Monday, August 14, 2006

"Eine Lektion in Demut" - Boy George als Straßenfeger in New York




New York. Von weitem sieht der stämmige Mann in der dreiviertel langen Jogging-Hose und der orange-farbenen Weste aus wie ein ganz gewöhnlicher Müllarbeiter. Erst, als Boy George an den Zaun rund um das Strassenreinigungsdepot der Stadt New York am East River tritt und die geduldig wartenden Paparazzi um eine Zigarrette anschnorrt, erkennt man die Achtziger Jahre- Pop-Ikone an den großflächigen Kopf-Tätowierungen, die durch seinen adretten Kurzhaarschnitt durchschimmern. „Ich glaube, ich werde den Wächter jetzt verführen“, zwinkert George den Reportern zu, bevor er von einem uniformierten Polizisten in das Hauptgebäude der Anlage eskortiert wird, um dort in der Kantine sein Mittagessen einzunehmen.

Auch ein halber Tag Staub kehren auf den schmutzigen und heißen New Yorker Strassen hat den ehemaligen „Culture Club“-Frontmann und jetzigen Nobel-Disco-DJ offenbar noch nicht ganz seine Keckheit gekostet. Dabei sollte der Dienst, den der zivil George O’Dowd getaufte Brite fünf Tage lang versehen muss, ihm laut dem New Yorker Richter Anthony Ferrara eine „Lektion in Demut“, sein. „Er muss nicht gedemütigt werden, er ist ein sehr bescheidener Mann“, hatte dazu Georges Manager Jeremy Peace gesagt, als der für seine Drogeneskapaden berüchtige Sänger am Montag früh um sieben Uhr auf der Henry Street in Chinatown zu seinem Dienst antrat.

Auf den Richter hatte George jedoch offenkundig einen anderen Eindruck gemacht. George hatte mehrfach Ferraras Vorladungen einfach ignoriert. Als er dann unter Haftandrohung endlich in Ferraras Gerichtssaal erschien, bot George an, als Sozialdienst New Yorker Jugendlichen Modekurse zu geben oder bei einer AIDS-Hilfe-Veranstaltung zu singen. Offenbar fühlte sich der Richter verulkt und brummte George den niedersten und unangenehmsten Dienst auf, den die Stadt in solchen Fällen anzubieten hat: Bei beinahe 35 Grad auf stinkenden New Yorker Strassen den Dreck zu beseitigen.


George war im Oktober des vergangenen Jahres in seinem New Yorker Apartment verhaftet worden, nachdem die Polizei dort Kokain in rauhen Mengen entdeckt hatte. Offenbar unter dem Einfluss der Droge hatte George selbst die Polizisten angerufen und einen angeblichen Diebstahl gemeldet. Die Cops fanden jedoch keine Diebe sondern nur George, ein japanisches Model und viel weißes Pulver. George konnte jedoch letztlich nur dafür belangt werden, dass er eine falsche Anzeige erstattet und somit die Zeit der New Yorker Polizei verschwendet hatte. Fünf Tage Sozialarbeit lautete die Strafe.

Die geplante Lektion in Demut drohte allerdings schon in den ersten Minuten zu einer Farce zu verkommen. Als George im Morgengrauen am Depot der Müllabfuhr vorfuhr warteten bereits Dutzende von Fotografen und Kamerateams auf ihn. In einem Autokorso durch das erwachende Manhattan verfolgten sie den weißen Müllwagen, mit dem George zu seinem Arbeitsplatz gebracht wurde und bedrängten den 45-Jährigen von allen Seiten, als er versuchte sich an sein Arbeitsgerät – einen großen rollenden Mülleimer, eine Stahlschaufel und einen Besen – zu gewöhnen.

Die Behinderung nervte George sichtlich. „Verschwindet, haut ab“, rief er und stieß mit seinem Besen nach einem der Fotografen. „Glaubt ihr, ihr seid etwas besseres, als ich? Lasst mich meine Arbeit machen. Das soll mich demütig machen hier. Lasst mich das machen hier. Ich will einfach nur meinen Job erledigen.“

Doch die Reporter gehorchten nicht und so packte ein Offizieller der Müllabfuhr George schon nach einer Viertelstunde wieder in seinen Wagen und karrte ihn zurück in das Depot der Behörde unter der Manhattan Bridge. „Wir werden etwas für ihn auf dem Gelände finden. Das macht keinen Sinn hier.“

Zur Mittagspause haben sich die Dinge dann beruhigt. Zusammen mit zwei ebenfalls straffällig gewordenen Jugendlichen fegt George träge die Zufahrtsstrasse zu einer großen Garage für die New Yorker Müll- und Straßenreinigungswagen. Die Reporterschar ist auf ein knappes Dutzend geschrumpft, das artig vor dem Drahtzaun des Geländes darauf wartet, dass George vorbei kommt und etwas sagt. Mittlerweile ist George sogar ganz froh darüber, dass sie da sind, und sei es nur, weil sie die Monotonie seines Jobs ein wenig durchbrechen. „Ich habe jetzt schon die Schnauze voll“, raunt er ihnen zu, während er sich nach der Mittagspause bei einem britischen Kameramann noch eine Zigarrette besorgt. Über das Gelände donnert dröhnend der endlose Verkehrstrom vom FDR-Drive, dem sechsspurigen Highway, der das Manhattaner Ufer des East River säumt. Der Schweiß strömt einem den Rücken herunter, wenn man nur so da steht. Über den braunen Designerturnschuhen klebte der Dreck an Boy Georges Beinen wie Schlamm. Wie in Zeitlupe schlept er sich an seiner Kippe saugend zurück zu seinem Besen. Noch viereinhalb Tage Fegen hat George vor sich.