Friday, July 20, 2007

Rasmussen unter Verdacht - Das Gelbe Trikot kurz vor dem Tour-Ausschluss

12 Monate von Konferenzen und Verhandlungen, Proklamationen und dem Erlass neuer Maßnahmen-Kataloge sind vergangenen, seit Floyd Landis nur Tage nach seinem Tour-Sieg wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen wurde. Es war damals der schlimmste anzunehemende Zwischenfall für den Ruf der größten Veranstaltung des Radsports und es sollte danach alles getan werden, dass sich so etwas nicht wiederholt. Und doch scheint es wieder zu passieren – seit Freitag steht Michael Rasmussen, seit vergangenen Sonntag Träger des Gelben Trikots, unter verschärftem Doping-Verdacht. Es gibt keine positive Dopingprobe des dänischen Bergspezialisten, dafür jedoch einige „Auffälligkeiten in seinem Verhalten und in seinerEinstellung“, wie es am Freitag in einem Kommuniqué des dänischenRadsportverbandes hieß. Diese Auffälligkeiten veranlassten den Verbanddazu, seinen besten Fahrer am 29.Juni aus dem Nationalkader für dieWeltmeisterschaft im Herbst in Stuttgart zu streichen. Grundlage für den Rausschmiss war, dass Rasmussen bei zwei Trainingskontrollen am 8. Mai und am 28.Juni nicht anzutreffen war. Kurioserweise wurde die Entscheidung erst gestern nach einem Bericht des dänischen TV Senders DR1 bekannt. Dabei hatte auch der Radsportweltverband UCI von der Verwarnung gewusst, wie am Freitag dessen Präsident Patrik McQuaid zugab. „Wir hatten keine Möglichkeit, ihn an einem Tour-Start zu hindern“, erklärte McQuaid. Zwei verpasste Trainingskontrollen werden nach den Regularien des Verbandes noch nicht als Vergehen angesehen, erst nach dem dritten Mal wird ein Strafe verhängt. Ebenfalls am Freitag teilte nun jedoch der Geschäftsführer des dänischen Radsportverbandes Jesper Worre dem dänischen Fernsehen mit, dass es zwei weitere Fälle gegeben hatte, bei denen Rasmussen von den Kontrolleuren nicht gefunden werden konnte. Worre behauptet, diese Vorfälle der UCi gemeldet zu haben. Warum der Weltverband nicht darauf reagierte, ist bislang unklar. Für Rasmussens Weiterfahrt bei der Tour hat die Affäre vorläufig keine Konsequenzen. Der Chef der Tour Organisation ASO, Patrice Clerc, bekräftigte am Freitagabend, dass es keine Grundlage dafür gebe, Rasmussen aus dem Rennen zu nehmen. Clerc verwies auf die zahlreichen Dopingtests vor und während der Tour, die Rasmussen anstandslos bestanden hatte. Allerdings, räumte der Tour-Chef ein, müsse man sich schon fragen, warum man nicht vor der Tour von diesen Dingen informiert worden sei. Rasmussen selbst tat die Angelegenheit als Bagatelle ab: „Es ist doch gar nichts passiert. Ich bin lediglich wegen eines kleinen administrativen Fehlers verwarnt worden.“ Als der Tour-Führende sich während einer Pressekonferenz nach der Freitagsetappe weiter erklären wollte, wurde er jedoch mysteriöserweise von einem Mitarbeiter der Tour de France-Organisation von der Bühne gezogen. Bislang sieht auch Rasmussens Mannschaft, wie die Tour-Organisation, keine Veranlassung, etwas gegen Rasmussen zu unternehmen. Der Rabobank-Manager Theo de Rooy gibt zu, von den Verwarnungen gewusst zu haben. Doch auch er findet, dass die negativen Dopingtests von Rasmussen dessen Glaubwürdikeit ausreichend belegen. Verantwortliche anderer Mannschaft sehen das nicht so. Der Chef der französischen Mannschaft Bouygues Telecom, Jean René Bernaudeau, etwa sagte: „Wenn einer meiner Fahrer ausder Nationalmannschaft fliegen würde, wäre er nicht mehr am Start.“ Bob Stapleton vom T-Mobile sagte ebenfalls, dass gemäß der internen Regeln seines Teams Rasmussen nach einer Verwarnung durch die UCI nicht mehr fahren würde. Gründe zur Skepsis gegenüber Rasmussen gab es indes schon vor den Nachrichten vom Freitag. Als eiserner Doping-Gegner hat sich derzweifache Gewinner der Bergwertung noch nie hervor getan. So hält er sich häufig zum Training in Mexiko auf, wo es schwierig und kostspielig ist, ihn überraschend zu kontrollieren. Er besitzt auch eine Lizenz des mexikanischen Verbandes und unterliegt somit dessen vermutlich nicht eben üppig ausgestatteten Kontrollsystem. In diesem Jahr war Rasmussen der letzte Tour-Fahrer, der denEthik Code der UCI unterzeichnete. Das Papier verpflichtet dieFahrer, eine DNS Probe zum Abgleich mit den Unterlagen der spanischenJustiz aus den Ermittlungen in der Fuentes-Affäre abzugeben, sowie beieinem positiven Dopingtest ein komplettes Jahresgehalt als Strafe zuzahlen. Rasmussen empfand das Papier als Eingriff in seine Privatsphäre. Am Freitag erzählte zudem der ehemalige Moutnainbikeprofi Whitney Richards der amerikanischen Spartenwebsite VeloNews, dass Rasmussen ihn im Jahr 2002 dazu angeleitet hatte, Dopingmittel zu schmuggeln. Rasmussen hatte Whitney gebeten ein paar Radschuhe aus Amerika mit in ein Trainingslager nach Italien zu bringen. Als Richards ankam stellte sich jedoch heraus, dass der Shuhkartin mit einem Blutdopingmittel gefüllt war. Es gibt weitere Anhaltspunkte dafür, Rasmussens Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. So nährt seine Zusammenarbeit mit dem italienischenTrainer Paolo Rosola Spekulationen. Rosola hatte auchMountainbike-Olympiasiegerin Paola Pezzo betreut, die später wegenAnabolika-Dopings gesperrt wurde. Ferner rechnete der französischeSportwissenschaftler Antoine Voyer aus, dass Rasmussen am vergangenen Wochenende bei seiner Fahrt ins Gelbe Trikot am entscheidendenAnstieg mehr Leistung erbracht habe, als die Tour-Kletterkönige Pantaniund Virenque zu ihrer Zeit. Von beiden, sowohl Pantani, als auchVirenque, weiß man, dass sie seinerzeit schwer mit Epo hantierten. Rasmussen würde seine Leistung mit der Präzision seinerVorbereitung erklären. So reduziert der Däne an seiner Rennmaschinesowie an sich selbst kompromisslos das Gewicht. Das Rad wiegtgerade einmal6,8 Kilo, er selbst bringt bei einer Körpergrößevon 1,75 Meter nur schockierende56 Kilo auf die Wage. Gesundist das nicht. Und es sieht auch nicht so aus.Aber Magersuchtist keine verbotene Methode der Leistungssteigerung. Fraglich ist aber,was jemand, der so weit für den Sieg geht, noch alles dafür tunwürde.