Saturday, August 12, 2006

"Ausrede, um die Buereger zu schickanieren" - New Yorker Reaktionen auf den verhinderten Terror-Anschlag

Der vereitelte Anschlag auf die Londoner Passagiermaschinen am Donnerstag haette fuer George Bush kaum zu einem oportunerem Zeitpunkt kommen koennen. Erst zwei Tage zuvor hatte der als expliziter Irakkriegsbefuerworter bekannte demokratische Senator Joe Leberman seinen Vorwahlkampf in Connecticut verloren: Fuer die meisten Beobachter ein klares Zeichen dafuer, dass Bush es sich durch sein Irak-Engagement mit den amerikanischen Waehlern verscherzt hat.


Bush verschenkte freilich auch keine Sekunde, um diese unerwartete politische Gelegenheit zu nutzen und die Amerikaner daran zu erinnern, dass es noch immer „genuegend Leute da draussen gibt, die uns etwas fuer das antun wollen, an was wir glauben.“ Auch der gerade gescheiterte Liebermann, frueherer Vizepraesidentschaftskandidat, nutzte die Gelegenheit, um die Kriegstrommeln zu ruehren und seinen Wahlkampf als unabhaengiger Kandidat vorzubereiten: „Zu viele Leute in der Politik und ausserhalb der Politik unterschaetzen, wie ernst die Bedrohung der amerikanischen Sicherheit und wie boese unser Feind ist – boeser noch, als die Nazis und gefaehrlicher als die Soviets.“

Tatsaechlich waren die Amerikaner an dem Tag des verhinderten Attentats wieder empfaenglicher fuer die Botschaften derer, die eine harte Linie im „Krieg gegen den Terror“ fordern. Der New Yoerker Kuenstler Thomas Martin etwa, sagte gegenueber der New York Times, sein Gefuehl der Sicherheit sei voellig erschuettert: „Die Groessenordnung dessen, was da geplant war, ist schon erschreckend.“

Darueber, ob die Verhinderung des Anschlags ein Erfolg der Bush-Politik war, sind die Amerikaner allerdings gespalten. Waehrend etwa Ron Spangenberg aus Illinois Bush lobte und sich wunderte, „woher denn die Zweifler kommen“, sagte Mary Mackley in New York, „der Krieg im Irak laeuft so schlecht. Dieser angebliche Anschlag wirkt beinahe wie ein Ablenkungsmanoever. Ich habe das Gefuehl, dass unsere Sicherheit gefaehrdeter ist, als wenn Bush gar nichts getan haette in den vergangenen Jahren.“


Auch Susan Wolfe, eine Ladenbesitzerin in Montana, war sich nicht sicher, ob das teure Homeland-Security-Ministerium etwas dazu beigetragen hatte, die Flugzeuganschlaege zu verhindern. „Ich glaube die Briten haben hervorragende Arbeit geleistet“, sagte sie gegenueber der Times. „Ob wir von unserer Seite etwas dazu getan haben – keine Ahnung.“


Die New Yorker Geschaeftsfrau Jan Lakin, die am Donnerstag fuer den ansonsten auf vier Stunden bemessenen Flug von Las Vegas nach New York dreizehn Stunden brauchte, war von den verschaerften Sicherheitsmassnahmen an den Flughaefen nur genervt und glaubte auch nicht, dass die Sicherheitsbemuehungen der Behoerden irgendeine Wirkung hatten. „Das war einfach nur erniedrigend und deprimierend heute. Ich meine erst duerfen wir keine Nagelscheren mitnehmen und muessen mit Plastikbesteck essen, muessen die Schuhe ausziehen und uns filzen lassen und jetzt duerfen wir kein Shampoo mehr einpacken. Das ist doch alles plumpe Symbolik, reiner Aktivismus. Die Regierung will zeigen, dass sie etwas tut und tut dann irgendetwas, egal ob es Sinn macht oder nicht. Der einzige Effekt, den das hat, ist es, die Buerger zu schikanieren.“


Auch der aegyptisch-staemmige Computer Programmierer Fady Mohaber auesserte Zweifel daran, dass Bushs „Krieg gegen den Terror“ effektiv ist. „Sicher sind die, die man jetzt erwischt hat, schuldig. Aber man loest doch das Problem nicht, indem man eine einzige Gruppe verfolgt. Das ist doch endlos, das geht doch dann immer so weiter.“

Die liberale Nachrichtenwebsite Slate wiess unterdessen daraufhin, dass die Amerikaner von dem Fahndungserfolg der Briten etwas wichtiges lernen koennten. Das britische MI5 haette in der Sache eng mit den pakistanischen Behoerden zusammen gearbeitet. Vor diesem Hintergrund sollte sich die US Regierung ueberlegen, ob es nicht an der Zeit waere, mit Regimen wie Syrien und Iran zu reden, anstatt sie pauschal abzulehnen: „Ist es nicht an der Zeit, unangenehme Schritte zu tun, um Terrorakte zu verhindern?“

Die konservative New York Sun hingegen lobte in ihrem Kommentar am Freitag Praesident Bush dafuer, dass er den Feind mit der Bezeichnung „islamischge Faschisten“ endlich einmal beim Namen genannt habe. „Das ist keine reine Frage der Semantik. Es geht dabei nicht darum, Hass in der muslimischen Welt zu streuen, sondern den Feind zu verstehen. Gestern wurde eine wichtige Schlacht gegen den Teror gewonnen. Den totalen Sieg werden wir jedoch erst gewinnen, wenn wir uns dazu bringen koennen, den wahren Namen unseres Feindes auszusprechen.“

Ob letztlich die Konservativen oder die Lieberalen in den USA aus dem vereitelten Anschlag von London politisches Kapital ziehen, werden vermutlich erst die Kongresswahlen im November zeigen. Eines steht jetzt jedoch schon fest – er hat ein Amerika, das gerade dabei war, ein wenig zusammen zu ruecken, wieder polarisiert.