Monday, July 17, 2006

Interview mit Georges Mouthon, genannt Dr. Spritze

Zu Georges Mouton: Georges Mouton, auch „Dr. Seringue“ (Doktor Spritze) genannt, wurde am 26. 9. 2001 in Lantin, Belgien inhaftiert. Im wird Handel mit unerlaubten Medikamenten zur unerlaubten Leistungsmanipulation und deren Abgabe an gesunde Profisportler vorgeworfen. Dabei soll es sich um EPO, das anabole Steroid DHEA, das Schilddrüsenhormon Elthyrone sowie Kortisonpräparate gehandelt haben. Dr Boucher gilt als bekanntester belgischer Sportarzt und gehörte auch eine zeitlang der Société de Tour de France an. Im März 2000 enthüllte der 27 jährige dänische ex-Profi Brian Dalgaard in einer TV-Sendung, dass nicht weniger als 13 dänische Fahrer aus allen wichtigen dänischen Teams Patienten bei Mouton waren, was allerdings zu Leugnung dieser Verbindungen bei fast allen Betroffenen führte. (cyclingnews.com, 24.3.2000).

Viele bekannte Namen tauchen in den Untersuchungen auf. Die Staatsanwaltschaft Aachen ermittelte ebenfalls ein Jahr lang unter deutschen Radprofis, da ein deutsches Konto entdeckt wurde, „über das Gelder für Medikamente an einen Mittelsmann von Mouton gezahlt worden waren.“„Die rund ein Dutzend vorgeladenen deutscher Radprofis, von denen auf dieses Konto von einigen teilweise mehr als 1.000 Mark eingezahlt worden waren, hatten unisono erklärt, dass es sich ausschließlich um Vitamine und Zusatzernährung gehandelt habe, die sie auf diese Art bezahlt hätten. Das Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt. Die Medikamente sollen sie von Mouton selbst, einem Apotheker oder per Post erhalten haben.“ (interpooltv.de)
Die Ermittlungen führten nach Frankreich und Spanien, wobei ein spanischer Apotheker ausgesagt hat, EPO an die Praxis Mouton's geliefert zu haben. Dr. Mouton gibt aber lediglich zu, Anabolika in sehr geringen Dosen verabreicht zu haben.

Im Februar 2002 wurde er nach 5 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen, dass Verfahren ist noch anhängig. Im Oktober 2004 berichtet die belgische Presse, dass Mouton mit 40 Dopingdossiers in Verbindung gebracht wird. So sollen auch die vielen bei Frank Vandenbroucke im Februar 2002 bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Mittel auf Mouton zurückgehen.






Dr. Mouton, arbeiten Sie noch mit Radsportlern zusammen?

Nein, ich betreibe eine private Praxis in London. Aber ich bin immer noch Radsportfan und schaue jeden Tag die Tour de France. Ich habe vor sieben Jahren aufgehört, Radsportler zu betreuen.

Sie waren 1998 Mannschaftsarzt bei der deutschen Radsportgruppe EC Bayer Worringen. Haben Sie dort Jörg Ludewig betreut, der gerade des Dopings bei T-Mobile angeklagt wird?

Ich war der Vertrauensarzt einzelner Fahrer aber nie der Mannschaftsarzt. Ja, ich glaube ich kann mich an den Namen Ludewig erinnern.

Haben Sie Ludewig beraten?

Nein, das mache ich nicht, ich behandele nur Menschen, die Beschwerden haben. Aber ich glaube mich erinnern zu können, dass seine Mannschaft einen Trainer hatte.

Wissen Sie noch wer das war?
Nein, ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube ein Ausländer.

Wie weit verbreitet glauben Sie ist das Doping im Radsport heutzutage?

Das ist schwer zu sagen, ich habe da ein wenig den Kontakt verloren. Ende der 90er Jahre, als ich noch im Radsport gearbeitet habe, würde ich sagen, dass etwa 80 Prozent der Profis EPO benutzt haben. Man weiß ja, was herauskommt, wenn man heute eingefrorene Urinproben aus dieser Zeit untersucht. Und ich denke, es ist noch immer besser, nicht allzu genau hinzuschauen. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass Jan Ullrich der einzige deutsche Rennfahrer ist, der dopt.

Warum hat der Radsport ein so großes Dopingproblem?

Das Problem ist nicht das sogenannte Doping sondern die Anforderungen an die Fahrer. Jeden Tag 200 Kilometer und mehr zu fahren, das hält der Körper nicht aus, da muss man helfen.

Und das haben Sie getan.

Ja, vor 10 Jahren. In meinen Augen war es ethisch das Richtige, den Fahrern zu helfen, auch wenn es nicht legal war. Ich bin nicht davon überzeugt, dass das Doping war – ich finde die Grenzen zwischen legal und illegal sind da nicht ganz klar.


Kennen Sie Eufemiano Fuentes?

Nein, ich habe seinen Namen zum ersten Mal in der Zeitung gelesen.

Glauben Sie, dass sein Labor einzigartig ist oder, wie manche behaupten, dass es noch viele andere unentdeckte Labors dieser Art gibt?

Ich habe von keinen anderen gehört. Ich glaube nicht, das solche Labors sehr verbreitet sind.

Was kann man Ihrer Meinung gegen das Dopingproblem im Radsport tun?

Die Leute wollen einerseits immer mehr Show und Spektakel. Die Strecken bei der Tour sind in den vergangenen Jahren wieder viel härter und länger geworden. Andererseits sollen die Athleten sauber sein. Ich finde da herrscht eine Doppelmoral. Ich halte beispielsweise die Pro-Tour für eine verhängnisvolle Entwicklung. Da ist ein Rennkalender geschaffen worden, der länger ist als jemals zuvor und der von der immer selben Gruppe von Fahrern bestritten werden soll. Und weil das die besten Fahrer der Welt sind, treffen sie zudem überall auf einen extrem harten Wettbewerb. Das alles wurde gemacht, um Medien und Sponsoren zu befriedigen. Wie die Fahrer das schaffen sollen, fragt keiner.

Sie finden, Radprofis sollten bei ihrem Job die gleiche medizinische Unterstützung bekommen, wie Leute in anderen anstrengenden Berufen?

Ganz genau. Ich halte die Tatsache, dass die medizinische Unterstützung von Radprofis kriminalisiert wird, für ein riesiges Mißverständnis. Es ist eine Schande, dass man Spitzensportlern nicht die Hilfe geben darf, die sie brauchen.

Welche Hilfe für Radsportler halten Sie vertretbar?

Alles was natürlich ist und die Regeneration fördert. Ich mache ein Blutbild und stelle fest, was dem Fahrer fehlt. Ich würde etwa davor zurük schrecken, künstliche Hormone zu verabreichen. Ich würde eher Hormonvortsufen wie DHEA oder adrenales Pro-Hormon verabreichen, damit der Körper selbst arbeiten muss. Testorsteron würde ich hingegen nicht geben, das halte ich für gefährlich. Es ist sehr schwierig da allgemeine Regeln aufzustellen, weil das ein sehr komplexes Feld ist.

Haben Sie jemals EPO oder Wachstumshormon gegeben?

Nein, ich halte Wachstumshormon und EPO gesundheitlich für riskant.

Die Grenze ist für sie also alleine das Gesundheitsrisiko?

Als Arzt bin ich für die Gesundheit meiner Patienten verantwortlich. Solange die Gesundheit mein Ziel ist, ist es ethisch korrekt, was ich tue. Wenn es nur um Leistungssteigerung geht und die Gesundheit vernachlässigt wird, dann habe ich ein Problem damit.

Aber ist nicht der Spitzensport insgesamt ungesund?

Natürlich ist er das. Deshalb muss ich dem Spitzensportler dabei helfen, trotz der Belastung gesund zu bleiben, in dem ich etwa sein überbelastetes Immunsystem stärke.

Wie soll also Ihrer Meinung ein Dopingreglement aussehen?

Ich möchte als Arzt eines Spitzensportlers alles tun können, was ich für einen normalen Patienten auch tue. Nichts anderes habe ich ja getan. Ich habe nur auf die Bedürfnisse meiner Patienten reagiert. Das war jedoch ein Fehler und hat mir viel Ärger eingebracht. Deshalb halte ich mich jetzt aus dem Radsport heraus – denn ich habe meine Einstellung ja nicht geändert.

Was passiert, wenn ein austrainierter Radprofi eine Tour de France ohne medizinische Unterstützung fährt?

Der Körper explodiert, das Immunsystem kollabiert. Eine Belastung wie die Tour, oder gar eine ganze Rennsaison, ist schlicht und einfach verrückt. Der Fahrer wird krank, er bekommt Durchfall, Grippe, Fieber, ein Ermüdungssyndrom. Wie schon gesagt, so etwas von Menschen zu verlangen und ihnen dann medizinische Unterstützung zu verweigern ist verlogen. Das Problem das wir heute im Radsport haben ist doch, dass die Rennen und der Rennkalender aus einer Zeit stammen, in der alles erlaubt war und keiner gefragt hat. Und jetzt soll es auf einmal ohne gehen. Auf die Show, auf das Spektakel der extremen Leistung will niemand verzichten. Ich kann es etwa nicht akzeptieren, dass die Tour in den verganenen Jahren wieder Jahr für Jahr länger und härter geworden ist. Krank ist nicht die medizinische Unterstützung, krank sind diese Anforderungen.

Was halten Sie davon, dass Fahrer heutzutage automatisch verdächtigt werden, wenn sie mit bestimmten Leuten wie Cecchini oder Ferrari zusammen arbeiten?

Ich finde damit macht man es sich sehr einfach. Diese Leute haben vielleicht Fehler gemacht aber sie haben bestimmt auch sehr viel Gutes getan. Eine solche Schuldvermutung alleine wegen der Verbindung ist einfach nicht richtig. Da werden dem Sport wieder strengere Regeln auferlegt, als dem Rest der Gesellschaft. Genau, wie beim Ausschluss von Ullrich und Basso. Es ist nicht richtig Leute ohne Beweise zu bestrafen. Man darf nicht immer nur verbieten und bestrafen, man muss den Sportlern auch helfen.