Friday, June 23, 2006

Hearst's Castle - Norman Fosters erster Bau in New York

Es gehört nicht gerade zum guten Ton, sich über Konkurrenten zu mockieren, auch nicht im eitlen Architekturgewerbe. Der deutsche Architekt Michael Wurzel, Partner bei Norman Foster and Partners in London, macht überdies einen britisch gediegenen Eindruck – Wurzel ist gewiss niemand, der sich zu Ausfälligkeiten hinreissen lässt. Und doch kann er nicht an sich halten, als er vom 35. Stock des firschen, ersten Baus von Foster in New York durchs Fenster in Richtung Süden schaut. „So etwas hätte auch Ceaucesu bauen können“, sagt er und zeigt dabei auf das das Worldwide Plaza nur wenige Blocks vom neuen Bürogebäude des Zeitschriftenverlages Hearst entfernt.

Das Worldwide Plaza ist ein monotoner Turm von 1989, dem eine aufgesetzte Kupferpyramide unbeholfen zu postmoderner Verspieltheit verhelfen soll. Für Wurzel, der am Hearst-Bau mitgearbeitet hat, ist diese Hässlichkeit nur einer von vielen Belegen dafür, wie sehr New York in den vergangenen 40 Jahren architektonisch den Anschluss verloren hat. Mit dem Hearst-Bau, dem ersten Auftrag für Foster in New York, meint Wurzel selbstbewusst, nehme die Stadt nun jedoch endlich wieder Fühlung auf mit dem, was sich in der Architektur der vergangenen 40 Jahre in der Welt getan hat.


Dass dies keine Prahlerei ist bestätigt dem Büro Foster die New Yorker Kritik. Nicolai Ourousoff von der New York Times findet, dass das letzte Gebäude von ähnlicher formengeschichtlicher Bedeutung vor dem Hearst-Bau in New York das Lever Haus von 1951 war. Paul Goldberger vom New Yorker fällt immerhin noch das Metzler Haus am unteren Broadway von 1967 ein. Man ist sich jedoch einig, dass seit der Spätmoderne keine Impulse mehr von New York ausgehen. „Die New Yorker Firmen haben sich spätestens seit den 70 er Jahren im Mittelmaß eingerichtet“, schreibt Ouroussoff. „Sie haben sich selbst mit Gefälligkeit und postmoderner Spielerei kompromittiert.“

Der 46-stöckige Hearst Turm ist indes eindeutig den Werten der Moderne verpflichtet. Er ist rational er legt schamlos seine Ratio offen. Und dennoch ist der Hearst Turm visuell spannend. Das aussenliegende, dreieckig angeordnete Stahlskelett und die extravagant abgeschrägten Eckfenster - Rudimente von Fosters Entwurf der sich windenen, „küssenden Türme“ für Ground Zero- prädestinieren den Bau als Ikone der New Yorker Skyline.

Im Gegensatz zu den typischen, äußerlich monumentalen aber innen hoffnungslos vollgestopften, New Yorker Bürohochhäuser, hat Norman Foster von Innen nach Aussen gebaut. Im Zentrum seines Entwurfes stehen die Arbeitsbedingungen der Hearst-Angestellten. Das markanteste Ergebnis dieser Überlegungen ist es, dass die tragende Struktur in vier Stockwerke hohen Dreiecken Aussen verläuft. So entstehen große, lichte Inneräume, vergrößert noch dadurch, dass die Aufzüge ebenfalls an den Rand des Gebäudes verlegt wurden.

So wurde etwa der Piazza-artige erste Stock möglich, den man über eine Rolltreppe erreicht, die ein wenig thetralisch einen über Glas rinnenden Wasserfall durchschneidet. Oben angekommen offenbart sich ein lichter Raum von Ausmaßen, wie man ihn in New York sonst weder Aussen noch Innen findet. Es ist ein zentraler Platz für alle Verlagsangestellte, an dessen Rand sich Cafeteriatische und Sitzgruppen wie Cafes und Bänke abwechseln. Der Platz ist das Kernstück einer freundlichen Arbeitsumgebung, die sich auf den Büroetagen fortsetzt. Der entkernte Bau erlaubt Großraumbüros, in denen kein Schreibtisch weiter als ein paar Meter von einem Fenster entfernt ist – niedrige Trennwände und Glastüren zu den aussenliegenden Chefbüros und Konferenzräumen lassen das Tageslicht ungestört durch die trotz allem intim wirkenden Etagen fluten. Zusammen mit den Arbeitsplatz-Experten der New Yorker Firma Gensler hat Foster eine zwar ökonomisch aber dennoch humane und demokratische Arbeitsumgebung geschaffen.

Dass der private Medienunternehmer Hearst ausgerechnet Foster für dieses Projekt angeheuert hat, hing indes auch damit zusammen, dass die Fassade des alten Hearst-Baus unter Denkmalschutz stand. Am Berliner Reichstag und am British Museum hatte Foster ja bereits Eleganz dabei bewiesen, das Alte zu ehren und trotzdem radikal modern zu bauen. Das alte Hearst- Gebäude hat Foster ausgehölt – die strenge Sandsteinfassade von 1928 mit ihren Art-Deco Ornamenten umläuft jetzt den neuen Wolkenkratzer wie ein Kragen. Es ist kaum mehr als ein Verweis auf die Tradition des Familienbetriebs, der sich dafür umso moderner darstellt, sobald man durch die alten Tore getreten ist.

Nun ist es nicht gerade eine New Yorker Vorliebe, das Alte und das Neue zu verbinden – viel lieber reisst man hier ab und fängt von vorne an. In diesem Jahr waren jedoch die beiden am meisten bejubelten Bauten der Stadt Projekte, die das Alte integrieren – schon im Frühjahr eröffnete an der Madison Avenue die Umgestaltung der Morgan Library durch Renzo Piano.


Piano verband die Bibliothek, die Kunstsammlung sowie das Wohnhaus des Gründerzeitfinanciers an der Madison Avenue zu einem einzigen Komplex und machte die verstaubten, schwerfälligen Beaux-Arts-Bauten über Nacht zu einem Lieblingsziel für New Yorker. Er schuf einen mit Glas überdachten Lichthof, in dem man nun Capuccino trinken kann, während man schräg noch oben Blicke auf die umliegende Skyline erhascht. An allen Seiten des modernen Hofes führen Treppen in die Sammlungen des Magnaten und somit in die untergegangene Welt der frühen Industriebarone. Es ist ein subtiles aber äußerst wirkunsgsvolles Werk, eines, in dem der Architekt beinahe verschwindet. Ohne jedoch seine Mittel zu verbergen – die Stahlträger seiner Konstruktion liegen offen, man fühlt ihr Gewicht. Der Eingriff ist sichtbar und unsichtbar zugleich. Es entsteht, wie Nicolai Ourousoff von der Times schreibt, „ein schwindellerregender Rhytmus von Alt und Neu“.


Am Ground Zero entsteht mit dem Freedom Tower derweil ein New Yorker Symbolbau des alten Stils – ein schamloses Monument wirtschaftlicher Potenz. Anderswo in Manhattan hat man hingegen scheinbar verstanden, dass eine solche Symbolik fünf Jahre nach dem 11. September isolationistisch und provinziell daher kommt..

Sebastian Moll