Wednesday, July 12, 2006

Die Radsportsoponsoren vertrauen auf ein kurzes Gedächtnis der Fans

Pau. Am nächsten Morgen war alles so wie immer. Die Sonne strahlte über Strasburg und die Zuschauer drängten sich drei Reihen tief an die Absperrgitter entlang der Tour de France-Strecke. Die apokalyptische Stimmung des Vortages, an dem die Tour ihre größten Stars verbannt hatte und man meinte, der Radsport sei am Ende, hatte sich verflüchtigt wie ein böser Traum.

Zehn Tage später, nachdem der Tour-Tross sich vom Elsass bis in die Pyrenäen geschlängelt hat, ist klar – die Tour wird weiter gehen. So, wie sie auch nach 1998 weiter ging, als die französische Polizei Fahrer verhaftete und man auch schon glaubte, dass nun endgültig Schluss sei mit dem Rad-Spass. Doch die periodischen Skandale, die den Sport erschüttern, scheinen zu nicht viel mehr zu führen, als zu einem vorüber gehenden Schock. Man entrüstet sich kurz, aber dann wird wieder gejubelt.

Das wissen die Radsport-Sponsoren und nicht zuletzt deshalb lassen sie trotz des belasteten Images auch nicht den Radsport im Stich. Jörg Croseck, Sprecher der Geschäftsführung beim Mineralbrunnen Gerolsteiner – dem Förderer eines deutschen Top-Teams - sagt etwa: „Unsere Erfahrung ist es, dass sich die Wahrnehmung des Sports mittelfristig wieder normalisiert.“ Stephan Schröder, Mitglied der Geschäftsführung der Kölner Agentur Sport+Markt fomuliert es drastischer: „Die Leute haben kein langes Gedächtnis.“

Die Normalisierung der Wahrnehmung hat bereits begonnen. Am ersten Tour-Wochenende, unmittelbar nach dem man Jan Ullrich entfernt hatte, schalteten zwar nur 1,4 Millionen Zuschauer die Tour-Übertragung der ARD an. Am vergangenen Wochenende schauten aber immerhin schon wieder 2,03 Millionen im ZDF die Tour. Das lag zwar noch unter dem Durchschnitt von 2,67 Millionen aus dem Jahr 2005. Aber zwei Millionen Menschen täglich sind eine Masse, die zu erreichen es sich für Sponsoren durchaus lohnt, Geld zu investieren.

Wenn es alleine um die Reichweite ginge, gäbe es also für Radsport-Sponsoren trotz des Dopingproblems keinen dringenden Grund, ihr Engagement zu hinterfragen. Und die Sponsoren des Tour-Veranstalters Amaury Sports Organisation sehen das auch offenkundig so abgebrüht. „Wir erreichen während der Tour 10 bis 15 Millionen Menschen“, sagt etwa David Bing, Marketing-Leiter bei der Uhrenmarke Festina, als schlichten Grund dafür, dass die Firma der Tour seit 15 Jahren verbunden ist. Auch davon, dass die Marke 1998 als Mannschaftssponsor mit dem bis dahin größten Doping-Skandal der Radsportgeschichte in Verbindung gebracht wurde, ließ Festina sich nicht beirren. „Die Leute können das schon trennen“, sagt Bing nonchalant.

Wenn sich Firmen jedoch über die Steigerung ihres Bekanntheitsgrades hinaus für ihr Geld – ein Radsportteam kostet 7 bis 12 Millionen Euro im Jahr – einen Imagegewinn versprechen, sollte man meinen, dass Doping ein gravierenderer Austiegs-Grund sei. Gerolsteiner etwa glaubt, dass das Werben mit den Radlern die Mineralwasser-Marke „jünger und internationaler gemacht hat“. Bislang sieht Jörg Croseck diese Wertetransfusion jedoch noch nicht gefährdet. Allerdings, so der Marketing-Mann, rede man „schon darüber, wann der K.o.-Punkt erreicht ist.“

Bislang sei es allerdings noch nicht so weit. Die Verträge mit der Mannschaft laufen noch bis 2008. Eine Verlängerung, so Croseck, stehe nur dann in Frage, „wenn der Radsport einfach zur Tagesordung übergehe.“ Für Stephan Schroeder von Sport und Markt ist ein Ausstiegsgrund erst dann gegeben, wenn klar ist, dass „eine ganze Mannchaft dopt“. So wie etwa die schwer belastete Equipe Astana Würth, aus der sich Schraubenhersteller Würth vergangene Woche umgehend zurück gezogen hat.

Bis zu diesem Punkt bleibt der Radsport für die Industrie jedoch attraktiv. Was mit dem Sponsoring genau erreicht wird, bleibt zwar über den Bekanntheitsgrad hinaus mit Marketing-Begriffen wie „Emotionalisierung der Marke“ eher vage beschrieben. „In neuen Mobilfunkverträgen oder verkauften Mineralwasserflaschen lässt sich so etwas nicht messen“, bestätigt Stephan Schroeder von Sport und Markt. Und doch: Es muß den Firmen so viel nutzen, dass die Toleranz für die Dopingbelastung ihres Emotions-Lieferanten beträchtlich ist. „Doping ist ein Risiko, dass man im Sportsponsoring eben eingeht“, sagt Jörg Croseck.

Vielleicht ist dieses Risiko jedoch gar nicht so groß. An französischen Landstrassen haben jedenfalls die Menschen zu Hunderttausenden wieder ihre Campingwagen abgestellt, Transparente aufgehängt, bunte Trikots angezogen und warten bei einer Flasche Wein geduldig auf die Tour. Dass Ullrich und Basso nicht dabei sind, ist schon beinahe wieder vergessen.