Thursday, July 27, 2006

Landis gedopt

Die Begeisterung für Floyd Landis’s Tour de France-Sieg und für seinen grandiosen Ritt über die Alpen war von Anfang an verhalten gewesen. Man hätte ihn gerne als Symbol der Hoffnung und eines abermaligen Neubeginns in sein Herz geschlossen, doch nach allem, was man zu Beginn der Tour von den amtierenden Radsport-Idolen zu hören bekam, war man vorsichtig mit der Verteilung von Zuneigung an Radfahrer geworden. Wie sich gerade einmal vier Tage nach Landis’s Tour-Sieg herausstellt, war solche Vorsicht angebracht. Am Donnerstag wurde bekannt, dass gegen Landis ein schwerer Verdacht des Testosteron-Dopings vorliegt.


Bereits am Mittwoch teilte der Radsportverband UCI mit, dass es bei der Tour einen positiven Dopingfall gegeben habe. Die UCI darf allerdings bis zur Öffnung der B-Probe die Namen auffälliger Fahrer nicht veröffentlichen. Sie hatte jedoch den für Landis zuständigen nationalen Verband USA Cycling sowie Landis’ Rennstall Phonak informiert. Am Donnerstag bestätigte Phonak, dass Landis bei einer Dopingkontrolle am 17. Juli aufgefallen war. Der Urin des Amerikaners wies einen zu hohen Quotienten von Testorsteron zu Epitestosteron auf – ein Indiz für Doping mit dem Hormon Testorsteron.

Landis war schon am Mittwochvormittag überhastet aus den Niederlanden zurück in die USA gereist. Er hatte am Dienstagabend noch in Holland ein Rennen gewonnen und war am Donnerstag in Dänemark zu einem weiteren Rennauftritt erwartet worden. Als Erklärung für seine Abfahrt gab Landis zunächst an, dass ihn seine Hüfte, die demnächst operiert werden soll, plötzlich schmerze. Am Donnerstag erklärte indes seine Mannschaftsleitung, dass Landis versuchen werde, „durch eine Gegenanalyse zu beweisen, dass sein positiver Test aufgrund natürlicher Prozesse oder aufgrund eines fehlerhaften Testverfahrens“ zustande gekommen sei. Die Mannschaft erklärte weiterhin, dass sie in Übereinstimmung mit dem selbstauferlegten Ethik-Code der Pro-Tour-Mannschaften Landis bis auf weiteres suspendiere.

Der postive Test von Landis stammte aus einer Probe, die am Abend seines triumphalen Ritts nach Morzine genommen wurde. Landis hatte an jenem Tag einen als uneinholbar geltenden Rückstand von beinahe acht Minuten wettgemacht und sich aus aussichtsloser Lage wieder in den Wettbewerb um den Tour-Sieg manövriert. Die Radsportwelt hatte die Attacke von Landis als historisch gefeiert – so etwas hatte man seit den Tagen von Eddy Merckx nicht mehr erlebt.


Bei seiner Abschlußspressekonferenz am letzten Abend der Tour hatte Floyd Landis indes auffällig barsch auf Nachfragen zum Thema Doping reagiert. Zunächst hatte er gesagt, dass er sich zu dem Thema nicht äußern wolle. Als sich die Journalisten damit nicht zufrieden gaben, sagte er jedoch mit für ihn untypisch scharfem Ton, dass „niemand im Peloton über die Suspendierungen zu Beginn der Tour auch nur die geringste Befriedigung“ empfinde. Der Ausbruch von Landis war ein eindeutiges Solidaritätsbekenntnis mit den „Opfern“ der spanischen Dopinguntesuchungen, sowie eine unterschwellige Kritik an der harten Reaktion der Mannschaften und der Tour-Direktion auf die Informationen von der spanischen Staatsanwaltschaft.

Zum Anschluß der Pressekonferenz wurde Landis noch einmal darum gebeten, als erster Tour-Sieger einer neuen Ära und als neuer Primus seines Berufsstandes eine deutliche Botschaft gegen Doping abzuliefern. Landis sagte daraufhin lediglich, „dass Eltern ihren Kindern beibringen sollten, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“ Offenbar war Landis nicht der Meinung, dass er und seine Kollegen eine Verantwortung dafür tragen, das Dopingproblem ihres Sports zu lösen.

Konkrete Verdachtsmomente gegen Landis gab es bislang eigentlich nicht. Lediglich, wie bei so vielen Radsportlern, Indizien. So nahm Landis in seiner Zeit als Helfer von Lance Armstrong von 2003 bis 2004 wie sein Chef die Dienste des italinienischen Sportmediziners Michel Ferrari in Anspruch. Der Arzt aus Bologna, der in Italien der Weitergabe von Dopingmitteln an Sportler überführt ist, führte für Armstrong sowie für Landis und George Hincapie Leistungstests durch und stellte Trainingspläne auf.

Auch Landis’ Rennstall Phonak hat sich in der Vergangenheit nicht gerade durch Härte und Konsequenz im Kampf gegen das Doping hervor getan. Erst im Winter 2004/2005 bekam Phonak die Pro-Tour Lizenz, die Berechtigung an den großen Rennen des Sports teilzunehmen, entzogen, weil die Mannschaft beim Dopingfall des Olympiasiegers Tyler Hamilton zu zögerlich gehandelt hatte. Im Interview mit der FTD sagte Mannschaftsbesitzer Andy Rihs noch in der letzten Tour-Woche, dass er glaube, dass es im Profi-Sport nicht ohne Medizin gehe. Diese Einstellung bezeichnete Rihs als „realistisch“ und nicht als zynisch.

Sollte die B-Probe den positiven Test von Landis bestätigen, bekäme dieser selbstverständlich den Tour Titel entzogen. Zum Tour Sieger würde dann nachträglich der Spanier Oscar Pereiro ernannt, zweiter würde Andreas Klöden. Glücklich werden in der Radsportwelt über diese Nachverschiebung jedoch nur die wenigsten sein. Jens Voigt, Fahrersprecher in der Vereinigung der Profi-Radteams AIGCP etwa sagte, „Was soll ich dazu noch sagen. Ich bin entsetzt, enttäuscht, schockiert.“ Die übriggebliebenen Radsportfans werden ihm zustimmen. Und so schnell wohl keinem glanzvollen Sieger mehr zujubeln können. Floyd Landis könnte zum Sargnagel des Radsports werden – er hat es im Prinzip unmöglich gemacht, sich diesen Sport noch anzuschauen.

Sebastian Moll