Friday, July 28, 2006

US Reaktionen auf den Landis Fall: "Say it ain't so, Floyd"

Es ist noch nicht sehr lange her, da wähnte sich der amerikanische Sportfan in einer dopingfreien Zone. Unerlaubte Mittel zur Leistungssteigerung waren ein Problem des ehemaligen Ostblocks, Chinas und vereinzelter Europäer. Amerikaner tun so etwas nicht. Erst seit dem BaLCo Skandal und den Untersuchungen des Kongresses gegen den Baseballsport wacht die Öffentlichkeit langsam auf in den USA. Und dass jetzt der neue amerikanische Tour-Sieger aufgeflogen ist, verstärkt die aufkeimende nationale Depression.

So konstatieren unisono die großen seriösen Tageszeitungen Los Angeles Times und die New York Times am Freitag vormittag schockiert, dass man heutzutage wohl keiner athletischen Leistung mehr trauen kann. Zuerst sei da der Rekrodschlagmann im Baseball, Barry Bonds gewesen, dann die Sprinterin Marion Jones. Und jetzt auch noch Floyd Landis, den die Nation erst zwei Tage zuvor als Nachfolger Armstrongs und als erfrischendes neues Gesicht unter den US-Sportstars gefeiert hatte. Da sei die Versuchung groß, so Times-Kolumnist William Rhoden, zynisch zu werden und einfach hinzunehmen, dass es keine Spitzenleistung ohne Doping mehr geben kann.

Selbst Lance Armstrong, so William Rhoden in seiner Kolumne, könne man nun wohl nicht mehr trauen. „Im Windschatten von Floyd Landis’ Leistung und seinem Dopingtest, müssen wir uns schon fragen, ob Armstrong wirklich ein Superheld war oder nur ein Betrüger, der sich nicht hat erwischen lassen.“ Ein Gedanke, den sich in den USA bislang kaum jemand zu formulieren getraut hat. Nur das TIME Magazine hatte in seinem Bericht über den Skandal zu Beginn der Tour erstmals gewagt, laut Fragen zur Glaubwürdigkeit von Armstrong zu formulieren.

Ansonsten waren die Vorwürfe aus Frankreich in der US-Öffentlichkeit an Armstrong bislang völlig abgeprallt. Armstrongs PR-Strategie, die Beschuldigungen als Anti-Amerikanismus und kleingeistige Mißgunst darzustellen war voll aufgegangen. Und sein Medienimage als als Quasi-Heiliger war zu stark, als dass die Mäkeleien aus Frankreich es hätte trüben können. Der Landis-Fall wirft nun jedoch selbst auf Armstrongs glänzenden Heiligenschein einen Schatten.

Auf Landis’ positive Probe angesprochen reagierte Armstrong am Donnerstag mit jener Vorsicht, die man von Radsportlern in solchen Fällen gewohnt ist. „Ich weiß nur, dass es eine verdächtige A-Probe gibt. Sonst weiß ich nichts über Floyd’s Fall. Bevor es keine B-Probe gibt, habe ich dazu nichts zu sagen“, sagte der Siebenfach-Champion während einer Fahrradtour durch Iowa, bei der er Mittel für die Krebsforschung sammelt.

Armstrong nimmt für Landis, wie im Übrigen auch Jan Ullrich für sich, die Unschuldsvermutung in Anspruch. Das tut auch Landis. In einer Telefonpresskonferenz am Donnerstagabend sagte er: „Ich möchte als unschuldig gelten, so lange, bis mir das Gegenteil bewiesen wird. So machen wir das in Amerika.“ Allerdings weiß Landis wohl, dass das ein frommer Wunsch ist. „Die Leute haben eine Vorstellung davon, wie die Dinge laufen im Radsport. Nach allem, was im Radsport gelaufen ist, kann ich es sogar nachvollziehen, wenn die Leute skeptisch sind.“ Landis bittet zwar um eine Gelegenheit, seine Unschuld zu beweisen. Der Schaden an seinem Namen und seinem Ruf , dass weiß er jedoch, ist jetzt schon irreparabel: „Das wird nicht mehr weg gehen, egal, was als nächstes passiert.“

Immerhin gibt es in den USA einige, die sich zumindest wünschen, dass ihr neuer Radsportheld sauber ist. „Floyd beteuert seine Unschuld. Ich würde ihm so gerne glauben“, schreibt Austin Murphy vom einflussreichen Blog Sports Illustrated. Allerdings ist auch Murphy angesichts der Inidzien gegen Landis ausgesprochen zerrissen. „Floyds Ritt über die Alpen erschien als ein glanzvolles Gegenwicht zum Dopingskandal beim Tour-Start. Glanzvolles Gegenwicht“, meditiert Murphy weiter, „diese zwei Worte werden mich wohl in den kommenden Wochen verfolgen wie Gespenster.“

Sebastian Moll