Friday, June 02, 2006

Dirk Nowitzki wirft 50 gegen Phoenix

Dirk Nowitzki zeigt selten Gefühle auf dem Basketball-Court, sein Blick ist gewöhnlich angestrengt und konzentriert und nach einem Treffer rennt er ohne innezuhalten sofort auf seinen Defensivposten. Und so unterkühlt und professionell er auf dem Platz ist, gab er sich auch am Donnerstagabend in Dallas nach dem wohl bislang größten Spiel seiner Karriere. 50 Punkte hatte Nowitzki geworfen und seinen Mavericks damit zu einem überlegenen 112-101 Sieg sowie zu einer 3-2 Führung im NBA-Halbfinale gegen die Phoenix-Suns verholfen. „Ich bin froh, dass ein paar Schüsse rein gegangen sind“, kommentierte er lapidar das Ergebnis, das den Statistiken von Superscorer Kobe Bryant nahe kommt und mit dem sich Nowitzki nach Ansicht von Kommentatoren wie Charles Barkley in die Ränge von ewigen Granden des Sports wie Magic Johnson und Larry Bird gespielt hat.

Als Nowitzki vom Platz lief überkamen ihn dann allerdings doch zumindest für einen Moment die Gefühle. Der 2,12 Meter-Mann reckte kurz die erhobene Faust den texanischen Fans entgegen, die laut „MVP, MVP“ skandierten. Sie haben jetzt schon beschlossen, dass Nowitzki der wertvollste Spieler der diesjährigen Playoffs ist. Auf viele T-Shirts war der Aufdruck „Nowitness“ zu lesen – jeder, der am Donnerstag dabei war, fühlte sich als Zeuge des endgültigen Durchbruchs des Würzburgers.

Nowitzki selbst findet derartige Euphorie jedoch eindeutig übertrieben und verfrüht. „Wir können uns jetzt nicht ausruhen“, verwies er wenig später bei der Pressekonferenz darauf, dass es noch mindestens ein Spiel gegen Phoenix zu bestreiten gilt, bevor Dallas überhaupt im Finale steht. Und Phoenix habe sich ja schon in den Serien gegen die Los Angeles Clippers und die Lakers aus derselben Stadt als ausgesprochen zähe Mannschaft erwiesen.

Zäh war Phoenis auch am Donnerstag. Nach einem aggressiven Start der Mavericks und einem Zehn-Punkte-Rückstand fing sich die Truppe von Nowitzkis ehemaligem Mannschaftskameraden Steve Nash und ging im dritten Drittel gar mit sieben Punkten in Führung. „In dem Augenblick habe ich die ganze Arbeit der Saison den Bach runter gehen sehen“, sagte Nowitzki anschließend. „Ich habe gedacht, jetzt muss ich etwas tun.“


Das tat er dann auch. Im letzten Viertel alleine warf er 22 Punkte, in der zweiten Hälfte insgesamt 33 – Zahlen, die für ein ganzes Spiel als herausragende Bilanz hätten gelten können. Man sah sowohl den neuen Dirk Nowitzki, der gelernt hat sich unter dem Korb mit aller Härte durchzusetzen, als auch den alten, mit seinen zielsicheren, lässigen Distanzschüssen. „Heute abend ist es einfach gerollt“, sagte Nowitzki dazu trocken. „Wir haben einen Mann gesehen, der sich schlicht weigert, zu verlieren“, schwärmte hingegen Alt-Star Charles Barkley von Nowitzkis Kämpfer- und Anführerqualitäten.

Für Nowitzki Unbeugsamnkeit und neugwonnene Härte spricht vor allem auch, dass dieses Spiel zwei Tage nach dem schlimmsten Spiel seiner gesamten Saison kam. Am Dienstag in Arizona war es der Abwehr von Phoenix gelungen, Nowitzki beinahe komplett auszuschalten. Magere 11 Punkte hatte er dort erzielt, halb soviel wie am Donnerstag alleine im letzten Viertel.

Woher die schnelle Wiedergeburt kam, konnte sich Nowitzki selbst nicht erklären. „Ich habe nichts besonderes gemacht dazwischen seit Dienstag und wir haben auch nichts groß umgestellt in der Mannschaft. Wir haben nur einfach gebrannt heute.“ Nowitzkis guter Freund und jetziger Gegner Steve Nash war ebenso sprachlos, auf die Leistung von Nowitzki angesprochen: „Was soll ich sagen – er hat nicht viel daneben geworfen. Er war einfach phantastisch.“ Dabei klang Nash ein wenig ratlos – gegen einen Nowitzki in dieser Form fehlen den Suns schlicht die Mittel. Und vermutlich jeder anderen Mannschaft auch.