Friday, July 07, 2006

Andreas Klöden will die Tour gewinnen. Für Ulle

Andreas Klöden ist kein Mann, der große Töne spuckt. Wenn der schmale T-Mobile-Profi spricht, schaut er mit seinen dunkelbraunen Augen auf einen imaginären Punkt auf dem Fußboden und man muss ganz nahe rücken um seinen Flüsterton zu verstehen. Er sagt dann Dinge wie „Ja ich habe schon die Gesamtwertung im Hinterkopf“. Nach einer Ansage, die Tour gewinnen zu wollen, klingt das allerdings nicht.

Dabei steht Klöden auf der Liste der Favoriten nach dem Rausschmiss von Jan Ullrich, Ivan Basso und Alexandre Vinokourov ganz oben. Immerhin war Klöden 2004 schon einmal Tour-Zweiter – hinter Lance Armstrong und vor Ivan Basso und Jan Ullrich. Keiner seiner jetzt verbliebenen Gegner hat auch nur eine annähernd gute formale Qualifikation für den Posten des Armstrong-Nachfolgers vorzuweisen.

Aber schon damals ließ Andreas Klöden den Eigensinn vermissen, den ein Siegertyp braucht. Die Radsport-Welt lag ihm eigentlich zu Füssen – die besten Mannschaften der Welt rissen sich um ihn und boten ihm attraktive Summen an, sowie eine Mannschaft, die ausschließlich für ihn gearbeitet hätte. Aber er blieb bei T-Mobile. „Andreas weiß gar nicht, was er wert ist“, sagte damals sein Berater Tony Rominger. „Ich hätte woanders hingehen können“, sagt Klöden heute. „Aber ich wollte als Helfer für Jan arbeiten.“

Andreas Klöden und Jan Ullrich sind enge Freunde und die Loyalität zu Ulllrich ging Klöden stets über seinen eigenen Erfolg. Auch, als er Ullrich eigentlich schon überflügelt hatte. Und das hat sich im Grunde nicht geändert. Auch nicht, nachdem Ullrich aus dem Team verbannt wurde und Klöden nun eigentlich die Rolle seines ehemaligen Chefs übernehmen sollte. „Wir fahren alle für Jan“, sagt Klöden und betont dabei das „Wir“ anstatt „Ich“ zu sagen. Die Mannschaft, so Klöden, habe im Triningslager einen „Einer für Alle – Alle für Einen“ - Schwur geleistet. Der Eine, das scheint dabei noch immer Ullrich zu sein. Schon am Dienstag hatte Matthias Kessler nach seinem Etappensieg bekundet, dass er für Jan mitfahre. Jan Ullrich ist in den Köpfen seiner Mannschaftskameraden noch immer der Kapitän, auch wenn er sich zuhause in Scherzingen verkrochen hat, anstatt in Frankreich zu radeln. Dass er gedopt haben soll, so Andreas Klöden, müsse ja auch erst noch bewiesen werden. Bis dahin halten er und seine Kameraden ihren ehemaligen Chef für unschuldig.

Dennoch sitzt Ullrich nicht im Sattel und die verbliebenen sieben müssen auf der Strasse ohne ihn klar kommen. Andreas Klöden versucht dabei so gut wie möglich das nachzuahmen, was er sich über die Jahre bei Ullrich abgeschaut hat. Er fährt immer im vorderen Drittel des Feldes, mischt auf den Flachetappen bei den Sprints mit, um keine Zeit zu verlieren. “So hat es Ulle ja auch immer gemacht. Und das was ich früher gemacht habe, machen jetzt halt Matze (Kessler) oder Patrick (Sinkewitz).“

Es ist sicher eine notwendige Überlebensstrategie der T-Mobile-Fahrer, so weiter zu machen, als wäre nichts gewesen. Ausser, dass halt zwei Leute fehlen. „Sicher war es schwer nach den Ereignissen der vergangenen Woche, wieder Spannung aufzubauen“, sagt Andreas Klöden. Aber am Tag nach Ullrichs Entlassung begann nun einmal die Tour und man konnte nicht lange nachdenken. Die einzig mögliche Art, mit den Dingen umzugehen, war es, sie von sich wegzuschieben. „Man muss das jetzt einfach Verdrängen, den Kopf nach unten tun und Radfahren“, sagt Klöden.

So formuliert es auch Michael Rogers, der Australier im Team. Der Zeitfahr-Weltmeister will am Samstag versuchen, in seiner Spezialdisziplin das Gelbe Trikot für T-Mobile zu holen. Dann soll er es so lange wie möglich verteidigen und in den Bergen hoffentlich an Klöden abgeben, so die Mannschaftsstrategie. „Matthias hat uns mit seinem Etappensieg allen gezeigt, was wir tun müssen“, sagt Rogers. „Seit er gewonnen hat, haben wir alle wieder eine gute Moral. Ich glaube die Mannschaft ist wieder die alte.“

Bei Michael Rogers, der hellwach und ein wenig frech durch seine Designerbrille blickt, kann man sogar ein klein wenig Befreiung durch hören, nachdem Ullrich nicht mehr da ist und er seine eigenen Chancen nutzen kann. Er hat nicht die Hypothek der langjährigen engen persönlichen Bindung an Ullrich. Bei Klöden ist das anders. „Ich gewöhne mich langsam an die Rolle“, antwortet er mit unverändert unterdrückter Stimme auf die Frage wie es ihm mit der Kapitänsbürde denn gehe. Und ja, sicher, denke er daran die Tour zu gewinnen. Aggresiv, angriffslustig und siegeshungrig klingt das noch nicht. Aber vielleicht kommt das ja noch in den nächsten Tagen.

Sebastian Moll