Thursday, December 07, 2006

Tailgating: Was die Amerikaner wirklich am Football begeistert

Das Krachen von harten Lederkugeln auf Baseballschlägern wird in Amerika erst wieder im Frühjahr zu hören sein, die Basketball-Playoffs fangen gar erst im Juni an und so gehören die Wintermonate in den USA dem Football. Quer über den Kontinent wird in der Vorweihanchtszeit erbittert um den Einzug in die Finalrunden gerangelt und gerannt – vom Profisport bis hinunter in die High-School-Ligen

Über die kompletten 90 Seiten ihrer Ausgabe der vergangenen Woche feierte deshalb die Sportzeitschrift Sports Illustrated die Glorie und die Faszination von Amerika’s liebstem Sport. Dabei ließen die Autoren allerdings den Aspekt des Sportes aus, der noch viel mehr als die kontrollierte Prügelei auf dem Spielfeld Amerika mobilisiert: Das Tailgating. Wesentlich mehr Menschen als bei den Spielen der NFL und der College Ligen auf der Tribüne sitzen, stehen auf den Parkplätzen rund um die Stadien an den Heckklappen ihrer Autos, grillen alles von Hotdogs bis zu Rinderhälften und trinken vom Vorabend des Spiels bis in die Morgenstunden danach Unmengen von Bier.

Das Tailgating-Ritual, an dem bei großen Spielen bis zu einer halben Million Menschen teilnehmen, hat dabei nur entfernt etwas mit Football zu tun. „Es kommt auf die Freunde an, die man trifft, auf die Party und auf den Sport“, schreibt etwa das Magazin für amerikanische Traditionen, American Heritage. „In genau dieser Reihenfolge. Und oft ist der letzte Punkt dieser Liste verzichtbar.“

Beim Tailgating geht es um mehr, als darum, ein Team anzufeuern. So glaubt der New Orleaner Koch Joe Cahn, der es sich zum Lebensinhalt gemacht hat in seinem Wohnwagen von Tailgate zu Tailgate quer durch das Land zu fahren, dass das Tailgating einen dringenden Bedarf in der Gesellschaft des modernen Amerika deckt: „Es ist der einzige Ort, an dem Amerikaner noch wirklich zusammen kommen. Man kann quasi durch den Garten der Leute laufen, es gibt keine Zäune, man sagt wildfremden Leuten Hallo und trinkt ein Bier zusammen. In den Nachbarschaften der amerikanischen Städte und Ortschaften passiert das nicht mehr.“

Die Sehnsucht nach einem solchen Gemeinschaftserlebnis ist offenbar überwältigend. Dael Jaeger, der Parkwächter des Lambeau Field, dem legendären Stadion der Green Bay Packers, muss sich etwa standhaft gegen Bestechungsversuche wehren, um besonders günstige Parkplätze frei zu halten. „Ich bekomme bis zu einem Monatsgehalt angeboten.“ Das ist deutlich mehr, als eine Stadionkarte kosten würde. Aber wer brav auf der Tribüne sitzt verpasst ohnehin nur das eigentliche Ereignis: Die Party auf dem Parkplatz.

Sebastian Mol