Wednesday, July 19, 2006

Team Phonak: Vom Doping Aus zum Tour-Sieg

L’Alpe d’Huez. Heuteabend lässt Andy Rihs sich nicht lumpen, denn dies ist der Tag, auf den er seit sechs Jahren hingearbeitet hat. Der Schweizer Mitfünfziger mit dem weißen Bart und den schulterlangen weißen Zotteln lehnt sich in den Designerstühlen der schicken Hotelbar neben den Skiliften von L’Alpe d’Huez zurück, schlürft den besten Champagner, der hier oben zu haben ist und zündet sich eine Havanna an. Denn heute hat Floyd Landis, der Kapitän der Radsport-Mannschaft, die Rihs gehört, das Gelbe Trikot übernommen. Und wenn nichts Katastrophales passiert, wird Landis es bis Paris nicht wieder hergeben.

Der Erfolg macht Andy Rihs, Geschäftsführer des Team-Sponsors Phonak, eines Schweizer Hörgeräte-Konzerns, deshalb besonders zufrieden, weil sein Radsportteam vor nicht einmal anderthalb Jahren vor dem Aus stand. Nach gleich drei aufeinanderfolgenden Dopingfällen von Phonak-Fahrern – dem amerikanischen Olympiasieger Tyler Hamilton, dem Schweizer Weltmeister Oscar Camendzind, sowie dem Spanienrundfahrt-Zweiten Santiago Perez -– hatte damals der Radsportweltverband UCI Phonak die Lizenz für die Teilnahme an der Pro-Tour und somit an allen wichtigen Profiradrennen entzogen.

Die Begründung des Verbandes war eine zu zögerliche Haltung des Sponsors gegenüber seinen überführten Angestellten. Nicht nur habe Phonak zu lange an den gedopten Fahrern festgehalten, die Mannschaft und insbesondere Rihs zweifelten zudem die Zuverlässigkeit der Tests an. Das war selbst dem ansonsten ebenfalls in der Dopingbekämpfung eher trägen Verband zu viel.

Damals, erinnert sich Rihs, hätte er am Liebsten alles hingeworfen. „Aber dann habe ich mir gedacht, warum sollst Du Dir von ein paar Idioten alles kaputt machen lassen, was Du Dir aufgebaut hast.“ Seit der Hörgeräte-Unternehmer in den Radsport eingestiegen war, hatte sich die Bekanntheit seiner Marke rund um die Welt vervielfacht. Phonak hatte die Mitbewerber im Hörgeräte-Geschäft so souverän abgehängt, wie es das Floyd Landis derzeit bei der Tour tut.

Der Radsport, sagt Rihs deshalb emphatisch, ist als Marketinginstrument einmalig effektiv. „Ich mache mit dem Radsport meine Marke in über 100 Ländern bekannt“, schwärmt der Schweizer Geschäftsmann, mit dem wilden, unkonventionellen Auftritt. Geschätzte acht bis zehn Millionen Euro kostet ihn die Mannschaft, im Vergleich zu dem, was ihn mit konventioneller Werbung ein ähnlicher Marketingerfolg kosten würde, ein Taschengeld. „Um alleine in den USA einen ähnlichen Bekanntheitsgrad zu erzielen, wie mit Landis, müsste ich 200 Millionen Dollar über fünf Jahre ausgeben. Der internationale Radsport“, ist deshalb das Mantra von Rihs, „ist die Kommunikationsplatform mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis.“

Für Andy Rihs, auch das betont er immer wieder, ist Radsport, „reines Business.“ Insofern war das Dopingproblem in seiner Mannschaft für ihn eigentlich erst dann ein wirkliches Problem, als es das Geschäft schädigte. Sprich, als ihm der Zugang zu den großen Rennen verweigert wurde und somit die internationale Werbebühne, die er als „Condition Sine Qua Non“ für sein Engagement bezeichnet. Erst nach dem Ausschluss aus der Pro-Tour räumte Rihs in seiner Mannschaft auf, entließ den umstrittenen Team-Manager Urs Freuler und ersetzte ihn durch den Franzosen John Lelangue. Ein geschickter Schachzug des pfiffigen Schwizers: Mit dem über jeden Zweifel erhabenen Lelangue rettete Rihs nicht nur sein Image, sondern erkaufte sich auch den Wiedereintritt in die große Radsportwelt. Lelangue war vor seiner Beschäftigung bei Phonak ein hochrangiger Funktionär bei der Tour de France und verfügte dort über ausgezeichnete Kontakte. So war Phonak im Juli 2005, ein halbes Jahr nach der Degradierung, wieder bei der Tour am Start.

Grundsätzliche moralische Vorbehalte gegen Doping hat Rihs noch immer nicht. „Wo es im Sport um Geld geht“, sagt er, „da geht es ohne Medizin nicht.“ Andy Rihs ist ein Zyniker, daran dass der Sport das Reservat hehrer Werte wie Fairness, Ritterlichkeit oder ähnlichem sein soll, glaubt er nicht. „Sport ist Show, Entertainment, Business“, sagt er. Und in anderen Unterhaltungsbranchen wird ja auch nicht groß gefragt, wie die Show zustande kommt. Alleine wegen der Vorbildfunktion für die Jugend, behauptet Rihs, habe er Skrupel gegenüber chemischer Leistungsmanipulation. Überzeugend oder besonders engagiert klingt des jedoch nicht.

Im kommenden Jahr will Rihs mit seiner Firma trotz des hohen Werbewerts, den er dort für sein Geld bekommt, aus dem Radsport aussteigen. Nach sieben Jahren hat er für seinen Hörgerätevertrieb alles erreicht, was mit Radsport zu erreichen ist. Insbesondere, falls Floyd Landis am Sonntag in Paris noch immer das Gelbe Trikot trägt. Ab kommendem Jahr möchte sich Rihs lieber als Musikmäzen betätigen. „Das hat mehr mit Hören zu tun“, sagt er. Und es bringt ihm vermutlich auch weniger Ärger mit lästigen Regeln ein.

Sebastian Moll