Tuesday, July 24, 2007

Vinokourov Positiv, ASTANA von Tour ausgeschlossen

Pau. Das Gesicht von David Millar wurde kreidebleich und dem ehemaligen Weltmeister schossen die Tränen in die Augen. „Wenn das wahr ist, dann können wir alle einpacken“, war alles, was dem ansonsten wortgewandten Briten, der vor zwei Jahren EPO-Mißbrach gestanden hatte, über die Lippen kam. Millar war gerade dabei, im Kongresszentrum von Pau seine Ruhetags-Pressekonferenz abzuhalten und über seine Rennwoche zu plaudern, als die Nachricht wie eine Bombe in den Saal einschlug, dass Alexandre Vinokourov bei einem Dopingtest vom 21. Juni aufgefallen war. Der Kasache hatte sich mutmasslich Fremdblut in die Adern gepumpt. Am selben Tag gewann er überraschend das Einzelzeitfahren in Albi.

Der Sieg an diesem Tag hatte bereits verblüfft, nachdem Vinokourov kurz zuvor in den Alpen abgehängt worden war. Vinokourov litt an den Folgen eines Sturzes in der ersten Tour-Woche, bei dem er schwere Knieverletzungen erlitt. Noch erstaunlicher als der Sieg in Albi war indes sein Etappensieg am vergangenen Montag, als er mit einer mächtigen Attacke in den Pyrenäen allen Konkurrenten davon stiefelte. Am Tag zuvor noch hatte er im letzten Anstieg zum Plateau de Beille beinahe eine halbe Stunde verloren. Das Comeback erinnerte stark an jenes von Floyd Landis, der im vergangenen Jahr ebenfalls an einem Tag den Anschluss verloren hatte, am nächsten jedoch die gesamte Konkurrenz deklassierte. Eine Woche später wurde bekannt, dass Landis am Abend nach seinem Comeback positiv auf Testosterondoping getestet wurde.

Gegen Alexandre Vinokourov gab es bereits seit Langem Verdachtsmomente, nicht zuletzt wegen seiner Zusammenarbeit mit dem berüchtigten italienischen „Preparatore“ Michele Ferarri. Bei der Eröffnungspressekonferenz der Tour in London auf die Verbindung angesprochen, machte Vinkourov klar, dass er die Zusammenarbeit als unproblematisch ansehe, weil Ferrari für ihn nur Trainingspläne schreibe. Aber auch Vinkourovs Team Astana ist vorbelastet. Kurz vor der Tour de France war Vinokourovs Mannschaftskamerad Matthias Kessler postiv auf Testosterondoping gestestet worden. Während der Tour bestätigte die B-Probe den Verdacht. Zugleich musste Astana gemäß dem Ethik-Codex der Profi-Teams den italienischen Fahrer Eddy Mazzoleni entlassen, weil das Olympische Kommittee Italiens gegen ihn wegen Verdachts auf EPO-Mißbrauch ermittelt.

Unmittelbar nachdem der positive Test von Vinokourov am Dienstagnachmittag bekannt wurde, rief der Direktor der Tour, Christian Prudhomme, den Astana-Teammanager Marc Biver an und bat ihn darum, die Tour zu verlassen. Biver „akzeptierte“ wie Prudhomme sich ausdrückte und schon kurz darauf kamen die Fahrer des Teams mit Rollkoffern aus ihrem Hotel und fuhren in Richtung Flughafen ab. Teamchef Marc Biver gab nur knapp bekannt, dass der Fall selbstredend katastrophal für die Zukunft der Mannschaft sei, die um ihren kasachischen Kapitän herum gebaut ist und von kasachischen Firmen finanziert wird. Vinokourov, so Biver, werde selbstverständlich umgehend suspendiert. Vinokourov selbst ließ mitteilen, dass er die Blutanomalien auf seine Sturzverletzungen und die darauf folgende Behandlung im Hospital von Beaune zurück führte.

Tour-Chef Christian Prudhomme trat kurz darauf zusammen mit Patrice Clerc, dem Präsidenten der Tour-Holding Firma ASO vor die Presse und erklärte, dass es nicht in Frage käme, die Tour de France wegen des Astana-Falles zu stoppen. „Wir haben den Krieg gegen das Doping aufgenommen und wir wussten, dass wir Schlachten verlieren würden“, sagte Prudhomme martialisch. „Aber wir werden auf keinen Fall den Betrügern das Feld überlassen.“ Prudhomme fügte mehrfach an, dass die Doper begreifen müssten, dass „sie russisches Roulette spielten“ und dass die Tour „mit aller Entschlossenheit um die Träume unserer Kindheit“ kämpfen werde.

Paul Kimmage, der irische Ex-Rennfahrer, der schon 1991 ein Enthüllungsbuch über die Dopingpraktiken im Profi-Radsport geschrieben hatte, stand mit der aktuellen Ausgabe der Sportzeitung L’Equipe im Pressesaal und zeigte auf das Titelblatt des Tages, auf dem noch„die Courage“ von Vinokourov bei seinem Etappensieg gepriesen wurde. „Solche Menschen sind einfach unerträglich“, sagte er kopfschüttelnd zu dem Kasachen. Kimmage hatte in London dem suspekten Vinokourov vor versammelter Presse ins Gesicht gesagt, dass er der Tour schade, wenn er mitfahre. Damals hatte sich Kimmage für seine Unverfrorenheit noch die Empörung der Anwesenden zugezogen.