im Mai 1607 der Kapitän ihrer Majestät John Smith den ersten Union Jack in amerikanischen Boden pflanzte.

Ihr weiterer Reiseplan unterstrich diese koloniale Attutüde. Präsident Bush bekam zwar auch eine Audienz aber erst an dritter Stellle im königlichen Terminkalender. Davor stand noch der Besuch beim Kentucky Derby – dem britischsten Ereignis, das die amerikanische Gesellschaft vorzuweisen hat. Das Derby gibt es seit 133 Jahren, explizit nach englischem Vorbild gegründet durch den Armeeoffizier Meriwether Lewis Clark. Clark gehörte einer der ältesten Familien der USA an - mehr Aristokratie ist in der neuen Welt nicht zu finden. Und mit seinen vielen exzentrischen Traditionen und Gebräuchen übertrifft das Derby Wimbledon leicht.

Am ersten Samstag im Mai versammelt sich alles, was in Amerika Stammbaum und Namen oder wenigstens Geld hat auf der Ehrentribüne der Churchill Downs in Louisville, um die 20 blaublütigsten aller blaublütigen Zuchthengste eineinviertel Meilen – oder gut zwei Minuten – lang anzufeuern. Die Ladies tragen große Hüte, die Herren Frack und man verwettet diskret auch schon einmal ein paar Zehntausender auf sein Lieblingstier. Ein Hauch von Ascot weht an diesem Tag durch den Mittleren Westen.

Hätte die Queen wirklich Respekt vor der amerikanischen Eigenständigkeit, hätte sie sich indes ein Baseballspiel oder eine NBA-Partie angeschaut. Aber nein, es musste ein Pferderennen sein. Die Queen interessiert sich offenbar nicht für das Amerikanische an Amerika, sondern nur für das, was an den USA noch englisch ist. Und so fühlte die Queen sich in Louisville so richtig zu Hause. Dazu trug sicherlich auch bei, dass die Leute Schlange standen, um einen Blick von ihr zu erhaschen – das Volk lag der Souveränin wie zuhause zu Füssen.

Scheinbar jedenfalls, denn alteingesessene Derbyfans waren über Elizabeths Auftritt weniger erfreut. Alleine durch ihre viel zu schmale Hutkrempe und ihren viel zu moderaten Schmuck habe sie verraten, dass sie von Derby- Traditionen gar nichts verstehe. Schlimmer noch – sie habe weder einen Mint Julep (eine Mischung aus Minze und Kentucky Bourbon) gertunken, noch sich, wie eine echte Kentucky-Lady, einen Flachmann voller Whisky für den langen Tag per Klebeband am Oberschenkel befestigt. Louisville ist eben nicht Ascot, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so aussieht. Ob die Queen es wahrhaben will oder nicht – die Kolonien haben sich auch in ihren kolonialsten Traditionen schon seit einiger Zeit vom Mutterland emanzipiert.