Tuesday, July 04, 2006

Reporterqualen: Die Tour macht keinen Spass


Irgendwie findet man bei dieser Tour keinen Arbeitsrhythmus. Das Prologwochende ist gewöhnlich auch für die Reporter eine Einstimmung, man kann sich ohne viele tägliche Stunden im Auto an die Arbeitsmenge gewöhnen und nach einem Jahr Trennung wieder mit den Fahrern und Mannschaften Fühlung aufnehmen.

Nun - dieses Jahr war das natürlich ganz anders. Die Tour begann mit einer Bombe. Der erste Arbeitstag – noch vor dem Prolog – war schlimmer, als eine Bergetappe, bei der man mit der Redaktionsschluss-Psychose im Hinterkopf an irgendeinem Alpenpass im Fan-Stau steht. Verwirrung und Schock haben das erste Wochenende gekennzeichnet sowie der verzweifelte Versuch einen klaren Gedanken zu fassen und das alles richtig einzuschätzen.

Gestern rollte die Tour dann endlich los. Man konnte vorübergehend hoffen, dass sich wieder eine Routine der Sportberichterstattung einstellt und man sich weniger mit medizinischen und juristischen Dingen beschäftigen muss. Das dachten wir heute früh noch, bis auf dem Weg zum Start wieder die Handys heiss liefen. Wieder Dopingverdächtigungen. Wieder musste man, der journalistischen Pflicht folgend, die Fahrer und Mannschaften mit bohrenden, unangenehmen Fragen behelligen und mühsam versuchen, Gerüchte von Tatsachen zu unterscheiden.

Es schwirren viele Gerüchte herum bei der Tour dieses Jahr. Genau genommen basiert die ganze Affäre um die suspendierten Fahrer ja auf nichts anderem als auf Hörensagen. Niemand hat die Dokumente aus Spanien gesehen, bis auf die Mannschaften und die reden nicht darüber, was darin steht.

Die allgemeine Verunsicherung erzeugt ein unangenehmes Klima. Die Reporter schwanken dazwischen, niemandem mehr irgend etwas zu glauben und auf der anderen Seite dem Bemühen um Fairness und Objektivität. Die Fahrer und Teams hingegen sind am Ende ihrer Nerven und kämpfen darum, sich auf das Rennen konzentrieren zu können und sich dafür zu motivieren.

Die Tour hat im Grunde noch nie so wenig Spass gemacht. Man erwischt sich ständig dabei, sich zu wünschen, dass es endlich wieder um den Sport geht. Einerseits. Andererseits ist diese Affäre dabei, die Faszination dieses Sports endgültig zu zerstören. Man war ja immer schon schizophren beim Radsport – man wusste eigentlich, dass man niemandem trauen kann, konnte dieses Mißtrauen aber leicht abschalten und sich der Schönheit und der Spannung des Rennens hingeben. Aber das wird immer schwieriger.